Und täglich grüßt das Murmeltier: Israel wird am 1. November das fünfte Mal in nur knapp dreieinhalb Jahren an die Wahlurnen gehen. Ein Ausweg aus dem politischen Patt ist nicht in Sicht. Wir zeigen die größten Herausforderungen auf, mit denen sich Israel aktuell konfrontiert sieht und stellen die zwei größten Kontrahenten dieser Wahl vor.
Israel wird am 1. November das fünfte Mal in nur knapp dreieinhalb Jahren an die Wahlurnen gehen. Da eine Wahlrechtsreform immer noch aussteht, deutet sich auch für diese Wahl kein Ausweg aus dem politischen Patt zwischen den Blöcken an. Israels Regierungsverhältnisse werden wohl auf unabsehbare Zeit instabil bleiben und das zur absoluten Unzeit – angesichts des immensen Reformstaus und der existenziellen Herausforderungen, mit denen sich der jüdische Staat konfrontiert sieht. Dabei könnte eine Wahlrechtsreform die Zersplitterung des politischen Spektrums in Kleinstparteien beenden. Sie könnte einen Weg finden, wieder stabile, aber trotzdem repräsentative politische Mehrheiten zu ermöglichen.
Solange das nicht geschieht, werden Parteien mit 4 von 120 Sitzen weiterhin als Königsmacher agieren und die gesellschaftliche Mehrheit in politischer Geiselhaft halten können. Zudem ist es keinem Premierminister unter diesen Vorzeichen vergönnt, adäquat regieren zu können, wenn er im Parlament jede einzelne Stimme benötigt und ein einzelner Abweichler die Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmungen kippen kann. Wer kann mit einer Fraktion regieren, in der jeder Abgeordnete Vetomacht besitzt?
Aber vielleicht kommt ja alles anders und der politisch totgeglaubte Benjamin Netanjahu schafft es, die knapp 60 Sitze zu überflügeln, die Umfragen seinem Block zusprechen und eine sichere Mehrheit zu erreichen. Das personifizierte Schreckgespenst der israelischen (und internationalen) Linken, Netanjahu, hat die Oppositionszeit nicht nur an der Spitze des Likud überstanden, sondern hat zudem seither auch in der Wählergunst nicht abgenommen. Er ist noch immer der mit Abstand beliebteste Politiker in Israel.
Doch selbst wenn es ihm gelingen sollte, die Wahl zu gewinnen und eine stabile Koalition zu formen, was derzeit als der wahrscheinlichste Wahlausgang gilt, müsste er weiterhin mit der einen Hand kämpfen und mit der anderen bauen. Denn das ihm angehängte Strafverfahren, das sein Buhlen um positive Berichterstattung als Bestechlichkeit auslegt, hängt wie ein Damokles-Schwert über ihm.
Netanjahus größter Kontrahent, der amtierende Premierminister Jair Lapid, versucht derweil, sich zusammen mit seinem wichtigsten Verbündeten Benny Gantz als pragmatischer Außenpolitiker zu profilieren und bei der Biden-Regierung beliebt zu machen. Zunächst erklärte er sich in der UNO für eine sogenannte Zweistaatenlösung und Verhandlungen mit den Palästinensern bereit, was ihm medial, in linken US- und sämtlichen EU-Kreisen quasi-Heldenstatus einbrachte. Danach schloss er unter starkem US-Druck ein Abkommen mit dem Libanon (sprich: Hisbollah) bezüglich
der maritimen Grenze beider Länder ab. Was Netanjahu im Interesse Israels jahrzehntelang verhandelt hat, ohne klein beizugeben, das hat Lapid in wenigen Monaten abgehandelt. Abgehandelt im wahrsten Sinne des Wortes. Herausgekommen ist ein Deal, in dem Israel 100% der territorialen Forderungen Libanons nachkommt und ohne Not milliardenschwere Gasvorkommen an den Libanon abtritt, deren Erlöse allen gegenteiligen US-amerikanischen Versicherungen zum Trotz direkt in den Koffern der Hisbollah landen werden. Und das alles grundgesetzwidrig an der Knesset vorbei! Unter dem Beifall der Amerikaner und Europäer, allen voran der Franzosen, deren Staatskonzern Total die Bohrlizenz erhalten wird, geriert sich Lapid als diplomatischer Genius.
Dabei gelingt es ihm nicht, in den beiden wichtigsten Feldern israelische Interessen
durchzusetzen, und zwar beim existenziell bedrohlichen Atomabkommen der Weltmächte mit dem Iran und in dem Wunsch Jerusalems, in Richtung Washington eine Exportgenehmigung für das Raketenabwehrsystem Arrow 3 zu erhalten. Deutschland hätte großes Interesse an dem weltweit leistungsfähigsten System seiner Klasse. Auch einige andere europäische Staaten würden wohl folgen, wenn mit dem israelisch-deutschen Rüstungsdeal der entsprechende Präzedenzfall für die Erstlieferung geschaffen wäre. Das Handelsvolumen des Rüstungsdeals beläuft sich auf kolportierte 2 Milliarden Euro, mitsamt etwaigen Folgedeals könnten sagenhafte 15 Milliarden Euro für die israelische Rüstungsindustrie herausspringen.
Nur 6 Tage vor den Kongresswahlen in der Mitte der Amtszeit von US-Präsident Biden steht am 1. November für den jüdischen Staat in seiner eigenen Wahl Vieles auf dem Spiel. Nationalismus der strategischen Unabhängigkeit à la „Israel first“ oder globalistisches Appeasement? Wir werden sehen!
Mit einem herzlichen Grüß Gott und Schalom aus Berlin!
Von: Josias Terschüren