Keith Siegel: Endlich frei! Das Ende von 484 Tagen Geiselhaft im Gazastreifen

Keith Siegel: Endlich frei! Das Ende von 484 Tagen Geiselhaft im Gazastreifen

Keith Siegel trifft nach seiner Entlassung aus der Geiselhaft im Krankenhaus seine Frau und seine Töchter wieder. Foto: Ronen Harish | GPO

484 unendlich lange Tage und Nächte hat es gedauert, bis Keith Shmuel Siegel im Rahmen eines Waffenstillstands-Abkommens aus der Geiselhaft der Hamas freikam. Es ist eine Rückkehr ins Leben – im Bewusstsein, dass der Schrecken für die verbliebenen Geiseln weitergeht.

Von Delly Hezel

Während ich diesen Bericht schreibe, steht Avishai Argentaro, ein Überlebender des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 aus Kfar Aza, in meiner Küche und kocht. Es duftet herrlich und es schmeckt noch viel besser. Immer wieder darf ich die Ergebnisse seiner Kochkünste probieren – einfach lecker!

Avishai ist Koch, genaugenommen Küchenchef. Sein Catering-Unternehmen ist in Israel unter dem Namen „Chef 232“ bekannt. Benannt nach der Straße 232, die zu seinem Zuhause in Kfar Aza führt, einem Kibbutz in der Nähe des Gazastreifens. Am 7. Oktober 2023 hat die Straße 232 traurige Berühmtheit erlangt – war es doch die Straße, auf der die Terroristen der Hamas mit am schrecklichsten gewütet haben. Die Straße, die für so viele zur Todesfalle wurde – es gab dort kein Entkommen.

Auch für Keith Shmuel Siegel führt der Weg über diese Straße nach Hause. Auch er lebt in Kfar Aza. Sein Sohn Shay und der Koch Avishay sind Freunde. Das waren sie schon, bevor sie in den Kindergarten kamen, denn sie wuchsen in derselben Nachbarschaft auf. Avishai und Shay waren zudem im Jahr 2012 mit die ersten Gäste, die ich im Rahmen des Terror- Opferhilfsprogramms von Christen an der Seite Israels bei mir zuhause beherbergt habe. Über sie kam ich in Kontakt mit Keith.

CSI-Mitarbeiterin Delly mit Shay (M.) und Avishay. Die Israelis waren im Rahmen des Terror-Opferhilfsprogramms im Schwarzwald. Foto: privat

Keiths Geschichte

Als die Hamas am 7. Oktober 2023 auch den Kibbutz Kfar Aza überfiel, wurde Keith verwundet: Er erlitt eine Schussverletzung und Rippenbrüche, als die Terroristen ihn gewaltsam durch das Fenster des Schutzraums in seinem Haus gezerrt hatten. Er wollte zuerst den Code der Wegfahrsperre seines Autos nicht preisgeben, doch seine Frau Aviva flehte ihn an nachzugeben. Sie wollte lieber lebend verschleppt werden als auf der Stelle zu sterben. Und so wurden Keith und Aviva im eigenen Auto in den Gazastreifen entführt.

Sie waren überzeugt davon, dass ihr Sohn Shay dieses Massaker nicht überlebt hatte. Der Kontakt zu ihm war abgebrochen, aber durch die WhatsApp-Gruppe des Kibbutz‘ wussten sie, was dort geschehen war. Gemeinsam mit anderen Geiseln wurden Aviva und Keith in den Tunneln der Hamas unterhalb des Gazastreifens festgehalten. Täglich waren sie der Gewalt und der Willkür der Terroristen ausgesetzt. In alldem hat Keith es dennoch geschafft, dankbar zu bleiben. Jeden Tag suchte er mit den anderen Geiseln nach etwas, wofür sie dankbar sein könnten. Es war der verzweifelte Versuch, in der dunkelsten Finsternis das Licht festzuhalten. Manchmal dankten sie für die halbe Pita, die sie sich teilten.

Für Aviva kam nach 51 Tagen der für sie wohl schwerste Moment in dieser Zeit: Sie sollte freigelassen werden, jedoch ohne Keith. Sie wollte lieber bei ihm bleiben. Den Drohungen der Terroristen konnte sie nicht standhalten und so verabschiedeten sie sich weinend voneinander. Aviva fühlte sich entzweigerissen.

Zurück in die Freiheit

Am 1. Februar 2025, nach 484 Tagen Geiselhaft und 433 Tage nach Avivas Freilassung, kam auch für Keith der Moment der Freiheit. Einen stillen, freundlichen Familienmenschen, der vor über dreißig Jahren Arabisch lernte, um sich mit den in seinem Kibbutz arbeitenden Palästinensern verständigen zu können. Seine Tochter Elan sagt über ihn: „Er ist ein Mensch, der sein ganzes Leben lang nur Gutes getan hat, der an das Gute glaubte und jeden Menschen liebte. Es wurde ihm verwehrt, sich von der Person zu verabschieden, die ihn aufgezogen hat und ihn sein ganzes Leben liebte.“ Gemeint war seine Mutter: Die 97-Jährige verstarb im Dezember 2024. Sie hat die Rückkehr ihres Sohnes nicht mehr erlebt.

Der befreite Keith Siegel dankt Donald Trump für seine Befreiung. Der amerikanische Präsident sei der Grund, dass er wieder bei seiner Frau Aviva, seinen vier Kindern und fünf Enkelkindern sein könne. Keith bezeichnet sich selbst als einen 65-jährigen Israeli mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, der Country-Musik und am Schabbat-Morgen Pancakes liebt. Seit dem 1. Februar 2025 ist er zudem eine befreite Geisel. Ein Überlebender.

Über seine Geiselhaft sagt Keith: „Für 484 Tage wurde ich unter unvorstellbaren Bedingungen gefangen gehalten. Jeder Tag hat sich wie mein letzter angefühlt. Terroristen haben mich getreten, mich bespuckt, sie gaben mir kein Wasser. Ich war im Dunkeln und gefühlt ohne Luft zum Atmen. Sie haben mich gefoltert und ließen mich hungern.“ Und an Trump gerichtet fügt er hinzu: „Ich vertraue auf Ihre Leiterschaft und Stärke, Herr Präsident. Die hilflosen Geiseln in den kalten und dunklen Tunneln von Gaza vertrauen Ihnen auch. Bitte bringen Sie sie nach Hause.“

Keith ist endlich wieder zuhause. Und Avishai hat für ihn seine geliebten Pancakes zum Shabbat-Morgen gebacken.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 140. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

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