Seit Maria* Taschengeld bekommt, legt sie ein Zehntel davon beiseite, um es Gott zur Verfügung zu stellen. Das haben ihre Eltern ihr so beigebracht, denn so steht es in der Bibel. Ende 2023 sitzt die Familie zusammen, um zu überlegen, wo die Achtjährige das gesparte Geld hingeben könnte. Da kommt Maria auf eine besondere Idee: Sie möchte es Israel schenken, das nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 zerstörte Häuser wieder aufbauen muss. Eine Geschichte darüber, wie 17,19 Euro in mehrfacher Weise genau am richtigen Ort landen können.
Marias Geschichte mit Israel beginnt nicht erst mit dem 7. Oktober. Denn ihre Eltern haben ihr schon viel von diesem Land erzählt und sind auch einmal mit ihr dort gewesen. Sie kann sich gut an das „Heilige Land“, wie sie es nennt, erinnern – obwohl sie damals erst dreieinhalb Jahre alt war. Das Meer war toll. Und es gibt dort ihr Lieblingsessen: Falafel! Inzwischen ist sie acht Jahre alt, in der zweiten Klasse und bekommt jeden Monat ein kleines Taschengeld. Ein Zehntel davon hat sie monatlich zur Seite gelegt. Ganze 17,19 Euro liegen in kleinen Centbeträgen vor ihr, als sie Ende 2023 gemeinsam mit ihren Eltern entscheidet, wohin dieser Teil ihres Taschengeldes nun gehen soll.
Sie überlegen und gehen die Hilfsprojekte ihrer Gemeinde durch, bis Maria einfällt: Das Geld soll nach Israel gegeben werden! Das ist eigentlich gar nicht so aus der Luft gegriffen, schließlich betet ihre Familie seit dem 7. Oktober regelmäßig für Israel. Maria weiß unglaublich viel über das Land und das, was im Oktober 2023 dort passiert ist: „Ich habe mitbekommen, dass schlimm geschossen wird mit allen möglichen Raketen. Israel ist gerade sehr in Not und ich möchte es gerne unterstützen, weil es das ,Heilige Land‘ ist! Ich wünsche mir für Israel Frieden, dass der Krieg aufhört und auch viel Vertrauen auf Jesus, dass sie sich nicht auf die Angst konzentrieren müssen, sondern auf das, was in ihrem Herzen liegt.”
Für ihre Eltern war es nicht verwunderlich, dass Maria sich entschieden hat, den zehnten Teil ihres Taschengeldes nach Israel zu geben. „Unsere Kinder haben uns nach dem 7. Oktober immer wieder gefragt: ‚Warum machen die Feinde von Israel sowas?‘ Und wir haben ihnen anhand der Bibelgeschichte von David und Goliath erklärt, dass Israel schon seit jeher immer wieder von Feinden angegriffen wurde.“
Melanie*, Marias Mama, freut sich natürlich, dass ihr Herz für Israel und das ihres Ehemanns so sehr auf ihre Tochter abfärbt. „Bei Maria ist das mit Israel schon sehr besonders. Als wir mit ihr das erste Mal dort waren, war sie erst dreieinhalb Jahre alt, aber es hat einfach ,gefunkt‘ bei ihr. Und bis heute sagt sie uns, dass sie unbedingt wieder nach Israel gehen möchte. Sie hat ein Herz für Israel, vor allem seit wir mit ihr dort waren. Deshalb hat es mich gar nicht gewundert, dass sie die Entscheidung getroffen hat, den zehnten Teil ihres Taschengeldes nach Israel zu geben. Israel gehört zu unserer Geschichte als Christen und deshalb ist es uns so wichtig, das Thema unseren Kindern weiterzugeben.“
17,19 Euro auf dem Weg nach Israel
Über Marias Teamleiterin bei den christlichen Pfadfindern „Royal Rangers” gelangte das Geld zu mir, Dina Röll. Ich nahm es mit, als ich im vergangenen Mai mit einer Gruppe junger Ehrenamtlicher aus unserem JCSI-Team für einen Arbeitseinsatz nach Israel flog. Einen unserer Arbeitseinsätze verbrachten wir bei Ejal in der Ortschaft Kissufim; einem der Kibbutzim an der Grenze zum Gazastreifen, die es besonders schwer getroffen hatte an jenem Schwarzen Schabbat. Ejal kommt nicht aus der Region um den Gazastreifen, organisiert aber seit Ende des letzten Jahres in der Gegend Arbeitseinsätze und ist ein Mann, dem seine lange Zeit als Kampfpilot und Offizier im Militär ins Gesicht geschrieben steht. Zum Lachen findet er wenig Gelegenheit, wie er mir sagt, und Zeit, um Witze zu machen, will er sich nicht nehmen.
