Seit sich die russischen Truppen aus der Stadt Cherson am Schwarzen Meer zurückgezogen haben, leben die Bewohner zwischen Hoffnung und Furcht. Wir haben einige jüdische Senioren in Cherson besucht und emotionale Momente erlebt.
Als uns vor einigen Tagen ein Hilferuf aus dem gerade befreiten Cherson erreichte, sind wir sofort an die Arbeit gegangen. Wir haben Lebensmitteltüten gepackt und uns um die erforderlichen Papiere gekümmert, um eine Einfahrgenehmigung für die Stadt zu bekommen.
Am Dienstag haben wir uns dann mit einer Ladung Lebensmittelpakete Richtung Odessa auf den Weg gemacht; am Mittwoch noch einmal dasselbe mit einem größeren LKW. Am Donnerstag war es dann soweit: In aller Frühe sind wir mit einem voll beladenen LKW und einem Minibus nach Cherson aufgebrochen. Von Odessa bis Cherson sind es 220 Kilometer entlang der Schwarzmeerküste. Diesmal haben wir fünf Stunden für die Strecke gebraucht.
Bis nach Nikolajew sind wir noch gut vorangekommen, aber als wir die Stadt einmal hinter uns gelassen hatten, mussten wir einen Checkpoint nach dem anderen passieren. Unterwegs haben wir Dutzende Dörfer gesehen, die verlassen und offensichtlich großenteils zerstört worden waren.
Einige Straßen und Brücken sind nicht mehr befahrbar. Wir mussten vielerorts auf unbefestigte Wege ausweichen.
Als wir in der jüdischen Gemeinde in Cherson ankamen, wurden wir wie Befreier gefeiert. Aber wir sind weder Befreier noch Helden. Wir haben zu den Mitarbeitern vor Ort gesagt: „Ihr seid die Helden – ihr, die ihr hiergeblieben seid!“
Wie viele jüdische Bewohner noch in der Stadt leben, weiß keiner; vielleicht sind es um die 1000. Nun haben wir unsere Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde dort intensiviert.
Unsere Kontaktperson war sehr überrascht, wie schnell wir zur Stelle waren und wie gut die Koordinierung geklappt hat. Als wir darüber nachgedacht haben, waren wir selbst erstaunt. Wir führen es auf Gottes Gunst für unser Unterfangen zurück.
In diesem Video sehen Sie, wie nach unserer Ankunft in Cherson die Lebensmitteltüten in die jüdische Gemeinde gebracht werden (Englisch).
In den nächsten Tagen werden die Lebensmittel an die Bedürftigen in der jüdischen Gemeinde verteilt – zumeist ältere Personen. Da wir nun schon in der Stadt waren, haben wir die Gelegenheit genutzt und einige von ihnen besucht.
Viele der Überlebenden fühlen sich unwahrscheinlich einsam. Die Tage sind kurz, die dunklen Nächte lang. In der ganzen Stadt ist die Heizung ausgefallen; es ist sehr kalt in den Wohnungen. Da seit langem schon der Strom ausgefallen ist, gibt es kein fließendes Wasser. Damit ist auch die Abwasserentsorgung ausgesetzt. Den Geruch in den Wohnblocks kann man sich vorstellen.
In dieser Situation haben unsere Besuche den jüdischen Hilfebedürftigen neue Hoffnung gegeben. „Ein Lebensmittelpaket und Wasser ist das Wichtigste, was wir im Moment brauchen.“
Wir wären am liebsten ein paar Tage in Cherson geblieben. Aber wir hatten nicht nur auf dem Hinweg kostbare Fracht. Auf dem Rückweg haben wir fünf Mitglieder der jüdischen Gemeinde mitgenommen, die Alijah machen wollen. Sie sind zunächst in unserer Notunterkunft in der Westukraine untergekommen. Kommende Woche sollen sie mit einer weiteren Gruppe aus Saporosche und Dnepr Richtung Chisinau aufbrechen, um dort beim israelischen Konsulat ihr Einwanderungsvisum zu bekommen und schließlich nach Israel zu gehen.
Dann wollen wir die nächste Hilfslieferung für Cherson vorbereiten. Die Not in der Stadt ist enorm. Kein einziger Lebensmittelladen ist offen. Die ehemaligen Geschäfte sind entweder verbarrikadiert oder zerstört. Hier und da haben wir die typischen osteuropäischen Großmütter gesehen, die auf der Straße etwas aus dem Garten angeboten haben. Aber sonst gibt es nichts zu kaufen.
Als wir am zentralen Freiheitsplatz vorbeifuhren, haben wir hunderte Menschen gesehen, die anstanden, um irgendetwas von einer Hilfelieferung abzubekommen.
Bei ihrem Rückzug aus Cherson haben die russischen Truppen die Leitungen für die Wasser- und Stromversorgung zerstört. Keiner weiß, wann die Infrastruktur wiederhergestellt wird.
Ein großes Dankeschön an alle, die auf den Hilferuf aus Cherson reagiert haben! Wir tun, was wir können, um den Anfragen nachzukommen. Bitte betet mit uns für die Lage in Cherson.
Helfen Sie mit!
In den nächsten Tagen wird es richtig kalt. Überall im Land liegt schon der erste Schnee. Unsere Nothilfe ist für viele entscheidend. Gern können Sie heute für die Notleidenden spenden. Für 15 Euro können wir ein gehaltvolles Lebensmittelpaket mit Grundnahrungsmitteln packen. Hier können Sie unsere Arbeit in der Ukraine unterstützen!
Von Koen Carlier, übersetzt von Anemone Rüger, Christen an der Seite Israels