Israel ist das Silicon Valley des Nahen Ostens. Seit mehr als 500 Tagen befindet es sich im Krieg – dennoch ist die Wirtschaft nicht zusammengebrochen und es wurden neue Startups gegründet. Warum das kleine Land so erfolgreich ist, war eines der Themen auf dem Kongress Christlicher Führungskräfte (KCF).
Vom 6. bis 8. März hatten sich rund 3000 Teilnehmer und 200 Aussteller zum diesjährigen KCF in Karlsruhe versammelt. Es war das erste Mal in der Geschichte des Kongresses, dass es dort ein eigenes Forum zum Thema Israel gab – ausgerichtet wurde es von Christen an der Seite Israels (CSI).
Unter der Überschrift „Deutschland und Israel – Gemeinsam in eine goldene wirtschaftliche Zukunft“ stellte der Leiter des CSI-Arbeitsbereichs Business, Ansgar Niehoff, das Wirtschaftswunder Israel bei einem Seminar in den Fokus. Trotz des aktuellen Kriegs seien in Israel neue Startups gegründet worden. Israel sei für ihn die widerstandsfähigste Nation der Welt, erklärte Niehoff. Im Land habe sich der Grundsatz etabliert „Israelis deliver. No Matter What“ (Israelis liefern. Komme, was wolle). Wie es sein kann, dass ein kleines Land von der Größe Hessens, das keine Bodenschätze hat und von feindlichen Nachbarn umgeben ist, zur Startup-Nation werden konnte, darüber sprach Niehoff in dem Seminar mit deutschen und israelischen Experten.


Hemdat Sagi, Managing Director VW Innovation Hub in Tel Aviv, erklärte in dem Gespräch, seit anderthalb Jahren durchlebe sie – wie die meisten Israelis – die schwerste Zeit ihres Lebens. Nach dem brutalen Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten fast alle ausländischen Vertreter der großen Unternehmen in Tel Aviv Israel verlassen. „Bis auf die Deutschen. Die sind geblieben. VW hat damals gesagt, wir unterstützen euch, nicht nur geschäftlich, wir bleiben hier.“ Der VW Innovation Hub bringt nach eigenen Angaben innovative Lösungen mit Herausforderungen aus der industriellen Praxis zusammen.
Mit der zweitbesten Lösung durch die Krise
Mirjam Eisele, CEO Stiftung Jugendaustausch Bayern, riet dazu, sich anzuschauen, wie Israel mit Krisen umgehe. Hier könne Deutschland viel lernen. Es gelte, nicht in den Problemen zu verharren und die Hoffnung zu verlieren, sondern schnell nach Lösungen zu suchen.
Helge Eikelmann von der Deutsch-Israelischen Wirtschaftsvereinigung verwies darauf, dass Israel in Krisenzeiten schnelle Lösungen parat habe. Das sei oft nur die zweitbeste Lösung, dafür aber die schnellste. In Deutschland verhindere oftmals ein Streben nach Perfektion schnelle Lösungen, die aber in Krisenzeiten notwendig seien. Deutschland müsse und könne das Startup-System nicht von Israel kopieren, stattdessen könnten sich beide Länder gut ergänzen. Israelis seien Erfinder und Entwickler, die Deutschen könnten dann im zweiten Schritt übernehmen und helfen, die Produkte auf den Markt zu bringen.
Auf die Frage, was Deutschland praktisch von Israel lernen könne, verwies Sagi auf die israelische Innovationsbehörde. Diese habe ein Budget, um solche Startups zu unterstützen, die keine privaten Investoren finden, weil ihnen das Risiko einer Investition zu hoch ist. Wenn das Startup scheitere, trage die Behörde das Risiko, das Startup müsse nichts zurückzahlen. Damit die Investitionen unbürokratisch erfolgen können, sei die Behörde aus dem Wirtschaftsministerium ausgelagert worden.
In einem anschließenden Vortrag mit dem Titel „Was wir aus Israels High-Tech-Resilienz lernen können“ sprach Sagi über das Erfolgsgeheimnis der israelischen Wirtschaft.
Chuzpe, flache Hierarchien und ein Nein zu Angstkultur
Unter anderem sei ein bisschen „Chuzpe“ nötig, eine Art intelligente Unverschämtheit, beziehungsweise der Wille, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. „In Israel sagt man, du bittest besser um Vergebung statt um Erlaubnis“, so Sagi. Zudem sei ihr Land umgeben von feindlich gesinnten Nachbarn. Israel sei daher seit seiner Gründung gezwungen, den Blick weit über den Tellerrand zu richten, da Handel in der Region unmöglich sei. Flache Hierarchien und die verschiedenen Kulturen, die Israel als Einwanderungsland beherberge, seien ebenfalls grundlegend für die innovative Denkweise. „Mein Team kann mir immer sagen, was es denkt. Wir geben uns direktes Feedback. Es darf keine Angstkultur geben, in der die Leute ihre Ideen und Themen nicht anbringen können“, erklärte die Israelin.
Einen entscheidenden Faktor für den Erfolg der israelischen Wirtschaft spiele laut Sagi die Israelische Verteidigungsarmee: „Wir haben Wehrpflicht für Männer und Frauen. Die jungen Menschen sind 18 Jahre alt, wenn sie zur Armee gehen. Sie lernen dort, mit schwierigen Situationen umzugehen, Teams zu leiten, schnell wichtige Entscheidungen zu treffen. Viele Ideen für Startups sind Israelis während der Armeezeit gekommen. Überhaupt wurden viele Technologien aus der Not heraus zunächst für die Sicherheit des Landes entwickelt und fanden später erst ihren Weg in die zivile Nutzung.“


