SOS Ukraine: Auf der Flucht im ukrainischen Winter

SOS Ukraine: Auf der Flucht im ukrainischen Winter

Triste Winterlandschaft in der Ukraine. Wohin der Weg wohl führen wird?

Von: Koen Carlier, übersetzt von Anemone Rüger, CSI

Eine Woche nach unserer ersten Fahrt ins befreite Cherson am Schwarzen Meer ist unser Team wieder unterwegs, auf besondere Bitte mit den dringendsten Hilfsgütern: Trinkwasser, Kerzen, Streichhölzer und einem Gasheizer für die jüdische Gemeinde. Auf dem Rückweg evakuieren wir einige jüdische Senioren, die weiter nach Israel gehen wollen.

Eine Woche lang haben zwei unserer Mitarbeiterinnen in Kooperation mit der jüdischen Gemeinde in Cherson versucht, so viele wie möglich der Zurückgebliebenen zu erreichen und unsere Hilfe bei der Ausreise nach Israel anzubieten. Das russische Militär ist weg, und nun wird die Stadt wieder bombardiert.

Einige Generatoren finden ihren Weg in die Stadt, um an den kritischsten Stellen Hilfe zu schaffen: in den Krankenhäusern, Polizeistationen, im Supermarkt und am Bahnhof, wo Hunderte darauf warten, ihre Mobiltelefone laden zu können, um ihre Verwandten anzurufen. Wie viele Menschen noch in der Stadt sind, kann keiner sagen. Vor dem Krieg hatte Cherson mehr als 400.000 Einwohner. Schätzungen zufolge ist etwa ein Viertel in der Stadt verblieben. Verschiedene Hilfsorganisationen tun, was sie können, aber es fehlt praktisch an allem. Auch unsere Kleinbusse sind im Einsatz.

In der Ukraine hat der Winter Einzug gehalten.

Leider sind neben Cherson auch viele umliegende Ortschaften vom Krieg gezeichnet. Bei Raketenangriffen wurde jüngst ein großer Teil der gerade reparierten örtlichen Infrastruktur zerstört. Das heißt wieder: Stromausfälle, lange Schlangen an den Tankstellen, Hamstereinkäufe. Wir haben es selbst erlebt, als wir gerade dabei waren, im Großhandel eine größere Menge Trinkwasser für Cherson einzukaufen, und plötzlich war zehn Minuten lang alles finster.

Wassereinkauf im Großhandel.

Nun hat Väterchen Frost wieder Einzug gehalten – mit viel Schnee, Glatteis, Nebel und generell schwierigen Straßenverhältnissen. Zum Glück ist es in den südukrainischen Städten am Schwarzen Meer (Odessa, Nikolajew, Cherson) etwas wärmer.

Viele Holocaust-Überlebende, wie Rosa aus Cherson, haben nach dem Zweiten Weltkrieg oft den Satz gehört: „Es kann viel passieren, aber nie wieder so ein Krieg!“ Leider sieht die Realität anders aus.

Besuch bei Rosa in Cherson.

Zum zweiten Mal auf der Flucht

Jewgenia und Juri haben den Holocaust in der Ukraine überlebt. Mit ihren Müttern und Großmüttern versuchten sie, den Nazis zu entkommen, suchten Zuflucht von Baracke zu Baracke. Viele ihrer Angehörigen wurden erschossen und in eines der vielen Massengräber geworfen.

Und nun, viele Jahrzehnte nach dem Holocaust in der Ukraine, wo an mehr als 2.000 Massengräbern schätzungsweise 1,7 Millionen Juden ermordet wurden, kommen die Erinnerungen zurück. Aber dieses Mal gibt es Hilfe für die jüdischen Flüchtlinge bei der Evakuierung.

Jewgenia und Juri, die bisher in Cherson zu Hause gewesen waren, konnten sich bei ihrer Ankunft in unserem Auffangzentrum nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal eine warme Mahlzeit gegessen hatten. Ein Strahlen ging über ihre Gesichter, als wir ihnen servierten.

Eine warme Mahlzeit für Juri und Jewgenia.
Juri und Jewgenia haben den Holocaust überlebt, nun sind sie wieder auf der Flucht.

Andere Familien aus dem Osten der Ukraine haben uns ähnliche Geschichten erzählt:

„Wir hätten viel früher nach Israel gehen sollen. Aber wir haben es immer verschoben, und jetzt ist es fast schon zu spät… Jetzt hat der Winter Einzug gehalten, es ist bitterkalt in der Ukraine. Da, wo wir wohnen, gibt es fast kein fließendes Wasser mehr, keinen Strom, keine Heizung. Wir haben Angehörige, die in Israel auf uns warten. Jetzt überlegen wir nicht länger: Wir gehen nach Israel.“

Ein älterer, gebrechlicher Herr, den ich zum Fahrzeug begleitete, sagte: „Zum Glück können wir noch weg jetzt. Wir fliehen praktisch vor dem Winter. Danke, dass ihr uns geholfen habt – trotz aller Hindernisse! Wir werden das nie vergessen!“

Hindernisse gibt es tatsächlich überall. Nicht nur das Fahren im Winter stellt eine Gefahr dar, sondern auch die ständigen Raketenangriffe. Fast wie russisches Roulette – keiner weiß, wen es als nächstes trifft. In unseren Unterkünften haben wir zwei große Generatoren installiert, für den Fall eines kompletten Stromausfalls. Mittlerweile wissen wir, dass das keine überflüssige Anschaffung war.

Cherson wieder unter Raketenbeschuss

Während ich diese Zeilen schreibe, sind gerade wieder mehrere Raketen über Cherson niedergegangen. Sofort klingelt das Telefon: „Evakuiert uns, bitte“, bettelt eine ältere Frau weinend am Telefon. Wir tun, was wir können.

Wieder gab es Tote und Verletzte bei Raketenangriffen in Cherson.

Die dunklen Wolken über dem Land des Nordens haben sich bedrohlich verdichtet. Solange wir können, werden wir den Bedürftigen unsere Hilfe anbieten, besonders jetzt in den kalten Wintermonaten. Das ist unsere Aufgabe. Es stärkt uns zu wissen, dass viele treue Unterstützer in der ganzen Welt unseren Dienst mit aufs Herz genommen haben und im Gebet hinter unseren Mitarbeitern, den Fahrern und Ehrenamtlichen stehen!

„Ich will sie herbeipfeifen und sie sammeln, denn ich habe sie erlöst. Und sie sollen sich mehren, wie sie sich vormals gemehrt haben. Ich säte sie unter die Völker, dass sie meiner gedächten in fernen Landen und leben sollten mit ihren Kindern und wieder heimkehren.“ Sacharja 10, 8-9.

Unser Fahrer Kolja mit jüdischen Flüchtlingen, darunter ein Ehepaar, 85 und 90 Jahre alt! Alle Fotos: CSI

Im Buch Jesaja 43,6 finden wir einen Aufruf Gottes, bei der Rückkehr Seines Volkes zu helfen. Wir von Christen an der Seite Israels sind dankbar, aktiv daran teilhaben zu können.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine entscheiden sich mehr und mehr Juden, nach Israel zu gehen. Wir bringen die Flüchtlinge zunächst bei uns in der Westukraine unter, dann geht es weiter nach Moldawien und von dort nach Ausfertigung der Papiere nach Israel. Helfen Sie einem ukrainischen Juden auf dem Weg nach Israel! Für 135 € können wir mit unserem Team die Unterstützung bei der Alijah bis zur Übergabe an die Jewish Agency leisten.

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