Rund um den zweiten Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel gab es deutschlandweit Kundgebungen gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel. Die Veranstaltungen brachten zwar keine Massen auf die Straßen, setzten jedoch ein klares Zeichen. Unterdessen kamen Tausende Christen bei einer nationalen Gebetsnacht gegen Antisemitismus zusammen.
Am 7. Oktober und in den Tagen zuvor gingen unter anderem in München, Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Düsseldorf und anderen deutschen Städten Menschen auf die Straße, um an das Massaker der Hamas vor zwei Jahren zu erinnern und gegen Antisemitismus Flagge zu zeigen.
Josias Terschüren, Leiter des CSI-Bereichs Politik und Gesellschaft, sprach am vergangenen Sonntag vor rund 1000 Menschen auf einer Kundgebung in Stuttgart. Er verwies mit Blick auf den zunehmenden Judenhass darauf, dass der Gewalt gegen Juden immer Propaganda und Lügen vorausgegangen seien. „Das war im Mittelalter so, als man den Juden Brunnenvergiftung vorwarf und den Mord an christlichen Kindern, um deren Blut in Mazza zu verbacken. Das war in den 30ern so, als man die Juden nach der pseudowissenschaftlichen Rassentheorie als Untermenschen verunglimpfte und als Strippenzieher hinter den Feindmächten. Das ist auch heute so“, erklärte Terschüren. Er führte „die vier häufigsten Lügen und Gerüchte über die Juden auf, die dank medialer Dauerwiederholung von der Mehrheit der Deutschen fest geglaubt werden, auch wenn sie weiterhin Lügen sind“. So seien immer wieder die Vorwürfe zu hören, Israel sei ein kolonialistischer Staat, begehe Genozid im Gazastreifen, übe Apartheid gegen Araber aus und führe eine ethnische Säuberung durch.

Israel sei jedoch „dekolonialistische Erfolgsgeschichte“. Als Ureinwohner Judäas hätten es die Juden geschafft, nach 1900 Jahren im Exil den Staat Israel wiederzuerrichten. Zum Vorwurf des Genozids in Gaza erklärte Terschüren, „der 7. Oktober war der letzte einer langen Kette genozidaler Angriffe von Arabern gegen Juden“. Der Völkermord-Vorwurf verkehre die Realität in ihr Gegenteil. „Warum sollte Israel seit fast zwei Jahren das Leben seiner Soldaten aufs Spiel setzen, um mühselig und gezielt die Hamas zu bekämpfen? […] Wenn Israel einen Völkermord begehen wollte, gäbe es in Gaza seit dem 8. Oktober kein Leben mehr.“ Im Blick auf den Apartheid-Vorwurf verwies er darauf, dass in Israel rund 20 Prozent Araber lebten, die in allen Bereichen der israelischen Gesellschaft beteiligt seien.
In München versammelten sich am Sonntag nach Angaben der Polizei etwa 1500 Teilnehmer auf dem Königsplatz. Organisiert hatte die Demonstration der Münchener Guy Katz (CSI berichtete). Auf der Kundgebung sprachen zahlreiche prominente Gäste, unter anderem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, Landtagspräsidentin Ilse Aigner und der Publizist Ahmad Mansour. Söder betonte in seiner Ansprache: „Wenn es heute so stattfindet, dass Radfahrten in Spanien abgesagt werden, weil man gegen israelische Fahrer ist. Wenn beim ESC darüber nachgedacht wird, Israel auszuschließen, wenn Lokale schreiben ,Hier sind Israelis nicht erwünscht‘ – dann ist das nicht weit weg von dem, was war – und das darf nicht mehr passieren.“

CSI-Verwaltungsleiter Alexander Gaa zeigte sich nach der Kundgebung enttäuscht über die geringe Teilnehmerzahl. „Was für ein Zeichen geht an die Juden in München und Deutschland von dieser Veranstaltung aus, wenn nur so wenige Leute gegen Antisemitismus und für Israel auf die Straße gehen? Vor 14 Tagen gingen rund 60.000 Menschen gegen Israel in Berlin auf die Straße. Das macht mich traurig und nachdenklich. Ja, das Wetter war schlecht. Es war kalt und es hat in Strömen geregnet. Aber das sollte keine Ausrede sein, wenn man praktisch nur einmal im Jahr die Möglichkeit hat, sich als Israelfreund öffentlich zeigen zu können und Flagge zu zeigen.“
Petition gegen Antisemitismus
Auch der Initiator Guy Katz hatte auf eine deutlich höhere Beteiligung an der Kundgebung gehofft. Er setzt nun darauf, dass noch viele Menschen einen Fünf-Punkte-Plan gegen Antisemitismus unterzeichnen. Am 17. Oktober soll die Petition an den entsprechenden Ausschuss des Bundestags übergeben werden. Fast 40.000 Menschen haben den Plan bereits unterzeichnet.
Im Gebet vereint
Am 7. Oktober selbst fand in Berlin um 5:29 Uhr vor dem Brandenburger Tor eine Mahnwache statt, organisiert von „Marsch des Lebens“, bei der unter anderem die Namen der 1200 Ermordeten verlesen wurden. CSI war hier durch Josias Terschüren vertreten. Um 6:29 Uhr nahmen rund 200 Menschen an einer von CSI ausgerichteten Online-Gedenk- und Gebetsstunde teil. Die zugeschaltete Israelin Lee Amitai berichtete in einem berührenden Zeugnis wie sie und ihre Familie den Hamas-Überfall überlebt haben. Ihre Teilnahme an der Gedenkstunde stand kurz zuvor auf der Kippe, denn die Hamas feuerte gegen 6:30 Uhr erneut Raketen auf Israel ab und Lee musste sich im Bunker in Sicherheit bringen. Ein Rückblick an die schrecklichen Ereignisse des „Schwarzen Schabbat“, eine Schweigeminute für die Geiseln und Ermordeten sowie Bibellesungen und Gebete waren Teil der Gedenkstunde.
Im Gebet online vereint waren bereits am Montagabend Tausende Christen aus ganz Deutschland. Sie kamen im Rahmen einer Gebetsnacht gegen Antisemitismus für mehrere Stunden zusammen. Tobias Krämer, Leiter des CSI-Bereichs Theologie und Gemeinde, moderierte die Gebetsnacht. Er erklärte im Anschluss: „Dass Gebet die Christenheit eint und auf ein geistliches Ziel ausrichtet, ist an sich nichts Neues. Doch im Online-Format der Gebetsnacht haben wir erlebt, wie uns die Belange und Nöte unserer jüdischen Freunde ganz neu vor Augen geführt und aufs Herz gelegt worden sind. Das eröffnet neue Perspektiven und Horizonte. Sie gilt es festzuhalten.“
