Israel Summit Berlin: 60 Jahre deutsch-israelische Beziehungen feiern

Israel Summit Berlin: 60 Jahre deutsch-israelische Beziehungen feiern

Musiker an Geige und Piano
Festliche Musik umrahmte den diesjährigen Israel Summit, bei dem an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren erinnert wurde und 60 Jahre deutsch-israelische Beziehungen gefeiert wurden. Alle Fotos: Jason Terschüren | CSI

80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges – und damit der Schoah – und 60 Jahre deutsch-israelische diplomatische Beziehungen: Diese Jahrestage bildeten den Rahmen für den von Christen an der Seite Israels (CSI) und Keren Hayesod zum zweiten Mal in der Bundeshauptstadt veranstalteten Israel Summit Berlin 2025 (ISB25). Namhafte Redner aus Kirche, Politik, Medien und Gesellschaft nahmen beide Jubiläen zum Anlass, um eine Standortbestimmung der Beziehungen von Deutschen und Israelis und insbesondere von Christen und Juden heute vorzunehmen.

In seiner einleitenden Keynote mahnte Josias Terschüren, Leiter des Bereichs Politik und Gesellschaft bei CSI, eindringlich, dass Deutsche sich mit aller Kraft und Entschlossenheit für ein uneingeschränktes „Nie wieder“ einsetzen sollten. Die deutsche Geschichte sei ein Erfahrungsschatz und zugleich ein Schlüssel, um die Krisen der Gegenwart und der Zukunft zu meistern, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede anlässlich einer Gedenkstunde am 8. Mai dieses Jahres im deutschen Bundestag formuliert hatte. Terschüren forderte den Mut und die Verantwortung von Deutschland ein, diesen Schlüssel einzusetzen, um angesichts der aktuellen Lage Israels und des Nahen Ostens zu verhindern, dass der Tag komme, wo es für „Nie wieder“ zu spät sei.

Rund 200 Teilnehmer verfolgten den von Christen an der Seite Israels und seiner israelischen Partnerorganisation Keren Hayesod ausgerichteten Israel Berlin Summit 2025 in der Konrad-Adenauer-Stiftung.

„Kirche an der Seite Israels?!“

Diese Frage stand im Mittelpunkt des ersten großen Themenblocks des ISB25. In einer Videobotschaft stellte der Theologe Johannes Hartl, Gründer des Gebetshauses Augsburg, fest, dass viele der bislang als selbstverständlich geachteten Werte – darunter die als „deutsche Staatsräson“ betitelte Haltung zu Israel – nicht mehr selbstverständlich seien: weder in der Parteienlandschaft noch in der Gesellschaft. Deren Werte hätten sich durch die hohe Migration der letzten zehn Jahre verändert. Hartl rief daher die Christen auf, an diese Werte zu erinnern, sie hochzuhalten und so an der Seite Israels zu stehen.

Unter der Leitung von Karsten Huhn sprachen Susanne Thyroff, Reinhard Schink und Friedhelm Holthuis über das Verhältnis von Juden und Christen heute.

In einer Podiumsdiskussion unter der Leitung von Karsten Huhn, Hauptstadtkorrespondent des Nachrichten-Magazins IDEA, analysierten Reinhardt Schink (Vorsitzender der Evangelischen Allianz Deutschland), Friedhelm Holthuis (Präses des Bundes freikirchlicher Pfingstgemeinden) und Susanne Thyroff (Vorstandsvorsitzende des ERF) das heutige Verhältnis von Christen und Juden zueinander. Schink bedauerte, dass Christen sich lange nicht an die Seite Israels, sondern an dessen Stelle gesetzt hätten. Es habe eine theologische Aufarbeitung eingesetzt, die aber noch am Anfang stehe. Thyroff ergänzte, dass noch viel Aufklärung nötig sei, was dankbare Leserzuschriften zu entsprechenden Themenbeiträgen des Senders bestätigen würden. Holthuis bedauerte, dass die Gesamtkirche das hebräische Denken in der Theologie zu lange ausgeklammert habe – ein Verlust, der bis heute nicht ausgeglichen sei. Insgesamt ermutigte Schink Christen dazu, eine echte Herzensentscheidung für Juden und Israel zu treffen, die sich dann auch im Handeln zeige.

Deutschland an der Seite Israels?!

