Antisemitismuskonferenz: Persönliche Begegnung als Mittel gegen Antisemitismus

Antisemitismuskonferenz: Persönliche Begegnung als Mittel gegen Antisemitismus

Unter der Moderation von Josias Terschüren (Christen an der Seite Israels, l.) diskutierten (v. l. n. r.) Aras-Nathan Keul (Mitglied des Präsidiums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Politikwissenschaftler), Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und Dr. Michael Blume (Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg) die Frage, ob Antisemitismus einen Platz in Deutschland habe. Foto: Ralph F. Wild

Auf einer Konferenz diskutieren ein Bischof, ein Antisemitismusbeauftragter und ein Mitglied des Präsidiums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft über Judenhass. Sie nennen auch Möglichkeiten, wie Bürger aktiv dagegen vorgehen können.

„Warum konzentrieren wir uns fast ausschließlich auf Israel?“ Diese Frage hat der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl am Sonntagabend bei einer Podiumsdiskussion in Schwäbisch Gmünd aufgeworfen. Er bezog sich damit auf vielgeäußerte Kritik an israelischer Politik und den Umgang mit den Palästinensern.

Die Diskussion war Teil einer Konferenz zum Thema „Antisemitismus heute“. Auch der Beauftragte der baden-württembergischen Landesregierung für Antisemitismus, Michael Blume, beteiligte sich daran. Er sagte ebenfalls, der israelisch-arabische Konflikt nehme in der öffentlichen Debatte deutlich mehr Raum ein als Konflikte in anderen Regionen.

Israel mit Myanmar und Pakistan vergleichen

So hätten etwa Pakistan (14. August 1947), Myanmar (4. Januar 1948) und Israel (14. Mai 1948) im Abstand von wenigen Monaten ihre Unabhängigkeit erklärt, sagte der Politologe. Myanmar sei eine buddhistisch geprägte Militärdiktatur. Sowohl dort als auch im islamischen Pakistan würden Minderheiten wie etwa Christen diskriminiert.

Blume verwies auf die Rohingya, die in großer Zahl aus Myanmar fliehen mussten: „Wenn Kritik sich obsessiv gegen Israel richtet, nicht auf die Anteilnahme für die Rohingya, dann habe ich auch den Eindruck, dass es nicht um die Palästinenser geht.“

Aras-Nathan Keul vom Präsidium der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) kritisierte, dass es vielen gar nicht um eine Verbesserung der Lage der Palästinenser gehe. Denn vielfach werde darüber geschwiegen, dass die palästinensische Bevölkerung in Gaza unter der Hamas leide. Das gelte auch für die Diskriminierung der Palästinenser im Libanon und in anderen arabischen Ländern. Daraus folge für ihn die Annahme: „Es geht den Leuten nicht um die Palästinenser, sondern darum, gegen Israel zu sein.“

Aufenthalte in Israel und Einsätze in Schulen

Doch die Diskussion unter Moderation von Josias Terschüren (Christen an der Seite Israels) blieb nicht bei der Problematik stehen. Die Teilnehmer machten auch Vorschläge, was Menschen dagegen tun könnten. Gohl setzt hier auf persönliche Begegnungen mit Israelis, sie seien das A und O. Wer etwa mit der Aktion Sühnezeichen in Israel gewesen sei, komme völlig anders zurück.

Keul pflichtete dem bei und nannte den Schüleraustausch als gutes Mittel. Deutsche müssten versuchen, zu verstehen, „warum Israel so handelt und wie in Israel gestritten wird“. Das bezog er unter anderem auf die ständige Terrorbedrohung im jüdischen Staat. Wer sich selbst informiere, könne andere informieren.

Blume erzählte von Schuleinsätzen als Antisemitismusbeauftragter. Da bekomme er oft von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu hören: „Wir sind nicht schuld.“ Denn ihre Familien hätten zur Zeit des Nationalsozialismus nicht in Deutschland gelebt. Doch auch andere Schüler pochten darauf, dass sie selbst damals noch nicht geboren waren.

Darauf erwidert er nach eigener Aussage: Es gehe um Verantwortung, nicht um Schuld. Die Herkunft sei egal. Die Beschäftigung mit der Geschichte befähige dazu, aus dieser zu lernen.

Gohl: Gegen „Apartheid“-Vorwurf und Boykottaufrufe

Bischof Gohl rief die Teilnehmer dazu auf, zu widersprechen, wenn sie antisemitische und Israel verunglimpfende Äußerungen hörten – etwa die absurde Behauptung, Israel sei ein „Apartheidstaat“. In Südafrika habe es Busse nur für Weiße gegeben. Eine vergleichbare Trennung sei in Israel nicht bekannt.

