Hat jüdisches Leben in Deutschland Zukunft? Aufstehen gegen Judenhass!

Hat jüdisches Leben in Deutschland Zukunft? Aufstehen gegen Judenhass!

Karoline Preißler auf pro-palästinensischer Demo
Auf vorgeblich pro-palästinensischen Demonstrationen wird offen Juden- und Israelhass propagiert. Wo immer sie kann, stellt sich Karoline Preißler, FDP, dem entgegen. Foto: Yalcin Askin

Von Josias Terschüren und Dana Nowak

Weltweit geht die Zahl antisemitischer Vorfälle durch die Decke. Auch auf deutschen Straßen, auf vorgeblich pro-palästinensischen Demos, an deutschen Universitäten wird offen Juden- und Israelhass propagiert. Israel sieht Deutschland im europäischen Vergleich noch als einen Leuchtturm. Doch wie lange noch? Wenn jüdisches Leben in Deutschland eine Zukunft haben soll, sind Politik und Zivilgesellschaft gefragt. CSI hat mit drei Vertretern aus Politik und Gesellschaft gesprochen, die mit der Thematik zu tun haben. Die Fragen stellten Josias Terschüren und Dana Nowak.

Karoline Preisler, FDP-Politikerin und Juristin: „Wenn Unrecht deutlich erkennbar ist, will ich nicht schweigen“

Karoline Preisler wird auf einer Demo bedrängt
„Rape is not resistance“ (Vergewaltigung ist kein Widerstand): Mit Plakaten wie diesen stellt sich Karoline Preißler israelfeindlichen Demnstranten entgegen und wird dafür immer wieder angefeindet, bedroht, bespuckt und bedrängt. Foto: Yalcin Askin

CSI: Frau Preisler, als Privatperson stellen Sie sich immer wieder vermeintlich pro-palästinensischen Demonstrationen entgegen und halten die Rechte der israelischen Frauen hoch, die am 7. Oktober Opfer sexueller Gewalt wurden. Was treibt Sie an?

Karoline Preisler: Mich treibt das Unrecht an, das Frauen in Israel am 7. Oktober 2023 geschehen ist. Menschen aus vielen Nationen und Religionen wurden überfallen, gefoltert, vergewaltigt, verschleppt, ermordet. Der Terrorakt galt Juden und Israel. Der Grund dafür war Judenhass. Wenn Unrecht deutlich erkennbar ist, will ich nicht schweigen. Es wäre mir unangenehm, unseren Geschwistern nicht beizustehen.

Welche Erfahrungen haben Sie auf den Demonstrationen gemacht?

Es sind sehr unterschiedliche Erfahrungen. Wenn es zu Gesprächen kommt, verlaufen sie lebhaft. Doch oft werden Gespräche von den Veranstaltern unterbunden oder Teilnehmer wollen Märtyrer-Videos für TikTok produzieren. Dann kommen keine Gespräche zustande. Ich will ein Beispiel bilden: Einmal war ich in Berlin in einem Park am Rande einer vermeintlich pro-palästinensischen, tatsächlich aber israelfeindlichen Versammlung. Ein Teilnehmer, der ausschließlich englisch sprach, hatte eine Palästina-Flagge an einer Fahnenstange und zielte damit immer wieder nach meinem Kopf. Ich hielt ein Schild hoch „RAPE IS NOT RESISTANCE“ [übersetzt „Vergewaltigung ist kein Widerstand“]. Seine Flagge berührte mich häufig. Ich fürchtete eine Schlagverletzung. Ich kenne Verletzungen durch Fahnenstangen aus leidvoller Erfahrung mit Protesten. Daher hielt ich den Flaggenstoff kurz fest und die Stange auf Abstand. Polizei kam und schaffte eine kleine Distanz zwischen dem Mann mit Fahnenstange und mir.

Hinterher gab es ein Märtyrervideo des Rüpels, wonach die Polizei mich, die Täterin, schützen würde. Er, der Rüpel, sei das Opfer. Er kreischte, echauffierte sich, kassierte Klicks. Was tatsächlich geschah? Auf dieser Versammlung erlebte ich das Folgende: Der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurde gerechtfertigt und verharmlost, vor mir wurde ausgespuckt, ich wurde angespuckt, das Schild „RAPE IS NOT RESISTANCE“ wurde geraubt, ich wurde geschubst, mit einer Fahnenstange bedrängt, beschimpft und beleidigt. Oft sind die Beleidigungen sexueller Natur. Das ist bitter, denn ich werbe ja dafür, sexuelle Gewalt durch die Hamas zu ächten. Mein christliches Menschenbild ist voller Liebe. Die Menschen dort hassen leidenschaftlich.

Wie wirkt sich Ihr Engagement auf Ihre persönlichen Umstände aus? Zum Beispiel auf Ihr Sicherheitsempfinden?

