Israels Walt Disney: Eine Geschichte von Wundern und Glück in dunklen Zeiten

Israels Walt Disney: Eine Geschichte von Wundern und Glück in dunklen Zeiten

Eingang zum Museum: Das Joseph-Bau-House befindet sich in der Berdichevsky-Straße 9 in Tel Aviv. Foto: privat

Ein kleines Museum in Tel Aviv erzählt die spannende Geschichte des Mannes der als Israels Walt Disney gilt: Joseph Bau. Mithilfe von Oskar Schindler überlebte Bau den Holocaust. Zeit seines Lebens war es ihm ein Anliegen, Menschen zum Lachen zu bringen. Erst nach seinem Tod wurde bekannt, dass Bau ein Geheimnis hatte und für den Staat Israel viel mehr war als „nur“ ein Künstler.

„Unser Vater wollte immer Menschen glücklich machen“, erzählt Hadasa, die älteste Tochter von Joseph Bau, gegenüber der Tageszeitung „Jerusalem Post“. Zu Hause habe es immer viel Vergnügen gegeben. Der Vater habe seinen beiden Töchtern beigebracht, eine Geschichte oder Witze zu erzählen, Lieder zu schreiben und zu singen. Seinen Töchtern sagte der Künstler: „Wenn Eure Mutter und ich in der dunkelsten Zeit glücklich waren, kann jeder von uns die Bedeutung von Glück und Liebe lernen.“

Joseph Bau wurde am 13. Juni 1920 im polnischen Krakau geboren. Als junger Mann begann er in der Stadt eine Ausbildung zum Grafiker an der Akademie der bildenden Künste. Durch den Zweiten Weltkrieg wurde die Ausbildung jedoch unterbrochen. Bau wurde 1942 aus dem Krakauer Ghetto in das Konzentrationslager Płaszów verlegt.

Da er ein Talent für gotische Schrift besaß, wurde er von den Deutschen im Lager beauftragt, Schilder und Karten herzustellen. Heimlich fälschte er zudem Dokumente, um Menschen die Flucht aus dem Lager zu ermöglichen.

Während der Haft verliebte sich Joseph Bau in die Jüdin Rebecca Tennenbaum. Obwohl dies durch die Nazis verboten war, heirateten die beiden heimlich in der Frauenbaracke von Płaszów. Zuvor hatte Bau mehrere Tage seine Brotrationen gegen einen winzigen silbernen Löffel getauscht. Aus diesem formte er zwei Ringe. Als Frau verkleidet schlich er sich schließlich am 13. Februar 1944 in Rebeccas Baracke. Die Heirat wurde in Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ thematisiert. Joseph und Rebecca Bau selbst sind am Ende des Films zu sehen, wie sie einen Stein auf Oskar Schindlers Grab in Jerusalem legen.

Rettung durch Oskar Schindler

Bau wurde später in das Konzentrationslager Groß-Rosen verlegt. Dank des Einsatzes seiner Frau – von dem er erst Jahre später erfuhr – kam er in das Lager von Oskar Schindler. Dort überlebte er den Krieg. Rebecca wurde nach Auschwitz gebracht.

Nach Kriegsende kehrte Joseph Bau nach Krakau zurück und machte sich auf die Suche nach seiner Familie. Den Mord an seinem Vater hatte er miterlebt. Seine Mutter starb kurz nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Bei der Suche nach seiner Frau entkam Bau knapp dem Tod: Er verpasste einen Zug, der wenig später von einer hohen Brücke stürzte. Alle Insassen kamen ums Leben.

Während Bau auf dem Bahnhof auf den nächsten Zug wartete wurde er von einer Frau beschuldigt, ein entkommener Nazi in Lagerkleidung zu sein. Er wurde verhaftet und auf die Polizeiwache gebracht. Dort konnte er beweisen, dass er ein Überlebender war. Er erzählte dem Polizisten von der Suche nach seiner Frau. Dieser hatte von einem verunfallten Pferdewagen gehört, mit dem weibliche Überlebende aus Auschwitz unterwegs gewesen waren. Bau machte sich daraufhin auf den Weg ins Krankenhaus und fand dort tatsächlich seine Rebecca. Die beiden kehrten nach Krakau zurück und heiraten 1946 noch einmal, nun ganz offiziell.

