„Arrow 3“: Dieses israelische Raketenabwehrsystem soll Deutschlands Himmel schützen

„Arrow 3“: Dieses israelische Raketenabwehrsystem soll Deutschlands Himmel schützen

Bei „Arrow 3“ handelt es sich um eine israelisch-amerikanische Co-Produktion. Foto: Israelisches Verteidigungsministerium

Der Bundestag hat eine erste Anzahlung für den israelischen Raketenabwehrschild „Arrow 3“ freigegeben. Wie funktioniert das System, das in Israel noch nie im Ernstfall zum Einsatz kam?

Es ist ein historischer Weg, auf den sich die Bundesrepublik begeben hat: Erstmals will Deutschland ein Raketenabwehrsystem von Israel erwerben. Das Vorhaben ist bereits seit dem vergangenen Jahr im Gespräch. Nun hat der Haushaltsausschuss des Bundestages eine erste Anzahlung von 560 Millionen Euro freigegeben, damit der Bau beginnen kann. Die Unterzeichnung eines Vertrags steht noch aus.

Konkret geht es um das sogenannte „Arrow 3“-System (hebräisch: Chetz 3; deutsch: Pfeil 3). Es soll Teil des im Oktober 2022 von 15 NATO-Staaten auf den Weg gebrachten Vorhabens einer vielschichtigen europäischen Luftverteidigung („European Sky Shield Initiative“) werden und dabei andere Systeme wie die Patriot-Abwehrraketen ergänzen. Der Erwerb ist eine Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine. Das Verteidigungsministerium strebt an, bis Ende 2025 eine „operationelle Anfangsbefähigung“ mit „Arrow 3“ zu erreichen.

Kein „Iron Dome“

Worum handelt es sich bei dem System? Auch wenn manche Schlagzeilen zu diesem Fehlschluss verleiten, ist „Arrow 3“ nicht gleichzusetzen mit dem bekannteren, ebenfalls israelischen „Iron Dome“ (Eisenkuppel). Zwar soll auch „Arrow 3“ dazu beitragen, eine umgangssprachliche Eisenkuppel über Deutschland und Europa aufzuspannen; im eigentlichen Sinne handelt es sich beim „Iron Dome“ aber um ein eigenes Abwehrsystem, das für Deutschland derzeit nicht relevant ist.

Die israelische Luftabwehr besteht aus mehreren Schichten: Der „Iron Dome“ bildet in diesem System eine untere Schicht, da er sich insbesondere für die Abwehr von Kurzstreckengeschossen eignet; in der Praxis sind das aktuell meist Raketen und Mörsergranaten, die aus dem Gazastreifen abgeschossen werden. Im Gegensatz dazu bildet „Arrow 3“ die oberste Schicht der Luftverteidigung: Es ist insbesondere für den Abschuss von mittelweit und weit fliegenden Raketen konzipiert. Gerade hier hat Deutschland bei sich eine Lücke in der Luftverteidigung ausgemacht.

„Arrow 3“ ist der neueste Teil einer Reihe von „Arrow“-Systemen, die seit den 1980er Jahren entwickelt wurden. In Israel wird das System insbesondere von Israel Aerospace Industries gebaut, aus den USA ist Boeing involviert. Die Vereinigten Staaten haben zudem viel Geld in das System gepumpt. Das bedeutet zugleich: Washington muss zustimmen, damit die Bundesrepublik das System erwerben kann. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte am Mittwoch, er glaube, „dass alles genehmigt wird“.

Zerstörung durch Kollision

Das gesamte „Arrow 3“-System besteht im Grundsatz aus drei Elementen: einem Kontrollzentrum, einem Radar und einer mobilen Raketenabschussvorrichtung, auf der mehrere Raketen in zylinderförmige Abschusskanister eingeführt werden. Nachdem das Radar eine feindliche Rakete identifiziert hat, startet die Rakete in vertikaler Richtung aus dem Kanister heraus.

Die Rakete selbst besteht in vereinfachter Darstellung aus dem Raketenrumpf und einem Gefechtskopf („kill vehicle“). Wenn sich die Rakete dem feindlichen Objekt nähert, löst sich der Gefechtskopf vom Rumpf und steuert alleine auf das Ziel zu. Dabei kann er seine Richtung noch mit hoher Geschwindigkeit ändern. Der Abschuss des gegnerischen Objekts erfolgt schließlich durch den Zusammenprall mit hoher Geschwindigkeit („hit to kill“).

Abschuss außerhalb der Atmosphäre

Ein Vorteil von „Arrow 3“ besteht in der weiten Strecke, die die Rakete zurücklegen kann: rund 2.400 Kilometer. Dies entspricht der Reichweite einer Mittelstreckenrakete. Zudem ist es das Ziel von „Arrow 3“, feindliche Geschosse außerhalb der Atmosphäre abzuschießen. Dies ist vor allem bei unkonventionellen Waffen, also etwa biologisch oder chemisch bestückten Sprengköpfen, sinnvoll: So sollen gefährliche Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung am Boden verhindert werden.

Anders als der hundertfach eingesetzte „Iron Dome“ ist von „Arrow 3“ bislang nicht bekannt, dass es bereits in einer echten Gefahrensituation zur Anwendung kam. Es hat allerdings mehrere Tests bestanden und gilt in Israel seit 2017 als einsatzbereit. Israel hat das System bislang an kein einziges Land verkauft. 2021 gaben die USA und Israel bekannt, bereits an einem neuen „Arrow 4“-System zu arbeiten.

Große Aufmerksamkeit in Israel

In Israel haben zahlreiche Medien über die deutschen Absichten zum Erwerb des „Arrow 3“ berichtet. Außenminister Eli Cohen (Likud) erklärte, das System sei „ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit Deutschlands und Europas“; die deutsche Entscheidung stelle eine „Verbesserung der strategischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland“ dar und werde die israelische Wirtschaft stärken.

Die israelische Nachrichtenseite „Walla“ titelte jüngst, es würde sich womöglich um den „größten Waffendeal in der Geschichte des Staates“ handeln. Sollte die Bundesregierung tatsächlich rund 4 Milliarden Euro für das System ausgeben – so derzeit kursierende Annahmen – entspräche dies beinahe dem Jahresumsatz von Israel Aerospace Industries, erläuterte „Walla“ weiter.

Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) hatte zudem bereits im März die symbolische Dimension des Vorhabens hervorgehoben: „Im Holocaust waren die Juden gegenüber Nazi-Deutschland wehrlos. 80 Jahre später versucht Deutschland, Verteidigungssysteme des jüdischen Staates zu erwerben.“ Allerdings handelt es sich bei „Arrow 3“ bei Weitem nicht um das erste militärische System aus Israel, das in Deutschland zum Einsatz kommt: Zu den bekannteren, bereits genutzten Systemen aus Israel gehören insbesondere durch die Bundeswehr geleaste Heron-Drohnen. (Israelnetz/Sandro Serafin)

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