Der Leiter der Wissenschaftlichen Dienste der Konrad-Adenauer-Stiftung, Michael Borchard, beschrieb die heutige deutsch-israelische Freundschaft als ein Wunder angesichts der Geschichte und unterschiedlichen Interessenlagen der beiden Länder nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Er warnte zugleich vor einer „Israelisierung des Antisemitismus“ durch die weit verbreitete Täter-Opfer-Umkehr nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sowie vor einer zunehmenden Oberflächlichkeit, die gerade die jungen Generationen beider Länder voneinander entfremde.

Guy Gilady, Gesandter der Botschaft des Staates Israel in Deutschland, bezeichnete die Täter-Opfer-Umkehr als „moralischen Selbstmord“. Im Hinblick auf den Genozid-Vorwurf gegen Israel wurde Gilady, der zweite Mann der Botschaft, deutlich: Wenn Israel sich verteidige, so sei das Völkerrecht; wenn Deutschland hingegen Israel nicht verteidige, sei es Geschichtsvergessenheit. Licht in die Dunkelheit komme jedoch von Christen, die für Israel demonstrierten, Kerzen für die Opfer anzündeten und sich in Freundschaft an die Seite Israel stellten. Er endete mit dem Appell, laut zu bleiben: nicht nur in Kommentaren, sondern auch im Handeln; nicht nur im Gedenken, sondern in den Kirchen, im Parlament und auf den Straßen.

Volker Beck kritisierte in seiner Rede auf dem ISB25 das Abstimmungsverhalten Deutschlands bei den UN; Deutschland dürfe sich nicht auf die Seite der Israelhasser schlagen.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und langjähriger Bundestagsabgeordneter für die Partei Bündnis 90/Grüne, ging in seiner Rede auf die vor allem durch die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendete Formulierung von der Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson ein. Beck forderte, dass diese sich jenseits von Sonntagsreden und Bekenntnissen im Regierungshandeln erweisen müsse. Dies beinhalte auch, bei den unverhältnismäßig zahlreichen Resolutionen im UN-Sicherheitsrat oder dem Menschenrechtsrat nicht gemeinsam mit Israelfeinden zu stimmen, wie mehrfach unter der alten Ampelregierung geschehen. Außerdem mahnte Beck, deutlicher auf antisemitische Äußerungen im Diskurs zu reagieren.

Oktober 2023 – der Tag, der alles änderte

Der Abend des ersten Summit-Tages stand unter dem Eindruck des unfassbaren Grauens, das der Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel an diesem Oktobersamstag über Israelis und Juden in der ganzen Welt gebracht hat.

Der israelische Starkoch Avishay Argentaro war mit einem Team aus Israel angereist, um die Teilnehmenden des Israel Summits mit landestypischen Köstlichkeiten zu verwöhnen. Argentaro ist selbst Überlebender des Massakers, das er in Kfar Aza miterlebte. Seither verstehe er es als seine Mission, für Menschen zu kochen und die Wahrheit über die Ereignisse als Zeuge weiterzuerzählen – an so vielen Orten wie möglich.

Der israelische Starkoch Avishay Argentaro (r.) mit dem deutsch-israelischen Moderatoren-Duo Dana Nowak (CSI) und Rafi Heumann (Keren Hayesod).

Der Bericht des Internationalen Direktors der israelischen Freiwilligenorganisation ZAKA, Marnix van Ede, über den Einsatz der Helfer nach dem 7. Oktober ergänzte Argentaros Erzählung durch beklemmende Schilderungen und Bilder, die wohl kaum jemanden im Saal unberührt ließen.

Die Antisemitismusbeauftragte Israels, Michal Cotler-Wunsh, bezeichnete die Ereignisse des 7. Oktober 2023 als „Kristallnacht-Moment“. In der entscheidenden Frage, wie darauf zu reagieren sei, habe die Welt in den 19 Monaten seither versagt. Die Gräueltaten der Hamas, welche die Vernichtung Israels in ihrer Charta festgeschrieben habe, seien verheerend gewesen. Doch als noch verheerender bezeichnete Cotler-Wunsh die Reaktionen der Welt darauf, die sich in Schweigen, Verleugnung und Rechtfertigung geäußert hätten. Man müsse nicht mehr nur Jude sein, um zur Zielscheibe von Anti-Zionismus zu werden – es reiche, an das Existenzrecht Israels zu glauben.

