Drei Geiseln versehentlich getötet: Ein weiterer Rückschlag für Israel im Gazakrieg

Drei Geiseln versehentlich getötet: Ein weiterer Rückschlag für Israel im Gazakrieg

Standen kurz vor der Rettung aus den Händen der Hamas: Jotam Chaim, Samar Talalka und Alon Lulu Schamris (v. l. n. r.). Foto:privat

Die versehentliche Tötung von drei Geiseln sorgt für große Trauer in Israel. Unterdessen spitzt sich die Lage am Roten Meer zu.

Inmitten einer ohnehin schlimmen Lage hat Israel einen weiteren Rückschlag erlebt: Am Freitag erschossen Soldaten in Gaza-Stadt versehentlich drei Geiseln, die offenbar den Terroristen der Hamas entkommen waren. Der Vorfall zählt zu den einschneidenden Ereignissen im Gazakrieg, ähnlich wie der Tod von neun Soldaten, die in einen Hinterhalt geraten waren. Zudem bestärkte er die Proteste der Geiselfamilien, die eine sofortige Kampfpause fordern.

Ersten Erkenntnissen zufolge hatte ein Soldat am Freitagvormittag in Gaza-Stadt auf drei ihm verdächtige Personen geschossen und „Terroristen!“ gerufen. Die Geiseln verließen gerade das Gebäude, in dem sie sich aufhielten. Sie trugen keine Oberkörperbekleidung, einer von ihnen zeigte eine weiße Flagge. Der Soldat vermutete aber eine Falle. Mit seinen Schüssen tötete er zwei von ihnen und verwundete den dritten. Dieser floh zurück in das Gebäude.

Zu diesem Zeitpunkt wies ein Kommandeur die Soldaten an, das Feuer zu stoppen. Nun waren Hilferufe auf Hebräisch zu hören. Kurz darauf kam die verletzte Geisel aus dem Gebäude wieder heraus. Ein weiterer Soldat eröffnete das Feuer und tötete sie.

Armee: Verstoß gegen Protokoll

Die Reaktion der Armee auf den Vorfall war zweigeteilt: Einerseits sprach sie von einem „Versagen“ und betonte, die Soldaten hätten gegen die Handlungsanweisungen verstoßen. Andererseits zeigte sie Verständnis: Es habe zuvor mehrere Versuche der Hamas gegeben, Soldaten in einen Hinterhalt zu locken.

Die Armee gestand aber zu, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass Geiseln entkommen und in dem Kampfgebiet auftreten könnten. Armeechef Herzi Halevi sagte, die Bodentruppen erhielten nun neue Protokolle für solche Fälle. Er betonte jedoch, dass es schon vorher die Handlungsanweisung gab, nicht auf Menschen mit weißer Flagge zu schießen.

Geiselfamilien fordern Verhandlungen

Der Vorfall fügte den ohnehin geplanten Protesten der Geisel-Familien und deren Unterstützer am Samstagabend Dringlichkeit hinzu. Die Protestler forderten die Regierung auf, die Kampfhandlungen zu stoppen und stattdessen um die Freilassung der 128 Geiseln zu verhandeln. Die bisherige Annahme, militärischer Druck führe zur Freilassung der Geiseln, habe sich als falsch erwiesen.

Die Regierung bleibt jedoch bei ihrer Linie. Am Samstagabend sagte Premier Benjamin Netanjahu (Likud), der Tod der Geiseln sei eine „unerträgliche Tragödie“. „Es brach mir das Herz.“ Weiter erklärte er, der militärische Druck sei notwendig, um die Geiseln zurückzubringen und die Feinde zu besiegen.

Indes scheint ein erneuter Geisel-Deal tatsächlich konkretere Züge anzunehmen. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, soll sich Medienberichten zufolge dazu nach Warschau begeben. Dort soll es ein Treffen geben mit dem Chef des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA, Bill Burns, und dem katarischen Premier Mohammed Bin Abdulrahman al-Thani.