Wir reden zu Hause viel über das Tagesgeschehen und bedrohliche Situationen. Es ist für die Kinder und mich schwer, für demokratische Selbstverständlichkeiten in Gefahr zu sein. Ich wurde von Hamas-Unterstützern in Deutschland als Feindin markiert. Damit ist meine Familie bedroht. Ich liebe meine Kinder und das Leben, deshalb hoffe ich, dass die Behörden das im Blick haben. Die Polizei erlebe ich sehr professionell und umsichtig.

Noam Petri, jüdischer Student in Berlin, Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland: „Kein Appeasement, keine Kapitulation vor Extremisten“

Noam Petri
Als jüdischer Student in Berlin ist Noam Petri immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Foto: privat

CSI: Herr Petri, Sie sind Medizin-Student in Berlin. An vielen deutschen Universitäten sehen wir vorgeblich pro-palästinensische Proteste, die immer offener Judenhass propagieren. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Noam Petri: Aufgrund meines Amts bekomme ich täglich Anfeindungen – manchmal sogar Morddrohungen. Es wäre falsch zu glauben, dass dieser Zustand nur aufgrund meiner Präsenz in der Öffentlichkeit „verschuldet“ ist. Fast alle Studenten – jüdisch sowie nichtjüdisch –, die sich gegen Antisemitismus an Universitäten einsetzen, teilen diese Erfahrungen. Es sind Beleidigungen in WhatsApp-Gruppen der Universität; Anrufe, in denen mit Gewalt gedroht wird; Hamas-Dreiecke, die einem zugesendet werden oder von Studenten per Handzeichen gezeigt werden.

Die Radikalität der „pro-palästinensischen“ Studenten kennt keine Grenzen. Der Fall Lahav Shapira ist nur die Spitze des Eisberges. In Bonn wurde ein Student von einem „pro-palästinensischen“ Studenten gewürgt. In Würzburg berichteten Studenten, dass sie von Studenten desselben Milieus angespuckt worden sind. In den Medien bekommt man von diesen Vorfällen nur wenig mit. Aus diesem Grund veröffentliche ich diese Fälle auf meinem X-Account, um den Studenten eine Stimme zu geben und die Öffentlichkeit zu informieren, was an deutschen Universitäten los ist. Viele dieser Studenten wollen anonym bleiben. Wie in den USA sehen wir auch bei deutschen Universitäts-Leitungen ein erschreckendes Maß an Toleranz und Duldung gegenüber israel- und judenfeindlichen Akteuren.

Woran liegt dieser Trend Ihrer Meinung nach und was müsste dagegen getan werden?

Wie so vieles kommt auch der „Wokeismus“ nach Deutschland. Es ist ein ziemlich primitives Gedankengut, was die Welt per se in Gut und Böse einteilt. Die Anhänger leben im Westen, genießen die Freiheit des Westens und verteufeln ihn gleichzeitig. Es ist eine kognitive Dissonanz. In den USA sehen wir, wie linke Studenten mit islamistischen Studenten kooperieren. Sie feiern offen die Hamas, die Hisbollah, die Huthis, das iranische Mullah-Regime und fordern den Tod Amerikas. Kein Wunder, dass Ajatollah Khamenei diese Studenten dafür lobte.

In Deutschland haben wir es mit ähnlichen Gruppen mit dem gleichen Gedankengut zu tun. Doch wir haben in Deutschland das „Privileg“, in unsere Zukunft schauen zu können. Stoppen wir diese ideologische Unterwanderung unserer Bildungsinstitutionen nicht, so werden wir auch hier in wenigen Jahren eine große Menge von Professoren, Dozenten und Studenten haben, die offen gegen den Westen agieren. Die Politik, die Zivilgesellschaft und die Hochschulmitglieder dürfen nicht einfach zusehen. Worte reichen auch nicht aus. Es braucht Engagement und Druck von allen drei Seiten. Kein Appeasement und keine Kapitulation vor Extremisten. Extremisten bekämpft man.

Was gibt Ihnen Hoffnung für jüdische Studenten in Deutschland?

Die junge jüdische Generation mit ihren Freunden, die seit dem 7. Oktober unglaublich mutige Arbeit leistet.

