100 Jahre Exzellenz: Die Hebräische Universität Jerusalem

100 Jahre Exzellenz: Die Hebräische Universität Jerusalem

Panoramablick Jerusalem
Der Blick von der HUJ reicht über ganz Jerusalem bis ans Tote Meer. Foto: Hagai Agmon-Snir | Wikipedia | CC BY-SA 4.0

Sie ist älter als der Staat Israel, zu ihren Gründern gehörte mit Albert Einstein der wohl bekannteste Physiker der Welt, sie hat acht Nobelpreisträger hervorgebracht und rangiert regelmäßig unter den 100 besten Hochschulen der Welt: die Hebräische Universität in Jerusalem. In diesem Jahr feiert sie ihren 100. Geburtstag.

Von Dana Nowak

Mit der Eröffnung der Hebräischen Universität Jerusalem (HUJ) am 1. April 1925 auf dem Skopusberg ging für die zionistische Bewegung und viele Juden weltweit ein Traum in Erfüllung: Die Errichtung einer Bildungsstätte, an der jüdische Studenten frei von Antisemitismus und Diskriminierung forschen und lernen können. Die Schaffung einer Heimstätte für das jüdische Volk im Land seiner Vorväter sollte erst 23 Jahre später folgen. Doch das sei kein Paradoxon, wie Israels späterer Staatspräsident Chaim Weizmann in seiner Eröffnungsrede vor rund 6000 Gästen erklärte:

„Auf den ersten Blick scheint es paradox, dass wir in einem Land mit einer so dünnen Bevölkerung, in einem Land, in dem noch alles getan werden muss, in einem Land, das nach so einfachen Dingen wie Pflügen, Straßen und Häfen schreit, ein Zentrum der geistigen und intellektuellen Entwicklung schaffen sollen. Aber für diejenigen, die die Seele des Juden kennen, ist das kein Paradoxon. Es ist wahr, dass große soziale und politische Probleme noch vor uns stehen und ihre Lösung verlangen werden. Wir Juden wissen, dass wir, wenn der Geist voll zur Geltung kommt, wenn wir ein Zentrum für die Entwicklung des jüdischen Bewusstseins haben, dann werden wir zufällig auch die Erfüllung unserer materiellen Bedürfnisse erreichen.“

Hauptgast bei der Eröffnungsfeier war kein Geringerer als der Brite Arthur James Balfour. Acht Jahre zuvor, zu der Zeit war er Außenminister, hatte er dem jüdischen Volk die Unterstützung seiner Regierung bei der Schaffung einer Heimstätte im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina zugesichert. Lord Balfour und „die Zeichen der Zeit“ In seiner Ansprache sagte Balfour:

„Heute hat eine neue Epoche begonnen. Es werden neue und größere Anstrengungen unternommen, um in der alten Heimat die jüdische Kultur wieder aufzunehmen, die in den zweitausend Jahren zwischen der Zerstörung Jerusalems und der Vertreibung der Osmanen aus Palästina nie aufgehört hat. Obwohl diese Entwicklung der jüdischen Kultur durch äußere Gewalt unterbrochen wurde, ist sie durch individuelle und eigene Anstrengungen erhalten worden. Das jüdische Volk hat einen großen Teil der menschlichen Zivilisation getragen. Es blieb jedoch verstreut. […]

Altes Gemälde
Lord Balfour in roter Robe bei der Eröffnungsfeier im April 1925. Das Gemälde ziert die Eingangshalle der HUJ. Foto: Dana Nowak

Unter diesen besonderen Umständen sind wir nun mit einem Projekt beschäftigt, das westliche Universitätsmethoden in einem nahöstlichen Land anpasst und zu diesem Zweck eine nahöstliche Sprache verwendet. Ein solches Experiment ist noch nie versucht worden, und wenn ich die Zeichen der Zeit nicht missverstehe, wenn der Genius des jüdischen Volkes nicht versagt, muss dieses Experiment ein unvermeidlicher Erfolg sein. […] Es wäre jedoch ein großer Fehler, sich vorzustellen, dass die Araber nicht den größten Nutzen aus dieser Universität ziehen würden. Ich hoffe, dass die Araber sich an die historischen Tatsachen erinnern werden, dass in den dunkelsten Tagen des finsteren Zeitalters, als die Zivilisation unter den Barbaren erstickte, die Juden zusammen mit den Arabern im arabischen Spanien halfen, die ersten Funken des Lichts in Europa zu entzünden.“

