Ein Blick in das „Allerheiligste“ des Jaffa Instituts: Das Neve Ofer-Haus

Ein Blick in das „Allerheiligste“ des Jaffa Instituts: Das Neve Ofer-Haus

Gruppenfoto von Pini und Odaya mit allen Kindern
Ein Beispiel für bedingungslose Liebe: Pini und Odaya feiern mit der ganzen „Familie” gemeinsam die Bar Mitzva eines der Kinder. Foto: Jaffa Institut

In den Straßen von Neve Ofer, einem Stadtviertel im Süden Tel Avis, befindet sich ein Haus, das mehr ist als nur ein Ort zum Wohnen. Hier lebt und arbeitet eine Familie seit über zwei Jahrzehnten in einem besonderen Kinderhaus, das weit über die traditionelle Vorstellung einer Pflegefamilie hinausgeht.

Von Hannah Trusch

Der Hausvater Pini und seine Frau Odaya führen ein Leben, das dem jüdisch-orthodoxen Glauben gewidmet ist. Doch ihre Hingabe erstreckt sich weit über die Grenzen ihres eigenen Heims hinaus. Seit 23 Jahren, mit der Gründung des von Christen an der Seite Israels unterstützten Jaffa Instituts, öffnen sie ihre Türen für insgesamt elf Kinder im Alter zwischen sechs und 18 Jahren.

Sie stammen aus den unterschiedlichsten Hintergründen – sei es arabisch, jüdisch oder international. Die Kinder eint, dass sie vom Sozialamt aus ihren Familien herausgenommen wurden, weil sie dort aufgrund von Vernachlässigung oder Missbrauch nicht bleiben können. Oft gehen die Kinder jedoch nach wie vor in ihre Schulen in der Bat Yam-Gegend, damit sich nicht auch noch das schulische Umfeld ändert. Aktuell wohnen neun Jungen bei Pini und Odaya.

Neben seinem Engagement im Kinderhaus unterrichtet Pini auch die Tora. Die Familie wird von engagierten Freiwilligen unterstützt, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Odaya berichtet, dass sie und ihr Mann vor 23 Jahren nach einer Möglichkeit gesucht hatten, wie sie außerberuflich helfen könnten. So entstand ihr gemeinsames Lebenswerk: aus einer Entscheidung heraus, die Türen ihres Heims und ihrer Herzen für die Zerbrechlichsten zu öffnen.

Yechiel Marcus, Berater für geplante Spenden beim Jaffa Institut, beschreibt das Haus treffenderweise als das Allerheiligste des Jaffa Instituts. Die Fotos an den Wänden erzählen Geschichten von Verbundenheit und Liebe, denn in diesem Haus verschmelzen Familie und Pflegekinder zu einer Einheit. Pinis eigene Kinder, mittlerweile erwachsen, zeigen eine tiefe Bindung zu ihren angenommenen Geschwistern. Es ist mehr als nur eine Wohngemeinschaft, es ist ein Zuhause. Die Kinder erleben nicht nur eine Vielzahl von Aktivitäten von Fußballspielen bis hin zu Bar Mizvah-Feiern, sondern sie erfahren auch Geborgenheit und eine familiäre Atmosphäre. Das für Purim unter dem Motto „boss baby“ festlich geschmückte Haus spricht Bände davon.

Kinder spielen mit Betreuern
Im Neve Ofer-Haus ist auch immer wieder Zeit fürs gemeinsame Spielen. Foto: Jaffa Institut

Die Räume, in denen jeweils drei Kinder wohnen, geben einen Einblick in die individuellen Hobbys und Vorlieben. Dort hängen Spiderman-Bilder, Fotografien und Poster ihrer Vorbilder. Kinder, für die Normalität ganz anders aussah, finden hier ein Zuhause, das ganz einem gesunden, normalen Alltag entspricht: Schule, Hobbys, Gemeinschaft beim Essen, Verantwortung übernehmen und Freizeit gemeinsam erleben.