Kurz bevor wir gehen, übergebe ich Ejal den kleinen Geldbetrag, den ich inzwischen in die israelische Währung Schekel eingetauscht habe. Als ich ihm dazu die Geschichte von dem achtjährigen Mädchen aus Deutschland erzähle, die den zehnten Teil ihres Taschengeldes nach Israel geben möchte, weil ihr als Christin das Heilige Land samt seines Volkes besonders wichtig ist, beginnen seine Augen zu leuchten. Ejal verspricht mir, dass er jemanden finden wird, dem diese „besondere Umarmung“ jetzt guttun würde. Und so landete das Geld wenige Wochen später in den Händen der ebenfalls achtjährigen Ofri.
Ofris Geschichte
Ofri ist die älteste Tochter von Miki. Der zweifache Vater lebt mit seiner Familie im Kibbutz Nahal Oz. Seine Frau kommt gebürtig von dort, während ihn anfangs vor allem seine Vorliebe für die dortige Vegetation in die ländliche südisraelische Gegend zog. Seit langem arbeitet er in einer Spezialeinheit der israelischen Polizei.
Am 7. Oktober 2023 stellte Miki sich mit seiner einfachen Handwaffe vom Typ Glock 19 Dutzenden schwerbewaffneten Terroristen entgegen, die versuchten, sein Haus mit Handgranaten, Panzerfäusten und Maschinengewehren zu stürmen und ihn zu entführen. Währenddessen bangten seine Frau und die kleinere Tochter im Schutzraum des Hauses um ihr Leben und um das von Ofri. Ofri bekam von dem Kampf ihres Vaters nichts mit, da sie in der Nacht auf den 7. Oktober mit ihren Freundinnen in einem Zelt im Zentrum von Nachal Oz übernachtet hatte. Als um 6:30 Uhr der Raketenbeschuss losbrach, gingen ihre Eltern telefonisch sicher, dass sich ihre ältere Tochter bei einer Nachbarsfamilie in einem anderen Teil des Kibbutz‘ in einen Schutzraum hatte begeben können.
Als nur 40 Minuten später die Schüsse anfingen und Terroristen in ihren Kibbutz eindrangen, war die Stromversorgung abgebrochen, weil eine Granate diese getroffen hatte. Bis zum Abend hörten Ofri und ihre Eltern nichts mehr voneinander, während sie alle um ihr Leben kämpfen und bangen mussten.
Eine besondere Umarmung
Als Ofris Vater am Abend des 7. Oktobers endlich seine Tochter suchen gehen konnte, wurde er erst nicht ins Haus gelassen. Lange Zeit antworteten die Nachbarn nicht auf seine Rufe, weil sie nicht wussten, ob er vielleicht eine Geisel der Terroristen sei. Eine berechtigte Sorge: Vor allem aus Nachal Oz wurde die Geschichte des 16-jährigen Jungen berühmt, der von Hamas-Kämpfern gezwungen wurde, von Haus zu Haus zu gehen und zu klopfen, um die Bewohner herauszulocken. Auch vor Ofris Elternhaus machten die Terroristen mit dieser Masche nicht halt.
Doch Ofri war überzeugt, dass ihr Vater sich nicht einmal unter vorgehaltener Waffe zu so etwas zwingen lassen würde. So fand Miki seine Tochter Ofri und ihre Freundinnen weinend und eingeschüchtert im Haus der Kibbutz-Bewohnerin vor, die die Mädchen den ganzen Tag über dort versteckt gehalten hatte. Nach mehr als zwölf Stunden Morden und Töten, traumatisierendem Hoffen auf das eigene Überleben und das der Familie war Ofri endlich wieder mit ihren Eltern und ihrer Schwester vereint.
Das Massaker haben sie überlebt, aber das Haus von Ofris Familie wurde zum größten Teil zerstört, so dass sie immer noch nicht dorthin zurückkehren können. Die seelischen Verletzungen sind ebenfalls noch da. Wie sehr hat Ofri sich daher gefreut, als ihr Vater ihr von dem Mädchen in Deutschland erzählte, dass an sie gedacht hat! Zwei denkbar unterschiedliche Leben sind nun verbunden durch diese besondere Umarmung, die in Geld nicht aufzuwiegen ist.
| * Name geändert
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 138. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.