Die erste Kerze im Schtetele Belz: jüdische Senioren feiern Chanukka

Die erste Kerze im Schtetele Belz: jüdische Senioren feiern Chanukka

Larissa (hier mit CSI-Mitarbeiterin Anemone) sagt: „Ihr seid mir das größte Geschenk!“ Alle Fotos: CSI

Das jüdische Sozialwerk „Chesed“ in Belz feiert traditionell alle jüdischen Feiertage mit der im Großen und Ganzen aus Senioren bestehenden Gemeinde: im ersten Stock gleich über den Hof vom Büro aus, wo die Mitarbeiter Rosen gepflanzt haben. Hier im Norden Moldawiens, wo nicht so schnell jemand hinkommt, ist die jüdische Gemeinde für viele Mitglieder ihr zweites Zuhause – oder sogar ihr erstes. Doch dieses Jahr fiel die Finanzierung aus – eine Gelegenheit für Christen an der Seite Israels, zu den Feiertagen von Deutschland aus persönlich ein Stück Liebe vorbeizubringen.

Larissa ist schon eine Stunde vorher da. „Ich danke euch so für alle eure Hilfe“, sagt sie und umarmt uns. Heute, zu Chanukka, gibt es auch Geschenke, stellen wir ihr in Aussicht. „Ihr seid mir das größte Geschenk!“, sagt Larissa. „Ihr seid so lieb, so mitfühlend … ihr bedeutet mir mehr als alle Geschenke!“

Genau 30 Keksdosen gab es noch im Belzer Kaufland, wo wir gestern Abend unseren Großeinkauf gemacht haben. Dazu Tee und zwei Tafeln israelische Schokolade aus unserem Büro in Winniza – Gott sei Dank stellten die Zollbeamten an der Grenze keine komplizierten Fragen.

Jeder Gast bekommt ein kleines Geschenk mit nach Hause.

Rosentöpfe und sternförmige Filzuntersetzer, Kerzen, Servietten und Schoko-Kugeln – der Tisch sieht inzwischen wirklich festlich aus. „Bey mir bistu scheyn“ läuft schon über die Leinwand, während wir die letzten Vorbereitungen treffen. Dann ist der Raum innerhalb weniger Minuten gefüllt.

Ein besonderer Festtag für Holocaust-Überlebende und Nachkriegskinder

Viele Gesichter sind mir bekannt. Irgendwie haben sich die Begegnungen hier im Norden Moldawiens fernab der Hauptstadt tiefer eingeprägt. Da ist Nussja, die den Holocaust selbst überlebt hat; Nina, die durch die Nazi-Verbrechen ihre ganze Familie väterlicher- und mütterlicherseits verloren hat. Da eilt Roman auf uns zu, der selbst 20 Jahre bei Chesed gearbeitet hat. „Ich bin so froh, euch zu sehen! Ich komme sonst nicht mehr zu den Veranstaltungen. Aber heute bin ich gekommen, nur wegen euch!“

„Chanukka ist das Fest der Wunder – und unser erstes Wunder ist, dass unsere lieben ‚Mädels‘, unsere Alina und Anemone, zum Anzünden der ersten Chanukkakerze zu uns kommen konnten!“, begrüßt Gemeindeleiterin Polina die Gäste. „Ihnen, das heißt, Christen an der Seite Israels, haben wir unsere Feier heute zu verdanken. Aber sie sind nicht nur unsere Sponsoren. Sie sind unsere Herzensfreunde geworden. Es ist noch nicht so lange her, dass wir uns zum ersten Mal gesehen haben, aber es war Liebe auf den ersten Blick mit unserer jüdischen Gemeinde hier! Sie haben einen langen Weg auf sich genommen und viele Grenzen überquert, um heute bei uns zu sein!“

30 Gäste aus Belz und Umgebung haben die CSI-Einladung zu einer Chanukkafeier freudig angenommen.

Polina erzählt uns von Oktjabrina, die das ganze Jahr überhaupt nicht aus dem Haus gegangen ist. Aber bei unserer Chanukkafeier wollte sie unbedingt dabei sein. Nicht einmal den Fahrdienst wollte sie in Anspruch nehmen. „Ich schaffe das, ich will selbst kommen!“, sagte sie. Anatoli kommt strahlend auf mich zu und will meine Hände gar nicht loslassen. „Du hast versprochen, dass du wiederkommst, und jetzt bist du da! Und du hast gesagt, dass deine Mutter für mich beten wird. Das ist so eine Hoffnung, die ihr uns gebt!“

Wenn der Messias kommt

Auf Polinas Rede folgt der erste L’Chaim-Toast, dann bringen wir die Grüße aus Deutschland und der ganzen CSI-Welt … und Gottes Worte durch den Propheten Jesaja auch im dunklen Dezember 2023: „Steh auf und werde licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des HERRN ist über dir aufgegangen.“ (Jesaja 60,1).

Rabbiner Mendel ist extra aus Kischinau gekommen, um die erste Kerze am mannshohen Leuchter anzuzünden. Bevor er spricht, hilft er einigen der älteren Herren, die Gebetsriemen anzulegen. Jeder bekommt eine Chanukkia – einen festspezifischen Leuchter – mit nach Hause, um jeden Tag eine weitere Kerze anzuzünden. Wie beim Adventskranz.

„Die eine Kerze ist genug für diesen Tag. Aber morgen zünden wir eine neue Kerze an“, erklärt Rabbi Mendel. „Der neue Tag morgen braucht neues Licht. Morgen sollen wir aufs Neue Gutes tun und diese dunkle Welt erhellen. Und wie jedes Jahr hoffen und beten wir, dass wir die letzte Generation sind, die unter einem fremden Joch lebt, und die erste Generation, die in Freiheit leben wird, wenn Maschiach kommt – bald und in unseren Tagen!“

Helfen Sie uns, den Holocaust-Überlebenden und bedürftigen jüdischen Senioren zu zeigen, dass sie Freunde in Deutschland haben! Hier können Sie eine Patenschaft abschließen. Alternativ können Sie den Überlebenden auch mit einer Einmalspende helfen, Spendenzweck: „Holocaust-Überlebende Ukraine“. Vielen Dank!

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