Das Café Europa – Ein Treffpunkt für Holocaust-Überlebende in Jerusalem

Das Café Europa – Ein Treffpunkt für Holocaust-Überlebende in Jerusalem

Gruppe Menschen um einen Tisch
CSI-Mitarbeiter treffen Pessy (3. v. r.) und Debby (4. v. r. ) im Jerusalemer Café Europa. Foto: Klaus Werner | CSI

Im Herzen Jerusalems befindet sich ein besonderer Treffpunkt: Das Café Europa. Ins Leben gerufen wurde er von der Jerusalem Foundation, unterstützt wird er unter anderem von Christen an der Seite Israels (CSI). Hier treffen sich Holocaust-Überlebende zu Kaffee, Kuchen und Kultur. Hier entgehen sie der Einsamkeit und erhalten Informationen für verschiedene Belange des Lebens sowie über ihnen zustehende Leistungen und Hilfen. Aber am wichtigsten ist etwas anderes: Hier können sie ihre Geschichten erzählen, hier wissen sie sich verstanden wie an sonst kaum einem anderen Ort. Die Holocaust-Überlebende Pessy Krausz erzählt.

Von Pessy Krausz, Übersetzung Anja Weippert

Vor einigen Jahren begleitete ich einen Freund zu einem Vortrag ins Café Europa. Von diesem Ort hatte ich bis dahin noch nie gehört. Debby, eine junge Sozialarbeiterin, begrüßte mich und erkundigte sich, wo ich geboren sei. „In Deutschland“, antwortete ich und Debby fragte, ob ich irgendwelche Dokumente hätte, die das belegen. Sie erklärte mir, dass das Café Europa Programme für Holocaust-Überlebende anbietet und uns über Leistungen aufklärt, auf die wir möglicherweise Anspruch haben.

Als ich einige Zeit später in Debbys Büro saß, hatte ich tatsächlich Dokumente ausgegraben, aus denen mein Geburtsdatum und -ort hervorgingen. Was Debby nicht wusste: Ich war vor Jahren nach Deutschland in meinen Geburtsort gereist, um diese Dokumente zu besorgen. Und ich war in Dresden, um dort die Heiratsurkunde meiner Eltern zu bekommen – der Hauptzweck meiner Reise. In England, wo meine Eltern einst lebten, schickte die Königin ein Glückwunschtelegramm an Paare, die 60 Jahre verheiratet waren.

Ich dachte, meine Eltern würden sich über so ein Telegramm freuen, aber ohne Dokumente als Nachweis lehnte der Königshof dies ab. Da unsere Dokumente aber irgendwo auf der Flucht von Deutschland über Belgien nach Dünkirchen verloren gegangen waren, hatte ich keinerlei Nachweise. Es gelang mir jedoch, die Heiratsurkunde im Dresdner Rathaus zu bekommen, wo sie gewissenhaft dokumentiert worden war. Als meine Mutter schließlich das Telegramm der Königin erhielt, war ihre Antwort: „Nun ja; sie ist auch nur eine Frau!“

An den Programmen vom Café Europa teilzunehmen bedeutet, Freundschaft mit vielen Menschen zu schließen, die Holocaust-Tragödien erlebt haben. Ich erzählte dort, wie meine Mutter ihre Eltern das letzte Mal gesehen hatte, als sie an der Grenze zwischen Polen und Deutschland aus dem Bus geworfen wurden, weil sie nicht über die erforderlichen Papiere verfügten. Meine Mutter sah, wie ihr Vater, ein religiöser alter Mann, mit im Wind wehendem weißem Bart dem Bus nachlief und rief, er habe seine heiligen Bücher vergessen. Aus dem Bus geworfen, nur weil sie Juden waren. Meine neuen Freunde verstanden, dass meine Mutter vom Königtum nicht beeindruckt war.

Neue Ängste

Auch andere Café-Besucher erzählten ihre Geschichten. So zum Beispiel Rina, deren Eltern ins Konzentrationslager gebracht worden waren, als sie noch klein war. Sie wurde von einem Paar gerettet, dessen gleichaltrige Tochter gerade gestorben war, und segelte an deren Stelle mit ihnen in die USA. Oder Naomi, die als kleines Mädchen stundenlang versteckt wurde und nur den Segen für Brot kannte, den sie ständig rezitierte.

Nur im Café Europa finden wir diese gemeinsame Verbindung. Ob in der hebräisch- oder englischsprachigen Gruppe, wir fühlen uns alle zu Hause. Viele haben Angst, weil ihre Enkel in der Armee dienen. Mein jüngstes Gedicht über meinen Enkel befindet sich jetzt in der israelischen Nationalbibliothek, wo Kriegserlebnisse dokumentiert werden. Das Café Europa nährt uns nicht nur durch Erfrischungen, die Debbie und freundliche Freiwillige bereitstellen, sondern auch durch die Möglichkeit, unsere Gefühle zu teilen – auch wenn es jedes Mal unsere Herzen zerreißt, wenn wieder eines unserer Mitglieder unweigerlich stirbt.

Ende des vergangenen Jahres besuchte uns eine Gruppe von Christen an der Seite Israels aus Deutschland. Daraus ergab sich die Möglichkeit, meine Geschichte in einem Online-Webinar zu erzählen. Darin habe ich die Verbindung beschrieben, die wir trotz unserer Geschichte zu unseren deutschen Freunden haben. Der weltweite Antisemitismus hat erneut sein hässliches Gesicht gezeigt. Hier in Israel kämpfen wir wieder um unser Überleben, nur weil wir ein jüdischer Staat sind. Unsere Freunde von Christen an der Seite Israels sind unsere Botschafter gegen Antisemitismus.

Danke für euer uneingeschränktes Verstehen und eure wertvolle Unterstützung!

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 140. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

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