Christoph de Vries, CDU-Bundestagsabgeordneter: „Solange die Hamas Gaza beherrscht, gibt es keine Chance für eine Zweistaatenlösung“

Christoph de Vries, CDU
CDU-Politiker Christoph de Vries: „Solange dieses grausame Regime in Teheran, das der größte Unterstützer und Finanzierer von Terror-Organisationen weltweit ist, im Amt bleibt, wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben.“ Foto: Blaschka/van Teeffelen

CSI: Herr de Vries, Sie sind Hamburger, auch Ihr Wahlkreis liegt dort. Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) gilt als verlängerter Arm des iranischen Regimes in Deutschland. Von dort aus erhielten antisemitische und israelfeindliche Bewegungen ideologische, finanzielle und logistische Unterstützung. Am 24. Juli hat Innenministerin Nancy Faeser ein Verbot verhängt und das IZH geschlossen. Sie persönlich und auch Ihre Partei haben sich seit Langem dafür stark gemacht. Was wären aus Ihrer Sicht weitere Maßnahmen, die es gegen dieses Milieu zu ergreifen gilt?

Christoph de Vries: Das Verbot des IZH ist ein empfindlicher Schlag gegen einen zentralen Akteur des politischen Islam in Deutschland. Meine Hoffnung ist, dass dies der Beginn eines systematischen und konsequenten Vorgehens gegen islamistische Gruppierungen in unserem Land ist und die Bundesinnenministerin ihre Untätigkeit bei der Bekämpfung des Islamismus endlich beendet. Die Schließung des IZH kann nur der Anfang sein. Da müssen noch viele Verbote folgen, wenn ich an Muslim Interaktiv, Salafisten oder auch die Muslimbrüder denke. Denn sie stellen eine ernsthafte Bedrohung für unsere freiheitliche Demokratie dar.

Nach dem 7. Oktober hat der Gesetzgeber bereits verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus ergriffen, beispielsweise das Verbot von Hamas und Samidoun. Ein Verbot der iranischen Revolutionsgarden hingegen ist noch nicht erfolgt. Warum nicht?

Das müssten Sie insbesondere Außenministerin Baerbock fragen. Eine Listung der Revolutionsgarden als der zentrale Machtpfeiler und Stabilisator des Mullah-Regimes und ihre Bekämpfung ist deshalb von großer Bedeutung auf dem Weg zu einem freien, demokratischen Iran. Solange dieses grausame Regime in Teheran, das der größte Unterstützer und Finanzierer von Terror-Organisationen weltweit ist, im Amt bleibt, wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben.

Was kann der Gesetzgeber tun, um die Sicherheit und Freiheit jüdischer Studenten an deutschen Universitäten zu gewährleisten? Und wie können Universitätsleitungen hier mehr in die Pflicht genommen werden?

Mir ist es ein Rätsel, warum die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, nach dem Liken eines Posts mit Hakenkreuz noch im Amt ist. Grundkonsens muss sein, dass Wissenschaftsfreiheit kein Freibrief ist für Antisemitismus, strafbare Hausbesetzungen und Bedrohungen Andersdenkender. Und es muss konsequent und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Personen vorgegangen werden, die jüdische Studenten bedrohen oder gar angreifen. Hier braucht es ein einheitliches Handeln aller Hochschulleitungen und den vollen politischen Rückhalt der jeweiligen Landesregierungen. In diesem Sinne war es richtig und notwendig, dass der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und die CDU eine Änderung des Berliner Hochschulgesetzes veranlasst haben, so dass Studenten exmatrikuliert werden können, wenn sie schwere Straftaten begehen.

Aber insgesamt macht mir die israelfeindliche Stimmung an vielen Hochschulen große Sorge, die von großer Unkenntnis über den Staat Israel und einem sehr undifferenzierten Bild über die palästinensische Seite geprägt ist, dem insbesondere linke Gruppierungen als Anhänger post-kolonialer Theorien anhängen. Wahr ist doch, hätte es den barbarischen, mörderischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres nicht gegeben, wäre kein einziger Palästinenser in Gaza zu Tode gekommen. Solange die Hamas Gaza weiterhin politisch und militärisch beherrscht, gibt es keine Chance für eine Zweistaatenlösung. Das muss jedem klar sein.

Mitten in einer Zeit, in der israelbezogener Antisemitismus bisher unbekannte Höchststände erreicht, hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen Israelfreundeskreis gegründet. Welche Pläne gibt es, um diesen mit Leben zu füllen?

Mit der Gründung des Freundeskreises Israel, dem sich mehr als 25 Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angeschlossen haben, setzen wir gerade in diesen schwierigen Zeiten ein klares Zeichen der Freundschaft und Solidarität mit dem Staat Israel und dem israelischen Volk. Unsere Botschaft ist klar: Jüdisches Leben hat einen festen Platz in Deutschland und diesen werden wir entschlossen verteidigen.

Mit unserem Freundeskreis, dem auch ich mich sofort angeschlossen habe, gibt es einen verlässlichen Freund und Ansprechpartner in unserer Bundestagsfraktion für alle jüdischen und pro-israelischen Organisationen, mit denen wir einen sehr engen Austausch pflegen werden.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 138. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

Lesen Sie auch den Kommentar von Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Antisemitismus bei Champagner und Häppchen“.

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