In Israel werde es zudem nicht als Problem angesehen, wenn jemand mit einer Idee scheitere. „Im Gegenteil, die Person gilt dann als erfahren, sie hat etwas gelernt und macht es das nächste Mal anders. In Deutschland muss man lernen, keine Angst zu haben, Fehler machen zu dürfen. Dann ist es auch eher möglich, mal ein Risiko einzugehen. Ich glaube, dass auch Deutschland noch dahinkommt“, sagte Sagi weiter.
„Kommt wieder nach Israel!“
Auf die Frage, wie man Israel derzeit unterstützen könne, antwortete die Israelin: „Besucht uns! Kommt wieder nach Israel.“ Es sei in diesen Zeiten nicht leicht, Israelin zu sein. Nach dem Hamas-Überfall habe es für eine kurze Zeit internationale Solidarität gegeben, dann habe sich das Blatt jedoch gewendet. „Wir haben das Gefühl, dass die Welt uns nicht versteht. Es gibt so viele Demonstrationen gegen Israel. Warum redet keiner über die Geiseln, aber alle über die Oscars? Es ist ein unglaubliches Gefühl für mich, hier sprechen zu dürfen, Unterstützung zu erfahren, mich nicht dafür schämen zu müssen, Israelin zu sein.“

Im Anschluss an Sagis Vortrag nutzten viele Kongress-Teilnehmer die Gelegenheit, die Israelin am Stand von CSI zum persönlichen Gespräch zu treffen. Christen an der Seite Israels hatte auf dem KCF seine vielseitigen Arbeitsbereiche vorgestellt und vor allem die Möglichkeit zur Vernetzung von deutschen und israelischen Unternehmern sowie eine Businessreise angeboten. Zudem sprach der Geschäftsführende Vorstand Luca Hezel im Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA über die aus seiner Sicht gescheiterte Zwei-Staaten-Lösung. Die Situation im Nahen Osten sei verfahren, hier brauche es neue Lösungsansätze, erklärte Hezel.


Der KCF ist ein Kongress für christliche Unternehmer und Führungskräfte zur Ermutigung, Weiterentwicklung und zum Netzwerken. Er ist ein Arbeitszweig der Evangelischen Nachrichtenagentur Idea und findet seit 1999 alle zwei Jahre statt. In diesem Jahr stand er unter dem Motto „Mutig führen. Zukunft gestalten.“.