Antonia Yamin, Deutschland-Korrespondentin des israelischen Nachrichtensenders Kanal 12, ging in ihrer Rede auf die Situation von Juden in Deutschland nach dem 7. Oktober ein. In Deutschland habe sich ein anderes Drama ereignet: Das Schweigen der Institutionen und in großen Teilen der Gesellschaft habe zum schmerzhaften Erkennen geführt, dass die jüdische Gemeinschaft auf einmal allein dastand. Die Wochen nach dem Terrorüberfall seien die einsamsten ihres Lebens als Jüdin in Deutschland gewesen. Als Jude in Deutschland zu sein, heiße in einem Spannungsfeld zwischen Drama und Hoffnung, zwischen Vergangenheit und Zukunft zu stehen. Sie habe sich bewusst für die Hoffnung entschieden, so lautete ihr Appell an die Zuhörerschaft dann auch: „Lassen Sie uns sicherstellen, dass Brücken – egal wie sehr sie wanken – nicht einstürzen!“

An beiden Tagen des ISB25 gab es immer wieder Gelegenheit innezuhalten, das Gehörte zu bewegen – und musikalische Darbietungen auf höchstem Niveau zu genießen. Mitarbeiter von CSI lasen Texte der Bibel vor, die wie eine göttliche Antwort auf zuvor Gehörtes wirkten. Der Pianist Péter Méri und die Violinistin Veronika Király-Lugosi sorgten mit ihren Vorträgen immer wieder für musikalischen Hochgenuss. Begleitet wurden sie teilweise von dem Hornisten und Schofar-Solisten Bar Zemach, der dem Schofar Melodien entlockte, wie es wohl kaum jemand im Publikum je zuvor gehört hatte.

Die Musiker Veronika Király-Lugosi, Bar Zemach und Péter Méri sorgten für musiklische Höhepunkte im Programm.

Jüdisches Leben in Deutschland – zwischen Anerkennung und Bedrohung

Zu Beginn des zweiten Summit-Tages konstatierte der Autor und Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel, eine Täter-Opfer-Umkehr par excellence in Bezug auf Israel und seinen Verteidigungskrieg gegen die Hamas. Der Mangel an Empathie und die Zunahme von Judenhass seien erschreckend und schlügen sich bereits in Statistiken und Lagebildern mit Zunahmen um 1000 Prozent nieder. Judenhass sei Menschenhass – eine Gesellschaft, die dem freien Lauf ließe, taumele dem Abgrund entgegen, so Peyman Engels Warnung.

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour sah in den aktuellen antisemitischen und antiisraelischen Äußerungen in Politik, Kultur und Gesellschaft nicht nur eine Reaktion auf die Ereignisse nach dem 7. Oktober. Der politische Islam habe vielmehr gewusst, dass es eines Tages zum Konflikt mit Israel kommen würde. Die Hamas habe verstanden, dass sie die Karte des Westens spielen musste: die Straße mobilisieren und den Druck auf europäische Regierungen verstärken. Dass die internationale Solidarität mit Israel nicht mehr vorhanden sei, habe so von Anfang an im Drehbuch der Hamas gestanden.

In einer gemeinsamen Podiumsdiskussion unter der Leitung von Josias Terschüren stellten Mansour, Peyman Engel, die Politikerin und Aktivistin Karoline Preisler und die Vizepräsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Alexandra Krioukov, die Notwendigkeit heraus, sich dem zunehmenden Antisemitismus in Gesellschaft, Politik und an Universitäten entgegenzustellen. Krioukov beschrieb es als herausfordernd, als Jüdin für das Handeln des israelischen Staates und seiner Armee zur Rechenschaft gezogen zu werden. Es sei aber keine Alternative, sich nicht zu äußern; man habe keine andere Wahl, wenn man Desinformation und Antisemitismus nicht gedeihen lassen wolle. Preisler, die – allen Anfeindungen zum Trotz – regelmäßig auf pro-palästinensischen Kundgebungen Position gegen Antisemitismus bezieht, tue dies, weil sie „das nicht so laufen lassen“ wolle; es sei wichtig zu tun, was in den eigenen Kräften steht. Peyman Engel konstatierte, dass schnell außerhalb des Diskurses lande, wer antiisraelische Haltungen kritisiere. Demokratie sei auch die Kunst des Diskurses; da habe man bei vielen Themen verlernt Rückgrat zu zeigen.