Traumabewältigung und Familienalltag

Die Kinder bringen tiefsitzende Wunden mit. Daher stehen ihnen individuelle Ansprechpartner und Therapien wie die Fotografie-Therapie zur Verfügung, um sie in ihrem inneren Wachstum und der Bewältigung ihrer Traumata zu unterstützen. Odaya erzählt, dass der Schmerz der neu bei ihnen aufgenommenen Kinder zunehme, obwohl sie aus ähnlichen Verhältnissen wie die anderen kommen. Auf Nachfrage erklärt sie, dies hänge ihrer Meinung nach unter anderem mit dem Einfluss des Internets zusammen.

Die meisten Kinder kehren nach ihrem 18. Geburtstag nicht zu ihren eigenen Familien zurück, sondern treten ihren Armeedienst oder nationalen Dienst an. Bei Bedarf werden sie bei der Suche nach einer geeigneten Wohngemeinschaft unterstützt.

Das Leben in einem orthodoxen Haushalt bedeutet auch, sich an bestimmte Regeln zu halten, wie etwa die Einhaltung des Schabbats. Die Kinder lernen, diese Regeln zu respektieren und einzuhalten, auch wenn kaum eines der Kinder aus jüdisch-orthodoxen Verhältnissen stammt. So dürfen sie beispielsweise ihre Handys am Schabbat nicht benutzen, wenn sie in den Gemeinschaftsräumen sind. Kinder, die das „Allerheiligste“ verlassen müssen, bleiben oft in Kontakt und werden weiterhin zu Festen und Veranstaltungen eingeladen.

handgeschriebene Regeln auf einem Zettel an der Tür
Am Eingang der Kinderzimmer hängen selbst aufgeschriebene Hausregeln. Foto: privat

Odaya zeigt mir ein Bild von einer Bar Mitzvah Mitte März. Sie haben einen Jugendlichen dazu eingeladen, der vor Kurzem gehen musste, weil er sich nicht mehr an die Hausregeln gehalten hat – er ist gekommen. Ich sehe einen strahlenden 13-Jährigen neben seinem ehemaligen älteren Pflegebruder stehen. Im Neve Ofer-Haus werden trotz der schwierigen Umstände persönliche Bindungen aufgebaut, die oftmals über die gemeinsame Zeit dort hinaus bestehen bleiben.

Besuche und Auszeiten

Jeden Donnerstag dürfen die Kinder Besuch von ihren Familienangehörigen empfangen, doch nicht zu allen Kindern kommt jemand. Manche Kinder dürfen auch an Wochenenden oder in den Ferien zu ihren Eltern. Andere fahren zu Onkeln, Tanten, Großeltern oder Cousins. Doch dies birgt auch Herausforderungen.

Odaya berichtet, wie eines ihrer jüngsten Gastkinder ihr kürzlich anvertraute, dass es nicht verstehe, warum nur seine Großmutter zu Besuch käme, nicht aber seine Eltern. Nach den Besuchen sei der Junge immer sehr emotionsgeladen und es sei schwierig, ihn aufzufangen. Es ist eine komplexe Dynamik, durch die die Familie mit Liebe und Geduld zu navigieren versucht.

Alle zwei Wochen nehmen sich Pini und Odaya eine Auszeit, während die Kinder zu ausgewählten Gastfamilien oder Verwandten gehen. Außerdem bekommen sie selbst Beratung und Mentoren an die Seite gestellt. Einmal im Jahr machen sie alle gemeinsam Urlaub in Tiberias: Ein echtes Highlight, von dem die Kinder stolz erzählen können.

Trotz aller Schwierigkeiten strahlt dieses Haus Wärme und Zusammenhalt aus. Es ist ein Ort, an dem Kinder nicht nur Schutz finden, sondern auch die Möglichkeit haben, zu wachsen und zu heilen. Pini und Odayas besonderes Heim ist ein leuchtendes Beispiel für bedingungslose Liebe und Hingabe.

Christen an der Seite Israels unterstützt seit mehr als zwei Jahrzehnten die Familien- und Jugendarbeit des Jaffa Institus.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 137. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

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