Neustart in einem religiösen Kibbutz: Von Russland auf den Berg Gilboa

Neustart in einem religiösen Kibbutz: Von Russland auf den Berg Gilboa

Die Einwanderung nach Israel mit der Hilfe von First Home in the Homeland war für Anton und Irina mit ihren Töchtern wie ein Glückslos. Foto: privat

Von Anja Weippert und First Home in the Homeland

Wenn Juden in aller Welt von Alijah sprechen, dann klingt dabei das Wort „Aufsteigen“ an. Sie sagen nicht, dass sie nach Israel kommen oder dorthin ziehen – „Alijah machen“ bedeutet wörtlich, in das Land Israel aufzusteigen. Einen besonderen Aufstieg erlebte eine Familie im Rahmen des Programms First Home in the Homeland. Es wurde von der israelischen Einwanderungsorganisation Jewish Agency ins Leben gerufen und wird von Christen an der Seite Israels unterstützt.

Wer im Rahmen des Einwanderungsprogramms dem Kibbutz Ma’ale Gilboa zugeteilt wird, erlebt seine Alijah buchstäblich als Aufstieg: Die Siedlung befindet sich auf dem Gipfel des Berges Gilboa im Norden des Landes und man muss ihn besteigen, um diesen Ort zu erreichen. Der hebräische Name Ma’ale Gilboa bedeutet übersetzt denn auch so viel wie „Gilboa-Aufstieg“.

Dieser religiöse Kibbutz trat dem Programm First Home in the Homeland im Jahr 2022 bei. Für die Mitarbeiter bedeutete dies eine besondere Herausforderung: Nämlich drei Familien zu finden, um sie in einem religiösen Umfeld unterzubringen, in dem es nicht erlaubt ist, am Schabbat zu grillen oder mit dem Auto durch den Kibbutz zu fahren. Natürlich haben viele Neueinwanderer schon vorher jüdische Traditionen gepflegt und jüdische Feiertage gefeiert, aber sie haben noch keine Erfahrungen mit dem Leben in einem religiösen Kibbuz gemacht.

Von Russland auf den Berg Gilboa

Eine der Familien, die auf den Berg Gilboa „aufgestiegen“ ist, ist die von Anton und Irina aus Russland. Sie machten Alija mit ihren beiden Kindern und schlossen sich dem Regionalverband von Emek Hamaayanot an. Anton hat einen Doktortitel und war früher als Journalist und Universitätsprofessor tätig. Irina arbeitete als Journalistin und als Kuratorin für Ausstellungsprojekte. Ihre beiden Töchter besuchten das Gymnasium.

Wer den Kibbutz Ma’ale Gilboa erreichen will, muss sich auf den Weg zum Gipfel des Mount Gilboa im Norden Israels machen. Foto: Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

„Wir haben in diesem Frühjahr Alija gemacht,“ berichten Anton und Irina. „Ehrlich gesagt haben wir ein Glückslos gezogen, als wir uns für das Programm First Home in the Homeland beworben haben. Wir sind an einem wunderbaren Ort gelandet und haben dort wunderbare Menschen getroffen. Es war sehr symbolträchtig, das neue Leben im Kibbutz mit einem so vielsagenden Namen zu beginnen!

Vom ersten Tag an wurden wir von den freundlichen Bewohnern mit Fürsorge und Aufmerksamkeit umgeben. Unsere Koordinatoren waren rund um die Uhr mit uns in Kontakt. Sie halfen uns nicht nur, unseren Ulpan (intensiver Hebräisch-Kurs für Neueinwanderer) erfolgreich abzuschließen, sondern auch einige Bildungsprojekte zu entwickeln. Anton hat fünfmal an Expeditionen teilgenommen und dabei den Südpol, den Nordpol und die Antarktis besucht. Anton teilte diese Erfahrung mit Kindern aus der örtlichen Schule. Viele von ihnen hatten noch nie zuvor Schnee gesehen.

Außerdem haben wir eine rührende Ausstellung von Kinderzeichnungen für Einheimische und Olim (jüdische Einwanderer nach Israel) organisiert, die direkt an der Wand unseres Wohnwagens aufgehängt wurden. Jemand hat eine Mutter gezeichnet. Jemand anderes ein Einhorn, während wieder ein anderer Tscheburaschka malte, die beliebteste Zeichentrickfigur der Kinder aus der Zeit der Sowjetunion. Wir hoffen, dass sich andere Kibbutzim in dieser Region oder in Israel dem Projekt anschließen werden. Wir sind gerne bereit, unsere Erfahrungen bei der Organisation der Galerie weiterzugeben. Und wir setzen unseren Aufstieg fort, auf der Suche nach neuen Freunden, um all unsere kreativen Ideen zu verwirklichen! Vielen Dank für unsere sanfte Landung hier!“

Anton und Irina haben eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen an ihrem Caravan initiiert. Foto: privat

Die symbolträchtige Rückkehr einer Zeichentrickfigur

Eine besondere Geschichte verbirgt sich hinter der von einem Kind gemalten Zeichentrickfigur. Die Fernsehserie über Tscheburaschka ist von einem jüdischen Team aus der Sowjetunion geschaffen worden, welches alle Angehörigen im Zweiten Weltkrieg verloren hatte. Außerdem wurde Tscheburaschka der Legende nach in einer Kiste mit Orangen in die Sowjetunion geliefert, während Israel damals der Hauptlieferant dieser Frucht war. Und nun, viele Jahre später, haben ihn die Kinder der Olim an der Wand des Wohnwagens in dem kleinen Kibbutz im Norden Israels abgebildet. Es ist ein wenig so, als ob er selbst in sein Heimatland zurückgekehrt wäre.

Die Mitarbeiter von First Home in the Homeland hat diese Geschichte berührt: „Wenn wir mit einem Zufall wie diesem konfrontiert werden, wird uns klar, dass nichts zufällig geschieht. Alle Juden auf der ganzen Welt sind eng mit ihren Wurzeln verbunden und wir hoffen, dass einmal alle von ihnen ins Gelobte Land aufsteigen werden, um ein neues Leben zu beginnen.“

Teilen:

Drucken:

Print Friendly, PDF & Email

Informiert bleiben.

Weitere Artikel

24. Apr. 2024
Auch im Jahr 2023 sind wieder Menschen aus allen Teilen der Welt nach Israel eingewandert. Sie alle ...
19. Apr. 2024
Trauer, Schmerz, Sorge, dazu das Gefühl im eigenen Land nicht mehr sicher zu sein – das ist ...
12. Apr. 2024
Georg Loewenstein hat den Holocaust in einem Land überlebt, das zu dieser Zeit viele nur von Postkarten ...
Ausgabe 128 | 2. Quartal 2024
05. Apr. 2024
Seit Wochen ist unser ukrainisches CSI-Team unter Leitung von Koen Carlier vor allem in der Ost- und ...
02. Apr. 2024
Am 24. Februar hat sich der russische Überfall auf die Ukraine zum zweiten Mal gejährt. 730 Tage ...

Suche

Informiert bleiben

Name*
Datenschutz*