Wie recht Balfour mit dem angekündigten Erfolg des Projektes hatte, zeigt 100 Jahre später ein Blick auf die Errungenschaften der Hebräischen Universität: Unter ihren Alumni sind vier Premierminister, vier Staatspräsidenten, acht Nobelpreisträger und ein Fields-Medaillen-Gewinner – die Auszeichnung gilt als Nobelpreis der Mathematik. Zudem wurden mit Verbindung zur HUJ bereits mehr als 10.000 Patente angemeldet.

In den 100 Jahren ihres Bestehens hat die Universität zahlreiche Kriege durchlebt. Doch das Streben nach Exzellenz blieb über alle Spannungen und Krisen hinweg zentraler Bestandteil des akademischen Lebens. Dabei möchte die Hebräische Universität ein Ort für alle Bevölkerungsgruppen sein: Juden, Araber, diverse Minderheiten, Neueinwanderer, Muslime, Christen oder andere.

Eine Chance für Israels Araber

Jedes Jahr führt die Hochschule daher Vorbereitungsprogramme für mehr als 1000 Studenten aus allen Teilen der Gesellschaft durch. So gibt es unter anderem ein Programm für Araber aus Ostjerusalem. An deren Schulen gilt der palästinensische Lehrplan, sie lernen kein Hebräisch. Wer studieren will, geht in die Palästinensischen Autonomiegebiete oder ins Ausland. Doch Israel möchte auch diesen Arabern das Studium an der besten Universität im Nahen Osten ermöglichen und bietet spezielle Kurse an.

Eine, die erfolgreich an der HUJ studiert, ist die Araberin Taima. Sie habe eine christliche Schule im Osten Jerusalems besucht und fast kein Hebräisch gesprochen, erzählt sie im November vor einer Gruppe von Mitarbeitern von Christen an der Seite Israels (CSI). Mittlerweile setzt sich Taima im sogenannten Botschafter-Programm der HUJ ein. Es schafft Begegnungen zwischen Studenten und Schülern vor allem aus den arabischen Dörfern um Jerusalem und soll helfen, Vorbehalte abzubauen, Vertrauen zu schaffen und die Araber zum Studieren zu ermutigen. „Ich bin sehr stolz auf die Hebräische Universität und auch auf mich. Ohne sie hätte ich nie Hebräisch gelernt und hier studieren können. Ich habe fünf Jahre Hebräisch gelernt und bin jetzt richtig gut“, erzählt Taima weiter.

Campus-Leben nach dem 7. Oktober

Mittlerweile sind etwa 20 Prozent der Studenten Araber, die meisten von ihnen sind Frauen. Mit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 wurde auch die mühsam aufgebaute Koexistenz auf die Probe gestellt. „Ich hatte nach dem 7. Oktober echt Angst, als Araberin in Israel zu sein und zur Uni zu gehen. Aber als ich hier ankam, waren alle so herzlich.“ Dennoch habe es sie anfangs beunruhigt, als plötzlich so viele Studenten und auch Lehrer eine Waffe trugen. Doch befürchtete größere Unruhen blieben aus.

„Es wurde nicht über Politik gesprochen, das hat mir sehr geholfen. Ich fühle mich wohl hier, das ist wie mein zweites Zuhause. Die Hebräische Universität macht keine Unterschiede zwischen den Religionen, egal welchen Hintergrund wir haben, wir sind hier alle gleich“, sagt Taima. Im Miteinander mit ihren jüdischen Freundinnen habe sich dennoch etwas verändert: „Wir sprechen nicht mehr so offen über alles. Ich will nichts sagen, was sie verletzt und umgekehrt. Wir reden einfach nicht über die aktuelle Situation.“

Zwei Männer an Rednerpult
Luca Hezel (l.), CSI-Vorsitzender Deutschland, spricht dem Europadirektor der HUJ, Daniel Shriqui, Solidarität zu. Foto: Dana Nowak

