Operation „Himmelstüren“: Erste israelische Geiselgruppe verlässt Gazastreifen

Operation „Himmelstüren“: Erste israelische Geiselgruppe verlässt Gazastreifen

Die vierjährige Avigail ist zwar frei, kann aber ihre ermordeten Eltern nie mehr in die Arme schließen
Die vierjährige Avigail ist zwar frei, kann aber ihre ermordeten Eltern nie mehr in die Arme schließen. Foto: privat

Die Hamas hat am Freitagnachmittag 13 israelische Geiseln im Gazastreifen an das Rote Kreuz übergeben. Das verlautete nach 16 Uhr Ortszeit aus arabischen wie aus israelischen Quellen. Damit geht die Umsetzung des diese Woche getroffenen Abkommens zwischen Israel und der Hamas in die nächste Phase.

Das israelische Fernsehen zeigte Livebilder vom Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Kurz nach 17 Uhr verlautete aus anonymer israelischer Quelle, die Geiseln seien in Ägypten angekommen. Gegen 16 Uhr israelischer Zeit hatte überraschend Thailands Premierminister Srettha Thavisin erklärt, dass die Hamas zusätzlich zwölf thailändische Staatsbürger freilasse. Ägypten verbucht das als seinen Verhandlungserfolg.

Regelungen für Empfang der Geiseln

Das Rote Kreuz teilte später mit, dass insgesamt 24 Geiseln freigelassen worden seien. Aus dem katarischen Außenministerium hieß es, dass nicht zwölf Thailänder, sondern zehn Thailänder und ein Filipino zusätzlich zu den 13 Israelis den Gazastreifen verlassen hätten.

Die Aufnahme der israelischen Geiseln läuft in der Armee unter dem operativen Namen „Himmelstüren“ (Daltot Schamajim). Israel hat sich auf diesen Moment intensiv vorbereitet und detaillierte Regelungen für den Empfang der Geiseln getroffen: So sollen Soldaten laut Handreichung des Wohlfahrtsministeriums etwa keine Antworten auf Fragen der Kinder nach ihren womöglich ermordeten Eltern geben.

Die Geiseln sollen per Hubschrauber aus Ägypten nach Israel gebracht werden. In verschiedenen Krankenhäusern treffen sie anschließend auf ihre Familien. Die israelische Armee veröffentlichte am Freitag Bilder eines vorbereiteten Hubschraubers und einer Spielecke für Kinder.

„Nach Hause zurückgekehrt“: Im israelischen Fernsehen werden am Abend die Bilder der befreiten Israelis gezeigt. Foto: Kan 11/Screenshot Israelnetz

Unterdessen haben sich auch die israelischen Gefängnisse auf die Freilassung palästinensischer Häftlinge als Teil des Abkommens zwischen Israel und der Hamas vorbereitet. 39 von ihnen sollten am Freitagnachmittag aus der Haft entlassen werden. Es handelt sich um Frauen und Minderjährige (unter 19 Jahren). In israelischen Medien werden einige mögliche Namen genannt und an deren Taten erinnert, für die sie ins Gefängnis kamen.

Ruhe im Norden wie im Süden

Bereits am Freitagmorgen um 7 Uhr Ortszeit war die als Teil des Abkommens vereinbarte Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft getreten. Zwar heulten eine Viertelstunde später noch einmal Sirenen in zwei grenznahen Ortschaften. Seitdem herrscht aber Ruhe in Israel. Ein Drohnen-Alarm in Eilat erwies sich nach Armeeangaben als Fehlalarm.

Der letzte Alarm im Norden wiederum war am Donnerstagabend ausgelöst worden. Demnach legt offenbar auch die Hisbollah im Libanon eine Pause ein.

Die israelische Armee teilte am Morgen mit, sie habe ihre militärischen Vorbereitungen entlang der Waffenstillstandslinien abgeschlossen. Zuvor hätten die Streitkräfte noch eine Reihe von Tunnelschächten nahe des Schifa-Krankenhauses zerstört. In der Nacht ging die Armee zudem weiter gegen die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad im Westjordanland vor.

Die Streitkräfte erklärten ferner, dass am Freitagmorgen vier Lastwagen mit Treibstoff und vier Lastwagen mit Kochgas über den Rafah-Grenzübergang nach Südgaza gefahren seien. Dies habe als „Teil der Kampfpause“ stattgefunden.

Aus Gaza verlautete am Vormittag auch, dass Menschen versuchten, wieder in den Nordteil der Küstenenklave zurückzukehren. Laut arabischen Berichten setzte die Armee Schusswaffen ein. Ein arabischer Armeesprecher stellte klar, dass der Krieg nicht vorbei und es verboten sei, in den Norden des Gazastreifens zurückzukehren. Israels Verteidigungsminister Joav Gallant (Likud) hatte am Donnerstag erklärt, der Krieg werde im Anschluss an die Waffenruhe „intensiv“ fortgesetzt. Der Sieg müsse vollendet werden. Es seien „mindestens zwei weitere Monate an Kämpfen“ zu erwarten.

Unterschiedliche Meinungen

In Israel wird die Entscheidung der Regierung, sich auf ein Abkommen mit den Hamas-Terroristen einzulassen, heiß diskutiert. Im Kabinett hatten lediglich die Minister der Rechtsaußen-Partei Otzma Jehudit von Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir gegen das Abkommen gestimmt. Selbst der kritische Finanzminister Bezalel Smotritsch, ein politischer Partner Ben-Gvirs, stimmte nach anfänglicher Ablehnung zu.

In der Presse finden sich unterschiedliche Argumentationen für oder gegen das Abkommen, wobei die Diskussionen teils unter Hinzuziehung verschiedener jüdischer Lehrsätze geführt werden. So verwies die Tageszeitung „Jerusalem Post“ am Freitag in ihrem Editorial darauf, dass der Talmud die Auslösung Gefangener (Pidjon Schwujim) als „ein oberstes Gebot“ postuliere. Das Abkommen sei ein „notwendiger erster Schritt“, um alle Geiseln zurückzubringen.

Kritische Anmerkungen finden sich hingegen verstärkt in rechten Medien. So ist auf der Website von „Makor Rischon“, einer Zeitung des religiösen Zionismus, zu lesen: „Indem Netanjahu, Gallant und (Minister Benny) Gantz das Abkommen unterzeichnen, verleihen sie der Hamas wieder den Status eines Partner. So können wir die Welt nicht überzeugen, dass es sich um einen Dämon handelt.“ Über dem Artikel steht die Überschrift: „Ein Deal mit der Hamas: ein Scheitern im Zweiten Unabhängigkeitskrieg Israels“.

Die nun freigelassenen 13 israelischen Geiseln sollen nur die erste Gruppe sein. Insgesamt sieht die Vereinbarung die Entlassung von 50 Geiseln gegen 150 palästinensische Sicherheitsgefangene und eine viertägige Waffenruhe vor. Danach könnten laut Vereinbarung bei fortgesetzter Waffenruhe noch weitere Geiseln freikommen. Es ist unklar, ob die Hamas-Verantwortlichen selbst einen Überblick über alle Geiseln im Gazastreifen haben. Widersprüchliche Angaben existieren auch dazu, ob das Rote Kreuz künftig alle übrig gebliebenen Geiseln besuchen darf. (Israelnetz)

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