Israel und die Hamas haben der ersten Phase eines Friedensplanes von US-Präsident Donald Trump zugestimmt. Nach zwei Jahren Gefangenschaft sollen am Wochenende endlich alle Geiseln freikommen. Doch bei aller Erleichterung, der Deal gibt auch Grund zur Sorge.
Von Josias Terschüren
Alle Geiseln sollen freikommen, eines der drei Kriegsziele steht kurz davor, erreicht zu werden. Als Christen an der Seite Israels haben wir auf diesen Tag gehofft, wir haben gebangt und gebetet. Wir freuen uns über die erlösende Nachricht, dass ein Abkommen zur Freilassung aller Geiseln endlich zustande gekommen ist. Israel und die Hamas haben das bestätigt. Wir freuen uns mit den betroffenen Familien und wir freuen uns mit Israel, das so hart um seine Gefangenen gekämpft hat. Doch wir trauern auch mit der noch größeren Zahl an Familien, die ihre Angehörigen nun zur letzten Ruhe betten können. Ohne die Führung von US-Präsident Donald Trump wäre das alles nicht möglich gewesen.
Wenn alles wie geplant abläuft, wären die Geiseln am Montag nach unvorstellbaren 737 Tagen der Qual, der Angst, des Schmerzes und des Hungers wieder zu Hause. Ihr schier nicht enden wollendes Martyrium geht dann in die nächste Phase, denn auch wenn sie Gaza verlassen haben, werden sie noch Gaza in sich tragen. Das Wiederankommen, Verarbeiten, Heilen und Weiterleben wird eine weitere unmenschliche Herausforderung.
Neben der Erleichterung und Freude bewegen uns auch Befürchtungen mit Blick auf die Zukunft: 1950 Terroristen darunter 250 verurteilte Mörder, die lebenslängliche Haftstrafen zu verbüßen haben, werden freikommen und für die Hamas dringend benötigten Nachschub an geschulten und radikalen Führungskräften bedeuten. Eine taktische Niederlage auf dem Schlachtfeld wird so in einen strategischen Sieg gekehrt.
Sieg für die Hamas?
Denn das Kalkül der Hamas ist aufgegangen: Sie hat nicht nur ihr Überleben während des Krieges durch die Geiseln gesichert, sondern auch einen Kriegsausgang ohne ihre Kapitulation oder Vernichtung. Das wird die radikal-islamische Gruppe als Sieg für sich verbuchen. Sie ist nach dem schlimmsten Massaker an Juden seit der Schoah und unermesslicher Barbarei mit dem Leben, gewachsenem Einfluss und einem weltweiten Unterstützernetzwerk davongekommen. Auch ihre Förderer in Katar, der Türkei und Ägypten halten nach wie vor zu ihnen.
Der Rahmenplan spricht optimistisch davon, dass die Hamas zustimmen werde, ihre Waffen abzugeben, den Gazastreifen zu verlassen und eine friedliche Koexistenz zu akzeptieren. Aber die Hamas hat sich zu nichts davon verpflichtet. Sie hat nur der Phase 1 zugestimmt – dem Geisel- und Häftlingsaustausch, der ihre Position stärkt. Die Punkte 2 bis 20 von Trumps Plan bleiben noch Wunschvorstellungen. Das Ausmaß der Implementierung von Phase 2 wird darüber entscheiden, ob das Abkommen langfristig eine Beilegung des Konfliktes, Sicherheit für Israel und eine Perspektive für Gaza erreichen kann. Skeptisch stimmt, dass die Hamas bislang nur 7 von 20 Punkten zugestimmt hat und dass die restlichen Punkte, die in ihrem Umfang keine genozidale Bewegung jemals ohne militärische Niederlage akzeptiert hat, von der freiwilligen Einhaltung der Forderungen durch die Hamas abhängig sind. Sollte die Hamas im weiteren Verlauf nicht entwaffnet oder vertrieben werden, beginnt ab Sonntag auch der Countdown für einen neuen Krieg in Nahost.
Wir erinnern und mahnen, dass es schon einmal einen Geisel-Deal gab, als Israel den Soldaten Gilad Schalit gegen 1027 Terroristen eintauschte. Einer der Freigelassenen damals: Yahya Sinwar, der Hamasführer hinter dem 7. Oktober.
Heute ist ein Tag zum Feiern. Morgen muss die Entschlossenheit kommen, das zu vollenden, was mit dem 7. Oktober seinen Anfang nahm und heute zu einem Zwischenziel gelangt ist. Doch Israels berechtigte Sicherheitsinteressen gebieten weitere Zugeständnisse der Hamas und die Unterstützung der Weltgemeinschaft. Echten Frieden und Zukunft für Gaza kann es auch weiterhin nur ohne die Hamas geben. Alles andere würde garantieren, dass die Freude von heute zur Trauer von morgen wird.