Einzigartiges Projekt: Deutsche finanzieren Torarolle für Holocaust-Überlebende

Einzigartiges Projekt: Deutsche finanzieren Torarolle für Holocaust-Überlebende

Die CSI-Mitarbeiterinnen Sophia Weber (l-) und Dana Nowak mit Rafi Neumann, dem Gesandten von Keren Hayesod Deutschland (2.v.r.) und Rechtsnwalt Norman Nathan Gelbart bei der Übergabe der Torarolle in Herzlija.

84 Jahre nachdem in Deutschland jüdische Bücher verboten und verbrannt wurden, helfen Deutsche mit, heilige jüdische Bücher wieder herzustellen – dank des Torarollenprojektes der israelischen Spendenorganisation „Keren Hayesod“. Auch Christen an der Seite Israels e.V. (CSI) hat sich an der besonderen Aktion beteiligt und war vor Ort, als die heilige Schriftrolle an Überlebende der Schoah übergeben wurde.

Aus dem Amigour-Wohnheim für Holocaust-Überlebende in der israelischen Stadt Herzlija erklingen am Vorabend des 9. November Jubel und fröhliche Gesänge. Jüdische Männer tanzen ausgelassen. Durch ihre Reihen lassen sie eine Torarolle wandern. Verpackt ist diese in einem silberfarbenen Behälter, den die Männer immer wieder küssen. Frauen und nichtjüdische Gäste, wie der deutsche Botschafter Steffen Seibert, schauen dem Freudentanz zu. Besonders ist an diesem Abend Vieles: Die Torarolle wurde komplett von Deutschland aus finanziert – Organisationen, Privatpersonen, Politiker, Prominente, Juden, Christen und Säkulare haben dafür gespendet. Sie alle wollen ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und Holocaust-Überlebenden Trost spenden. Auch Christen an der Seite Israels e.V. (CSI) hat ein Kapitel dieser Torarolle finanziert. Der CSI-Vorsitzende Luca Hezel betrachtet dies als ein Privileg: „Wir sind dankbar dafür, dass wir Kapitel 12 des ersten Mosebuches stiften durften. Darin geht es um den Auftrag Israels, ein Segen für alle Menschen zu sein. Danke an Keren Hayesod für dieses Projekt der Torarolle. Danke, dass wir uns beteiligen durften, um Überlebenden der Schoah ein Zeichen der Verbundenheit und des Trostes zu senden.“

Jüdische Männer tanzen mit der neuen Torarolle im Arm.

Botschafter Seibert: „Unsere Verantwortung wird nie enden“

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, bezeichnete es als große Freude, bei der Übergabe der Torarolle dabei sein zu dürfen. Er sagte in seiner Ansprache: „Ich kann die Tatsache nicht leugnen, dass das Leben für Juden in Deutschland heute immer noch herausfordernd ist. Ich bin beschämt darüber, dass Synagogen und jüdische Schulen in Deutschland Polizeischutz brauchen.“ In Deutschland und weltweit sei ein beunruhigender Anstieg von Antisemitismus zu verzeichnen, der sich vor allem in Hassreden im Internet äußere. „Aber ich sehe auch, dass die öffentliche Wahrnehmung dafür zugenommen hat“, sagte Seibert. Er betonte weiter: „Wir müssen die Fakten über den Holocaust weitergeben, über das unvergleichbare und einzigartige Verbrechen am jüdischen Volk. Und wir müssen die Lehren daraus an jede neue Generation weitergeben, das ist unsere Aufgabe, und diese Verantwortung wird nie enden.“

Deutschland sei dankbar, Israels Freund sein zu dürfen, sagte der Diplomat. Er betonte: „Deutschland steht Schulter an Schulter mit Israel überall da, wo das Recht oder die Möglichkeit des jüdischen Staates, sich selbst zu verteidigen, in Frage gestellt werden.“

Bei der feierlichen Übergabe der Torarolle fügte der Schreiber (r.) zusammen mit ausgewählten Gästen, hier mit Botschafter Steffen Seibert, die letzten Buchstaben der heiligen Schrift hinzu.
Der deutsche Botschafter Steffen Seibert mit den CSI-Mitarbeiterinnen Dana Nowak (l.) und Sophia Weber (r.).

Toraschreiber: Für mich vollendet sich hier ein Zyklus

Fast ein Jahr hat die Fertigstellung der heiligen Schriftrolle in einer Jerusalemer Toraschreiberwerkstatt gedauert. 304.805 Buchstaben hat der jüdische Schreiber mit Federkiel und Tinte auf Pergamentpapier gebracht. Laut der Nachrichtensendung „Tagesthemen“, sei das Schreiben dieser Torarolle für Rabbi Itamar etwas ganz Besonderes gewesen: „Das Wissen, dass aus dieser Torarolle, mit Spenden aus Deutschland, Holocaust-Überlebende lesen werden, die ihre Torarollen in der Schoah verloren haben, das ist für mich die Vollendung eines Zyklus’.“

Mit Feder und Tinte werden die letzten Buchstaben der Torarolle hinzugefügt.

Noch nicht alle Buchstaben verkauft – Aktion läuft weiter

Ins Leben gerufen wurde das Torarollen-Projekt von der israelischen Spendenorganisation „Keren Hayesod“ (KH). Ihr Gesandter in Deutschland, Rafi Heumann, sagte dazu gegenüber CSI: „Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich eine Umfrage gesehen, laut der fast jeder zweite Deutsche noch nie Kontakt zu Juden hatte. Diese Zahl hat mich erschreckt. Das Torarollenprojekt soll jedem deutschen Bürger die Möglichkeit geben, das Judentum kennenzulernen und zu unterstützen, ein Zeichen gegen Antisemitismus und für die deutsch-israelische Freundschaft zu setzen. Wir haben uns bewusst für alle Menschen geöffnet, wir wollten nicht, dass sich die Aktion nur an religiöse Menschen wendet.“ Laut Heumann ist die Aktion in Deutschland bisher einzigartig. Das Besondere daran sei, dass die Mitfinanzierung der Rolle nicht nur Großspendern oder Organisationen angeboten wurde, sondern auch Privatpersonen. „Ein Buchstabe kostet fünf Euro. Jeder hat die Möglichkeit, mindestens einen persönlichen Buchstaben für sich zu erwerben.“ Laut Rafi Heumann läuft die Aktion noch weiter, die Finanzierung der Rolle sei zwar gedeckt, aber noch seien nicht alle Buchstaben verkauft.

Unterstützung für Holocaust-Überlebende und ukrainische Flüchtlinge

CSI-Mitarbeiterin Sophia Weber (2.v.l.) mit Holocaust-Überlebenden des Amigour-Wohnheims. Alle Fotos: CSI

Mit den Spenden aus dem Torarollen-Projekt unterstützt „Keren Hayesod“ Flüchtlinge aus der Ukraine und die Amigour-Wohnheime in Israel. Noch gibt es im jüdischen Staat etwa 160.000 Holocaust-Überlebende. Ein Drittel von ihnen lebt unter der Armutsgrenze. Diese Juden erhalten zwar eine monatliche Zahlung vom israelischen Staat, allerdings reicht das Geld nicht aus, um alle Lebenshaltungskosten zu decken. In den Amigour-Wohnheimen zahlen sie einen symbolischen Mietbetrag von rund 60 Euro. Die Einrichtungen sind außerdem eine gute Lösung gegen Einsamkeit: Die Senioren haben einen Klubraum und treffen sich regelmäßig zu verschiedenen Unternehmungen und Ausflügen.

Weitere Informationen über das Torarollenprojekt finden Sie unter www.tora-rolle.de.

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