Als am Morgen des 7. Oktober 2023 erste Berichte zum Überfall der Hamas auf Israel die Runde machen, ist dem israelischen Fotojournalisten Ziv Koren schnell klar, dass dieser Fotoeinsatz anders sein wird als alle anderen. Er ist von Anfang an mittendrin und dokumentiert den unfassbaren Horror dieses Schwarzen Schabbat sowie der darauffolgenden Monate. Eine Auswahl aus mehreren Hunderttausend Fotos aus dieser Zeit ist in einem Bildband mit dem Titel „The October 7 War“ („Der Krieg des 7. Oktober“) zusammengestellt.
Dieser Bildband ist von außen komplett schwarz. Und er wiegt schwer in der Hand. Beides passt irgendwie. Der mehrfach ausgezeichnete israelische Fotojournalist Ziv Koren hat in seinem Berufsleben schon viel Schlimmes gesehen und dokumentiert: Erdbeben und Tsunamis, Massengräber in Butscha, Haiti und Nepal, Kriegsschauplätze. Doch seine Fotos aus Be’eri, Nachal Oz, Kfar Aza und vom Gelände des Nova-Festivals zeigen mehr als nur Zerstörung – „sie sind die Verkörperung des Horrors“ und „Beweise für die unvorstellbare Grausamkeit und die pure Bösartigkeit menschlicher Monster“, wie der Fotograf im Vorwort schreibt.
Ziv Koren stellt sich mit diesem Bildband in den Dienst einer Mission – der Mission, authentisch zu dokumentieren, was geschehen ist: „Dies ist eine der schwierigsten, komplexesten und emotionalsten Perioden, die wir seit der Gründung des Staates erlebt haben. Es ist zwingend erforderlich, diese extreme Geschichte so genau und zuverlässig wie möglich zu erzählen.“ Umso mehr in einer Zeit, wo Bildbearbeitungsprogramme und künstliche Intelligenz es den Menschen immer schwerer machen, zwischen Realität und Illusion zu unterscheiden.
Und so nimmt Koren die Betrachter mit zurück zum 7. Oktober 2023 und in die Monate danach. Fortan ist man unmittelbar mittendrin: Man sieht die verstörenden Fotos von willkürlich getöteten Menschen neben ihren Autos am Straßenrand. Erkennt in den Bildern aus den vollkommen verwüsteten Kibbutzim am Gazastreifen den minutiös geplanten und hemmungslos ausgelebten Vernichtungswillen der Terroristen. Man nimmt Anteil an der zunehmenden Verzweiflung der Geiselangehörigen und ahnt den erlebten Horror der Freigelassenen. Man begleitet Helfer der Hilfsorganisation ZAKA, die Unerträgliches sehen und dennoch ihre Aufgabe erfüllen.
Man wird aber auch Zeuge, wie ein Land aus der Schockstarre erwacht und sich erhebt: Wenn Freiwillige überall dort mit anpacken, wo Hilfe gebraucht wird. Wenn die Soldaten der israelischen Armee in den Gazastreifen eindringen, um Geiseln zu befreien und die Hamas zu stellen. Wenn Menschen sich nicht ihr Leben zerstören lassen wollen und heiraten, wenn auch in Uniform. Und wenn Versehrte in Kliniken Schritt für Schritt auf ihre – wenn auch erstmal nur körperliche – Genesung hinarbeiten.

Fast alle von Korens Fotos zeigen Zerstörung in irgendeiner Form. Viele sind schwer auszuhalten. Manche zeigen den Horror gewissermaßen durch die Hintertür und entwickeln so ihre ganz eigene Kraft. Berührend ist die Doppelseite am Ende des Fotobandes: „The Photos not taken“ („die nicht gemachten Fotos“). In einer derart visuell geprägten Zeit könnte man dazu verleitet werden zu glauben, dass was nicht fotografiert wurde, auch nicht geschehen ist. Dem stellt sich Ziv Koren entgegen, indem er auch den nicht bildlich festgehaltenen Geschichten des 7. Oktober Raum gewährt.
Überhaupt, die Geschichten: Auch wenn es sich in erster Linie um einen Fotoband handelt, entwickelt er seine eigentliche Kraft aus den Texten. Ziv Koren hat unzählige Interviews geführt, Namen und Geschichten recherchiert. So bekommen die abgebildeten Toten am Straßenrand einen Namen, eine Lebensgeschichte. Außerdem lässt Koren knapp dreißig Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven auf das Geschehen zu Wort kommen. Dadurch entstehen eine Tiefe und Differenziertheit, die den Fotos eine über die Momentaufnahme hinausreichende Kraft verleihen.
Ziv Koren gelingt eine eindrückliche Dokumentation des 7. Oktober und der folgenden fünf Monate, mit Fotos vom Unbeschreiblichen und Worten für das Unaussprechliche. Sehens- und lesenswert. Auch wenn es solch einen Bildband eigentlich nicht geben dürfte.
The October 7 War, Ziv Koren, Gefen Publishing House, 298 Seiten, ISBN-109657801737, weitere Informationen und Bestellmöglichkeit: zivkoren.com.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 141. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.