Abseits der Touristenpfade: Über eine Israel-Reise der besonderen Art

Abseits der Touristenpfade: Über eine Israel-Reise der besonderen Art

Momente der Schönheit: Sonnenuntergang über dem Mittelmeer bei Netanja. Alle Fotos: privat

Die Jubiläumsreise von Christen an der Seite Israel (CSI) im Juni/Juli 2023 war eine Reise der besonderen Art. Sie führte uns an Orte und in Begegnungen, die mit „normalen“ Israelreisen nicht erreicht werden und die meist nicht den Weg in die deutschen Medien finden – mit erstaunlichen Perspektivwechseln.

Um es gleich vorwegzusagen: Dass Christen an der Seite Israels Reisen dieser Art anbieten kann, hat zwei Gründe, nämlich Markus Neumann und Delly Hezel. Beide sind in Israel weit vernetzt und pflegen zahlreiche Freundschaften. Dies öffnet Türen zu besonderen Menschen und führt zu eindrucksvollen Erfahrungen abseits der bekannten Touristenpfade. Doch der Reihe nach.

Gleich zu Beginn der Reise landen wir an der israelisch-libanesischen Grenze. Wir treffen einen interessanten Mann, nennen wir ihn Jarson. Jarson war Soldat, hat traumatische Erfahrungen hinter sich, die ihn noch immer plagen, war in unserem CSI-Terror-Opfer-Programm und arbeitet heute verdeckt für die Regierung. Jarson ist ein säkularer Jude. Er glaubt schon irgendwie an Gott, aber das prägt ihn nicht. Was ihn prägt, ist die Sorge um Israel und so erläutert er die Gefahren, denen Israel aktuell gegenübersteht, vor allem aus der Terrorhochburg Libanon.

Zwei Tage später: Samaria

Wir lernen Schmuel kennen. Schmuel ist der künftige Leiter der CFOIC (Christian Friends of Israeli Communities). Er trägt Kippa und unter seinem Hemd schauen die Quasten/Schaufäden des Gebetsschals hervor. Schmuel ist orthodoxer Jude. Der Glaube prägt ihn wie nichts anderes, vor allem der Glaube an seine Bibel (unser Altes Testament), also der Glaube an Gottes Wort. Schmuel lebt in einer der sogenannten „Siedlungen“. Sicherheit ist das große Thema: Zäune, Kameras, Sicherheitskräfte. „Wer von euch muss seine Kinder jeden Tag in einen Schulbus setzen, der gepanzert ist?“

Schmuel erklärt, warum die Siedler überhaupt da sind: aus Glaubensgründen. Judäa und Samaria (die sogenannte Westbank) sind biblisches Kernland. Schmuel ist überzeugt, dass dieses Land irgendwann ganz und endgültig zu Israel gehören wird, denn laut der Bibel habe Gott dieses Land für Israel bestimmt. Deshalb ist Schmuel da. Dass diese kleinen Siedlungen in den menschenleeren Weiten des Landes ein Problem sein sollen, leuchtet vor Ort nicht ein. Selbst wenn eines Tages ein Staat Palästina gegründet werden sollte, warum sollten darin nicht ein paar Hundert Juden wohnen? Leben in Israel nicht auch Muslime und Juden Seite an Seite? Die Siedlungen werden erst zum Problem, wenn ein Staat Palästina judenfrei sein müsste. Warum aber sollte er das sein? Uns wird klar: Das Problem sind nicht die Siedlungen, sondern der Hass. Wie hier Frieden entstehen könnte, bleibt eine drängende und leider offene Frage.

Eine typische Szene auf dem Markt.

Natürlich: Jerusalem

Ein großer Schwerpunkt der Reise ist natürlich Jerusalem. Der Start liegt in der Knesset – wir treffen uns mit zwei Abgeordneten. Entgegen deutschen Presseberichten wird betont, dass die Zusammenarbeit in der Knesset gut funktioniert; deutsche beziehungsweise christliche Unterstützung Israels wird wahrgenommen und geschätzt. Es folgen Begegnungen mit den Europa- und Deutschlandverantwortlichen von Keren Hayesod und der Jerusalem Foundation, zwei hochrangige jüdische Organisationen, mit denen CSI eng zusammenarbeitet. Bedeutungsvoll ist eine gemeinsame Erklärung: eine Deklaration, die von der Jewish Agency und Christen an der Seite Israels (Deutschland und Niederlande) verabschiedet wird und gegen Judenfeindschaft jeglicher Art Position bezieht. Natürlich darf in Jerusalem der Besuch des berühmten Markts Mahane Jehuda nicht fehlen und ein abendliches Jazz-Festival zeigt Jerusalem von seiner modernen Seite: entspannt, weltoffen, locker.