Karoline Preisler, Alexandra Krioukov, Ahmad Mansour und Philipp Peyman Engel diskutierten unter der Leitung von Josias Terschüren (v. l.) zum Thema „Jüdisches Leben in Deutschland zwischen Anerkennung und Bedrohung”.

Mansour zeigte sich von der Vernunft der Mehrheit der Menschen überzeugt. Man habe aber zu spät erkannt, dass Meinungsbildung digital stattfinde. Soziale Medien wie TikTok den Antisemiten zu überlassen, statt dort präsent zu sein und zu erklären, sei ein Fehler gewesen. Es sei die Herausforderung der Zukunft, auf globale Entwicklungen zu reagieren und eine Strategie zu entwickeln gegen das, was nach dem 7. Oktober sichtbar geworden sei. Mansour appellierte: „Zeigen Sie Gesicht, zeigen Sie Haltung. Beim Abendessen, in der Familie – diskutieren Sie und nehmen Sie die Leute ernst!“

Der neue Nahe Osten – Realitäten und Perspektiven

Am Ende des zweiten Summit-Tages ging es schließlich um eine mögliche Zukunft des Nahen Ostens. Ansgar Niehoff, Leiter von CSI Business, zeichnete ein Bild von Israel als innovative, in vielen Feldern führende Startup-Nation, die offen für Kooperation sei. Israel strecke auch den arabischen Nachbarn die Hand entgegen. Die positiven Auswirkungen der Abraham-Abkommen treten deutlich zutage und seien ein großer Schritt zu Frieden und Verständigung in der Region und zu einen neuen Nahen Osten, so Niehoff.

International wird jedoch die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung als vielversprechendster, wenn nicht gar einziger Ansatz für Frieden in der Region gehandelt. Wie das funktionieren könne, wenn eine Seite sich die Auslöschung der anderen auf die Fahnen geschrieben habe, ist eine der Fragen, die Christen an der Seite Israels (CSI) in einem Papier zur Zwei-Staaten-Lösung formuliert haben. Wie Josias Terschüren betonte, wolle man bewusst Fragen stellen und keine Antworten vorgeben, um ins Gespräch zu kommen und das Denken aus der momentanen Sackgasse zu befreien.

Steve Zipperstein erklärte, er fühle sich in Berlin gerade sicherer als an der University of California, an der er lehrt.

Steve Zipperstein, Professor an der University of California und Experte zur Rechtsgeschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts, widmete sich in seinem Redebeitrag vor allem dem von der EU verfolgten Ansatz zur Lösung des Nahost-Konflikts. Diesen bezeichnete er als „rechtlich falsch und politisch naiv“. Indem man Israel widerrechtliche Besatzung und widerrechtliches Agieren im Zuge seiner Selbstverteidigung in Gaza vorwerfe, werde das Recht als Waffe genutzt, um die Existenz Israels selbst zu delegitimieren. Zipperstein hielt dem eine Reihe von Abkommen und Verträgen mit Israel entgegen – so vor allem das Völkerbundmandat Palästina von 1922, aber auch das Oslo-Abkommen von 1995 –, die belegten, dass Israel sich durchaus im rechtlich vereinbarten Rahmen bewege. Zipperstein hinterfragte kritisch, wie Israel Vertrauen in einen neuen Vertrag haben könne, wenn bestehende nicht respektiert würden.

Für Willem Griffioen, den designierten Vorsitzenden von Christians for Israel International, markierten der Terrorangriff auf Israel und die Reaktion der Welt darauf den Beginn einer neuen Zeit. In dieser sei es wichtig, sich als Christen und als Organisation zu besinnen, warum man Israel unterstütze. Diese Frage sei ohne die geistliche Dimension aber nicht zu beantworten. Gott zeige sich in und durch Israel und habe dieses Volk erwählt, um ein Licht für die Nationen zu sein. Gott habe sich in der Bibel selbst als „der Gott Israels“ offenbart. Israel zu verneinen, hieße einen Teil Gottes zu verneinen. So endete Griffioen in der sehr persönlichen Frage: „Wirst du lieben, wen Gott liebt? Wirst du zu dem stehen, zu dem Gott steht?“

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