Armee: Größter Terrortunnel bislang gefunden

Unterdessen verlieren die Kämpfe im Gazastreifen nicht an Schärfe. Am Montag teilte die Armee mit, fünf weitere Soldaten seien gefallen. Unter ihnen befindet sich auch der Sohn eines christlichen Ehepaares aus Deutschland, das sich um Holocaust-Überlebende kümmert. Insgesamt liegt die Zahl der seit Beginn der Bodenoffensive Gefallenen bei 127.

Im Gazastreifen machte die Armee weitere Funde, die ein Licht auf die Finanzmittel der Hamas werfen. Im Norden fand sie den bislang größten Terrortunnel der Hamas. Er verläuft in Nord-Süd-Richtung, ein Ende befindet sich 400 Meter vom Eres-Übergang nach Israel entfernt. Aufgrund seiner Breite vermutet die Armee, dass er für einen Angriff auf Israel mit Fahrzeugen gedacht gewesen sei. Der Tunnel habe zahlreiche Abzweigungen, ein Abwassersystem und eine Stromversorgung. Die Soldaten stießen dort auf zahlreiche Waffen.

Zudem fand die Armee im Haus eines hochrangigen Vertreters der Terror-Organisation einen Koffer mit umgerechnet rund 1,25 Millionen Euro.

Terroristen stehlen Hilfslieferungen

Am Sonntag gab Israel auch den Weg frei für die Kontrollen von Hilfsgütern am Kerem-Schalom-Übergang an der Südostecke des Gazastreifens. Damit erhöhe sich die Kapazität der Hilfslieferungen, teilte das Militär mit.

Für die Lieferungen hält Israel regelmäßig sogenannte „taktische Feuerpausen“ ein: Am Montag etwa von 10 Uhr Ortszeit bis 14 Uhr. Allerdings tauchte am Sonntag ein Video auf, das zeigt, wie Hamas-Terroristen die Lieferungen stehlen: Zu sehen sind bewaffnete Männer auf Lastern, die mit hoher Geschwindigkeit davonfahren – ein Zeichen dafür, dass Terror-Organisationen sich eines Teils der Hilfslieferungen bedienen.

Angriffe aus dem Gazastreifen und dem Libanon

Die Armee kontrolliert inzwischen einige Gebiete im Gazastreifen. Am Montag teilte sie mit, dass Beit Hanun im äußersten Norden unter ihrer Kontrolle sei. Die Raketenangriffe halten indes weiter an, über das Wochenende hinweg wurde mehrmals Alarm in der Grenzregion des Gazastreifens ausgelöst.

Auch der Beschuss an Israels Nordgrenze geht weiter. Die Armee erwiderte das Feuer mit Gegenangriffen. Armeesprecher Daniel Hagari warnte die Hisbollah am Montag davor, den Libanon in einen „unnötigen Krieg“ mit hineinzuziehen. Hagari erklärte, solange keine diplomatische Lösung gefunden und umgesetzt werde, treffe die Armee weiter Vorbereitungen, um die Bedrohung an der Nordgrenze zu entfernen.

Zahlreiche Reedereien stoppen Schiffsverkehr am Roten Meer

Die Lage am Roten Meer hat sich indes weiter verschärft. Am Montag kam wieder ein Frachtschiff unter Beschuss. Am Sonntag fingen amerikanische und britische Kriegsschiffe mehrere Geschosse der Huthi-Rebellen ab.

Mehrere Reedereien, darunter MSC aus der Schweiz und Hapag-Lloyd aus Deutschland, hatten in den vergangenen Tagen bereits angekündigt, den Transport im Roten Meer auszusetzen. Am Montag tat dies auch der Energiekonzern BP und die chinesische Reederei Evergreen.

Die USA haben Deutschland bereits gebeten, beim Schutz der Seewege zu helfen. Die Bundesregierung prüft diese Bitte derzeit. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sprach sich für einen Einsatz der deutschen Marine aus. (Israelnetz)

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