Zutiefst berührende Begegnungen

Unvergessen bleibt am folgenden Tag die Begegnung mit Holocaust-Überlebenden und Terror-Opfern. Nicht nur das harte Schicksal, sondern auch der beispielhafte Umgang damit, lässt uns die Tränen in die Augen steigen. Da ist zum Beispiel Noa, die Mutter von Ori. Es ist schon einige Jahre her, aber Noa erzählt, als sei es gestern gewesen: Wie Ori, eine tiefgründige junge Frau, die Gedichte schreibt, eines Tages von einem Spaziergang nicht mehr zurückkommt. Kurze Zeit später wird sie gefunden – ermordet und übel zugerichtet. Noa erzählt von ihrem Schmerz und darüber, dass man in solchen Situationen vor einer Entscheidung steht: sich dem Schmerz zu ergeben oder das Leben zu wählen. Noa hat sich für das Leben entschieden. Deshalb empfängt sie uns und erzählt ihre Geschichte. Dass diese Frau nicht nur ins Leben zurückgefunden hat, sondern trotz des Schmerzes Freude ausstrahlt, lässt uns fassungslos zurück.

Unbegreiflich ist auch die Situation, die wir auf einer Farm in Gush Etzion antreffen. Der Begriff „Farm“ ist zu hoch gegriffen, denn es handelt sich um Wellblechhütten und um ein Ehepaar mit ein paar Kleinkindern. Dieses junge Ehepaar berichtet mit einer kaum zu verstehenden Freude von seinem Alltag, in dem es vor allem eines gibt: Schwierigkeiten. Warum wählen diese Leute dieses Leben in Staub und Dreck? Ihre „Farm“ befindet sich auf israelischem Staatsgebiet. Doch bauen Palästinenser an allen Ecken und Enden illegal und zersiedeln das Land. Dem gebieten jene „Farmer“ Einhalt – mit ihrem Dasein und ihrer Existenz – in der Hoffnung, dass die Politik eines Tages aufwacht und jenes Gebiet selbst verteidigt. Die Augen der Regierenden scheinen indes geschlossen zu sein.

Tobias Krämer packt bei einer Baumpflanzaktion mit an.

Sinnloser Terror

Viel Zeit verbringen wir im Kibbutz Kerem Schalom, der nah an den Grenzen zu Gaza und Ägypten, also in der äußersten südwestlichen Ecke Israels liegt. Der andauernde Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen, der 2014 zu der Operation „Starker Fels“ führte, traf den Kibbutz mit Wucht, ebenso die Terrorattentate mittels Feuerdrachen 2018/19 und jüngst der massive Beschuss im Mai 2023. Juden, die in diesem Kibbutz wohnen, leben mit der Gefahr, Tag für Tag. Schutz bieten eine Betonmauer von etwa acht Metern Höhe und die vielen Bunker, die überall zu sehen und schnell zu erreichen sind.

Leben im Kibbutz – mit Blick auf die Schutzmauer.

Vor Ort wird einem klar, dass die palästinensischen Attacken tatsächlich nicht weniger als Terror sind – und nicht den geringsten Sinn machen. Selbst wenn es den Terroristen gelänge, den Kibbutz dem Erdboden gleichzumachen, würde sich für die Palästinenser nicht das Geringste ändern. Wieder und wieder wird deutlich, wie wichtig es wäre, dass die Welt dem Terror eine klare Absage erteilen und entsprechend handeln würden. Klar muss sein: Terror ist nie eine Option. Unter keinen Umständen. Solange Terror jedoch toleriert oder gar gerechtfertigt wird, wird er nicht enden – und die Lage der Palästinenser wird durch Terror nicht besser, sondern sogar schlechter.

Zum Abschluss reisen wir nach Netanja. Wir wohnen in einem schönen Hotel direkt am Meer. Der freie Tag zum Nachdenken und Verarbeiten tut gut. Ein letzter Höhepunkt ist die Abschlussrunde, in der die Reiseteilnehmer und -teilnehmerinnen von ihren Eindrücken berichten. Die Dankbarkeit und der Reichtum an Erfahrungen, die dabei zum Ausdruck kommen, sind ein großer Schatz, den wir mit nach Hause nehmen. Uns als Leitungsteam wird einmal mehr klar, wie wichtig solche Reisen sind. Da kann man nur sagen: Nächstes Jahr in Jerusalem – die nächste Reise kommt bestimmt …

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