Ehrung in der Knesset am 22. November 2011

 

Auf Einladung von sieben israelischen Ministerien kamen am 22. November 2011 etwa 350 Christen aus mehr als 20 Ländern im Auditorium des israelischen Parlaments (Knesset) zusammen, um die Anerkennung der israelischen Regierung entgegenzunehmen. Dabei hielt Harald Eckert, 1. Vorsitzender von Christen an der Seite Israels, eine Rede.

Rede von Harald Eckert in der Knesset am 22. November 2011

Liebe Mitglieder der israelischen Regierung, liebe Mitglieder der Knesset, liebe Holocaust-Überlebende, verehrte Ehrengäste aus aller Welt, meine Damen und Herren, Brüder und Schwestern, liebe Freunde!

Zuerst möchte ich meine tiefe Dankbarkeit gegenüber der Regierung und dem Parlament Israels dafür zum Ausdruck bringen, dass sie ein solch einzigartiges Event, wie wir es heute erleben, angestoßen und ausgerichtet haben. Es ist ein starker Ausdruck des  Respekts und der Freundschaft, die in den letzten Jahren zwischen der Regierung und anderen Repräsentanten des modernen Staates Israel und christlichen Leitern und Bewegungen aus der ganzen Welt gewachsen sind. Als Deutscher mit Sensibilität für unsere Geschichte möchte ich im Namen der ganzen deutschen Delegation zum Ausdruck bringen, wie geehrt und privilegiert wir sind, Teil dieser bemerkenswerten Zusammenkunft zu sein. Möge diese Stunde das Bewusstsein für unsere gemeinsamen Wurzeln, Werte, Interessen und Hoffnungen weiter vertiefen, um eine künftige Zusammenarbeit im Geist gegenseitigen Respekts, wechselseitiger Freundschaft und des Vertrauens zu stärken.

Als Deutscher, der heute bei diesem feierlichen Ereignis zu Wort kommt, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, unsere Aufmerksamkeit auf ein einzigartiges Datum zu richten, das nur wenige Wochen von dem heutigen entfernt liegt: Am 20. Januar 2012 werden wir des 70. Jahrestages jenes unaussprechlichen Ereignisses gedenken, das in die Geschichtsbücher als „Wannsee-Konferenz“ eingegangen ist. Am 20. Januar 1942 trafen sich 15 hochrangige Vertreter der Nazi-Regierung unter Führung von SS-Chef Reinhard Heydrich und dessen Assistenten Adolf Eichmann, um die Vernichtung des gesamten europäischen Judentums zu planen: 11 Millionen jüdische Männer und Frauen, alt und jung, sollten in der kürzest möglichen Zeit ohne Ausnahme ausgelöscht werden. Diese Konferenz war der abschließende Meilenstein, die letzte und endgültige Eskalation dessen, was Hitler „die Endlösung“ nannte und später als Holocaust, Schoah, größte Manifestation des Bösen, das die Menschheit je gesehen hat, bezeichnet werden sollte.
Meine Damen und Herren, es ist unglaublich, aber wahr: Heute, nur 70 Jahre später, angesichts von Hunderttausenden noch unter uns verweilenden Überlebenden des Holocausts Hitlers ist ein nächster Holocaust in Vorbereitung. Der Iran arbeitet an einer Atombombe; Hisbollah, Hamas, die Moslembruderschaft, Al Kaida und viele andere Feinde von Juden und Christen verfolgen heute aktiv die Zerstörung Israels und die Vernichtung des jüdischen Volkes als Schritt auf dem Weg zur Weltherrschaft. Nur 70 Jahre später! Und das Bestürzendste ist, dass der größte Teil der Welt weder in der Lage  noch bereit zu sein scheint, die historische Parallele zu den Zeiten und Zielen Hitlers und Nazi-Deutschlands – wie sie durch die Wannsee-Konferenz repräsentiert wurden –  zu sehen und die Schritte zu tun, die erforderlich sind, um das globale, emphatische „nie wieder“-Versprechen heute mit Glaubwürdigkeit und Substanz zu füllen – in dieser Zeit der Prüfung und in dieser Zeit der Not.