Und so gibt es für die Menschen an der Hebräischen Universität ein Leben vor dem 7. Oktober und eines danach, wie der Präsident der Hochschule Asher Cohen vor den CSI-Mitarbeitern aus Deutschland betont. „Der barbarische Terrorakt wird uns noch lange beschäftigen. Was sich danach gezeigt hat, war die starke Unterstützung aus Ihrem Land. Schon im November hatten wir die erste ausländische Delegation hier – sie kam aus Deutschland.“

Zudem habe die deutsche Max-Planck-Gesellschaft angeboten, auf ihre Kosten internationale HUJ-Studenten aufzunehmen, die aus Sicherheitsgründen Israel vorrübergehend verlassen wollen. Cohen fügt hinzu: „Ich weiß, dass auch Sie als Gruppe sich um Israel sorgen. Sie sind gekommen, um Ihre Unterstützung zu zeigen und das schätzen wir sehr. Wir brauchen diese Unterstützung, sie ist wichtig für uns und wir sind entschlossen, unseren guten Weg weiterzugehen. Wir wollen Spuren hinterlassen, in Israel, in Jerusalem und in der Welt.“

Hintergrund Hebräische Universität Jerusalem

Von Anja Weippert

Die Hebräische Universität Jerusalem (HUJ) ist – nach dem Technion in Haifa – die zweitälteste Universität in Israel. Die Grundsteinlegung erfolgte am 24. Juli 1918, am 1. April 1925 dann die Eröffnung mit den drei Fakultäten Mikrobiologie, Chemie und Jüdische Studien auf dem Campus am Skopusberg. Bei der Eröffnungszeremonie sprach unter anderem Lord Balfour, erste Verwaltungsposten wurden von Sigmund Freud, Martin Buber, Chaim Bialik, Chaim Weizmann und Albert Einstein bekleidet, welcher später seine Schriften und seinen Besitz der Universität vermachte.

Die HUJ blieb von den politischen Entwicklungen nicht unberührt. So wurde der Skopusberg während des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948/49 vom restlichen Teil Jerusalems abgeschnitten und das Universitätsgelände somit zur israelischen Exklave. Der Lehrbetrieb musste auf andere, neugegründete Standorte ausweichen. Erst durch den Sechs-Tage-Krieg 1967 wurde der Zugang zum Skopusberg wieder möglich und der Campus in den Folgejahren weiter ausgebaut. Während der sogenannten Zweiten Intifada wurde der Campus Schauplatz eines grausamen Terroranschlags der Hamas, die am 31. Juli 2002 zur Mittagszeit eine Bombe in der gutbesuchten Frank Sinatra Cafeteria zündete. Neun Menschen starben, über 100 wurden verletzt.

Heute hat die Hebräische Universität Jerusalem sieben Fakultäten, 14 Fachbereiche und rund 90 Forschungsinstitute mit etwa 23.500 eingeschriebenen Studenten, verteilt auf sechs Standorte, drei davon in Jerusalem. Die HUJ gehört zu den 100 bedeutendsten Universitäten der Welt. So brachte sie insgesamt acht Nobelpreisgewinner hervor und einen Gewinner der renommierten Fields-Medaille. Außerdem finden sich mit Ehud Barak, Ariel Scharon, Ehud Olmert und Naftali Bennett vier der insgesamt neun israelischen Premierminister unter den Absolventen der Hochschule.

Mann betrachtet Porträts an der Wand
Wissenschaftler der HUJ zählen zu den weltweiten Spitzenforschern. Foto: Dana Nowak

Die HUJ trägt zum weltweiten Ruf Israels als Erfindernation bei. So verzeichnet die für die Vermarktung des von Forschern und Studenten generierten wissenschaftlichen Know-hows verantwortliche Yissum Technology Transfer Company über 7000 Patente für mehr als 2000 Erfindungen – weltweit Rang 15.
Mehr als 600 dieser Patente wurden kommerzialisiert und auf Grundlage dieser Patente hergestellte Produkte werden für über zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr verkauft. Zu den bekanntesten Erfindungen zählen bahnbrechende Medikamente gegen Alzheimer und Eierstockkrebs sowie das Fahrsicherheitssystem Mobile Eye.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 140. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

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