Auch gegen Boykottaufrufe wie von der BDS-Bewegung wandte sich Gohl. Auf das Argument, sie seien in Südafrika wirksam gewesen, entgegne er: In Deutschland habe es während des Nationalsozialismus mit Boykott angefangen. Deshalb halte er diese Art von Protest für absolut unangebracht.

Blume sieht eine große Gefahr in der Klima- und Wasserkrise. Verschwörungstheorien wie „Juden manipulieren das Wetter“ seien schon jetzt zu hören. Wenn das Wasser knapp werde, könne die mittelalterliche Anschuldigung der Brunnenvergiftung wieder salonfähig werden. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas (Fatah), hatte diesen 2016 vor dem EU-Parlament geäußert – und nach seiner Rede Applaus von den Abgeordneten erhalten.

Ein weiteres Thema der Podiumsdiskussion war der deutsche Umgang mit dem iranischen Regime. Keul forderte, Deutschland müsse überdenken, ob es mit dem Iran angesichts des Israelhasses weiter so zusammenarbeiten wolle wie bisher.

Bürgermeister: Aufforderung, nicht auf dem Kongress zu sprechen

Landesbischof Gohl hatte zum Auftakt der Konferenz in einem Grußwort betont, Antisemitismus sei Sünde: „Wer Juden hasst, kann nicht Jesus treu sein.“ Dabei bekundete er Ablehnung gegenüber Judenmission.

Der Erste Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Christian Baron (CDU), teilte mit, er sei in einer Mail aufgefordert worden, nicht bei der Konferenz aufzutreten. Danach sei er besonders gern gekommen. Auch andere Referenten hatten eine ähnliche Mail erhalten.

Wie die Diskussionsteilnehmer hält Baron die persönliche Begegnung mit Israelis für unabdingbar. Schwäbisch Gmünd habe deshalb neuerdings eine Partnerschule im nordgaliläischen Kisra-Samia. Ein erster Austausch habe bereits stattgefunden, bei den Verabschiedungen seien auf beiden Seiten Tränen geflossen. Viele Freundschaften seien zwischen den Jugendlichen entstanden: „17 sind jetzt geimpft gegen Antisemitismus. Parolen können diesen 17 nichts mehr anhaben.“ Diese deutschen Schüler hätten nach dem Aufenthalt in Israel Urteile, keine Vorurteile.

Blume: Antisemitismus richtet sich gegen Bildung

Der Antisemitismusbeauftragte Blume nahm in einem Impulsreferat den Begriff „Antisemitismus“ auseinander und befasste sich mit dem Bestandteil „Sem“. Diesen Namen hatte laut Bibel (1. Mose 5,32) einer der drei Söhne Noahs. Nach talmudischer Auffassung gelte er nicht als Gründer einer Rasse oder Sprache. Er war vielmehr der Gründer einer Schule in Alphabetschrift. Antisemitismus richte sich also gegen Bildung.

Es gebe sogar Antisemitismus ohne Juden, führte Blume weiter aus – und nannte als Beispiel den Irak. Der Islamische Staat habe Jesiden als „Zionisten“ beschimpft. Andere hätten wiederum den IS als „zionistische Verschwörung“ gedeutet. „Antisemitismus führt immer ins Verderben“, betonte der Politologe. Er kenne kein Beispiel in der Geschichte, wo Judenhass irgendein Problem gelöst hätte.

Antisemitismus im Internet

Keul sprach in einem Vortrag über das Internet und Soziale Medien. Dort gebe es eine ungefilterte und beinahe grenzenlose Verbreitung von antisemitischem Gedankengut. Oft handele es sich um Codes, die nicht direkt als antisemitisch erkennbar seien.

Bei Jugendlichen beliebt sei der BR-Redakteur Malcolm Uzoma Ohanwe. Er veröffentliche in Sozialen Medien Inhalte, die als antisemitisch interpretiert werden können, wie etwa die Behauptung, Juden wollten immer mehr Ländereien jüdisch machen. Da er jung, cool, hip und mit Migrationshintergrund sei, komme er gut an.

Der DIG-Präside nannte auch Beispiele für irreführende Berichterstattung über Israel in deutschen Medien wie im „Spiegel“, der „taz“ oder der „Tagesschau“. Diese hatte im Juli 2023 getitelt: „Auto fährt in Tel Aviv in Menschenmenge“. Es habe sich aber um kein selbstfahrendes Auto gehandelt. „Ein Terrorist saß hinter dem Lenkrad!“

Die Antisemitismuskonferenz läuft vom 24. bis 26. September im Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd. Veranstalter sind die „Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel“ (amzi), „Christen an der Seite Israels“ (CSI), der „Evangeliumsdienst für Israel“ (edi), die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ), der Schönblick und die Christliche Medieninitiative pro, zu der auch Israelnetz gehört.

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