Auf diesem Hintergrund möchte ich meine christlichen Brüder und Schwestern weltweit mit den politischen Leitern Israels und den Leitern innerhalb der Netzwerke der Überlebenden als Zeugen ansprechen: In dieser Zeit der Prüfung und in dieser Zeit der Not, während die meisten Nationen in ihrer Reaktion auf die ernsthafte Bedrohung durch einen zweiten Holocaust entweder feindlich oder lauwarm sind, ist es unsere Zeit und Gelegenheit, als Gemeinde Jesu Christi aufzustehen und in Kraft für das jüdische Volk, den jüdischen Staat Israel und für die Holocaust-Überlebenden, die noch unter uns sind, aufzustehen. Dies ist unsere Zeit und Gelegenheit, einen Weckruf ergehen zu lassen in unseren christlichen Kirchen, Netzwerken und Denominationen und entschieden und vereint im Gebet und im Handeln als „Salz und Licht“ in unseren Nationen und gegenüber unseren Leitern und Regierungen zu stehen. Als unsere sichtbare „Frucht der Buße“ und als ein Zeichen, dass wir eine Lektion aus unserem dunkelsten Kapitel der Geschichte gelernt haben in Beziehung zum jüdischen Volk.
Ich möchte meine Bemerkungen mit einem konkreten Vorschlag zum Ende bringen: Wie wäre es, wenn die Leiter der Nation Israel und die Leiter christlicher Bewegungen und Dienste weltweit – zusammen mit den Opfern und Zeugen des Holocaust – eine globale Koalition bilden?
Eine globale Koalition für Israel? Mit einem zweifachen Ziel im Blick:
1.    Fortzufahren, globale Aufmerksamkeit und humanitäre Unterstützung für die Holocaust-Überlebenden in Israel zu fördern, solange sie noch unter uns sind.
2.    Dies mit einer globalen Kampagne des Lernens über die Geschichte der Schoah und des Kampfes gegen mangelnde Kenntnis darüber, deren Minimierung oder gar Leugnung zu verbinden.
Das zeitliche Fenster für solch ein Handeln ist kurz. Überlebende und Zeugen des Holocaust werden nicht mehr allzu lange unter uns sein. Im Jahr 2015 wird der 70. Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs und des Holocaust sein, was wiederum ein spezielles Datum hinsichtlich einer globalen Aufmerksamkeit auch für den Holocaust sein wird. Dieses Datum könnte uns einen konkreten Bezugspunkt geben, auf den wir hinarbeiten könnten. Damit würden uns mindestens drei Jahre gegeben, die wir als globale Koalition für Israel mit dieser zweifachen Mission als vereinendem Faktor gemeinsam gebrauchen könnten.

Meine Damen und Herren! Solange noch Holocaust-Überlebende unter uns sind, ist das letzte Kapitel der Geschichte des Holocaust noch nicht geschrieben. Es liegt in unserer Hand, wie dieses letzte Kapitel endet. Wird es mit dem Beigeschmack von Einsamkeit, Bitterkeit und Schmerz enden? Indem ihre Leiden der Vergangenheit vergessen oder gar geleugnet wurden? Ihre gegenwärtigen Nöte und Ängste ohne Aufmerksamkeit bleiben?
Oder wird das letzte Kapitel des Holocaust eine erlösende Atmosphäre enthalten – mit Ehrung und Würde für die Überlebenden und mit einem gemeinsamen Zeugnis und dem Bemühen, ihre Stimmen – und die Geschichte dahinter – weltweit zu Gehör zu bringen?

Mögen wir Weisheit und Mut finden, diese einzigartige Gelegenheit und das vor uns liegende kurze Zeitfenster zu erkennen und darauf in angemessener Weise zu reagieren als ein deutliches Signal, dass wir als Christen wirklich unsere Lektionen aus der Geschichte gelernt haben und fähig und gewillt sind, dem globalen Versprechen nach dem 2. Weltkrieg: „Nie wieder!“ Substanz und Glaubwürdigkeit zu geben. Möge Gott uns helfen! Möge Gott Israel segnen!

(Übersetzung: Dorothea und Heinz-Jürgen Heuhsen)