Joseph und Rebecca Bau bei ihrer „zweiten“ Hochzeit 1946. Foto: privat

Später beendete Bau sein Studium und wanderte 1950 mit seiner Frau und Tochter Hadasa nach Israel aus. Dort wurde dem Paar Tochter Clila geboren.

In Israel arbeitete Bau zunächst als Grafiker für die Regierung. 1956 eröffnete er in Tel Aviv sein eigenes Atelier. Unter anderem entwarf er mehrere international anerkannte hebräische Schriften, die Israels frühe Animationen, Filme und Werbespots charakterisierten. Zudem schrieb er mehrere Bücher und verfasste Gedichte.

Fälscher für den Mossad

In der israelischen Presse war von Bau als „Israels Walt Disney“ die Rede. Seine Gemälde und Zeichnungen wurden von dem US-amerikanischen Auktionshaus Sotheby’s als bedeutende Beiträge zur Kunst über den Holocaust aufgeführt. Als 2007 in den Hallen der Vereinten Nationen in New York Werke von ihm ausgestellt wurden, war er der erste Israeli, dem diese Ehre zuteil wurde. Erst nach seinem Tod wurde bekannt, dass Bau auch als Fälscher für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad und den Inlandsgeheimdienst Schabak gearbeitet hat.

In zahlreichen Werken thematisierte Joseph Bau den Holocaust. Zu diesem Bild schrieb er: „Der Eingang erfolgte durch das Tor und der einzige Ausgang durch den Schornstein.“ Foto: privat

Sie hätten ihren Vater immer für einen ruhigen, einfachen Mann gehalten, so die Töchter laut „Jerusalem Post“. Doch dann hätten sie erfahren, dass er für den Mossad tätig war und unter anderem Dokumente für den israelischen Spion Eli Cohen in Syrien gefälscht habe. Auch die Pässe und Dokumente, die die israelischen Spione für die Festnahme von Adolf Eichmann in Argentinien benötigten, stammten aus der Feder von Joseph Bau.

„Wenn Spielberg den ganzen Horror der Realität gezeigt hätte, wäre niemand in der Lage gewesen, den Film anzusehen.“

Mit Oskar Schindler verband Bau bis zu dessen Tod 1974 eine enge Freundschaft. Als 1994 der Film „Schindlers Liste“ erstmals in Israel gezeigt wurde, war auch das Ehepaar Bau anwesend. Die Töchter Clila und Hadasa waren besorgt. „Wir wollten nicht, dass unsere Eltern den Film sehen. Aber sie glaubten, es sei ihre Pflicht, um die jüdischen Märtyrer zu ehren“, erzählte Clila der „Jerusalem Post“. „Wir saßen an ihrer Seite, um ihnen nah zu sein. Als es zu Ende war fragten wir unseren Vater: ‚War es so schlimm?‘. Und er sagte: ,Nein, es war zehn Mal schlimmer. Wenn Spielberg den ganzen Horror der Realität gezeigt hätte, wäre niemand in der Lage gewesen, den Film anzusehen.‘“

Rebecca Bau verstarb 1997. Ihr Ehemann Joseph starb am 24. Mai 2002 in Tel Aviv im Alter von 81 Jahren an einer Lungenentzündung. Nach seinem Tod verwandelten die Töchter Hadasa und Clila das kleine Atelier ihres Vaters in das Museum „Joseph Bau House“. Die Ausstellungsräume sind übervoll mit Zeichnungen, Gemälden, Fotografien, Büchern und animierten Filmen des Künstlers. „Vater hat gesagt, wir sollen das Studio in ein Theater verwandeln. Heute ist es beides, ein Museum und eine Bühne“, sagten die Töchter. Die, so heißt es auf der Homepage des Museums, die faszinierenden Geschichten ihrer Eltern „mit Humor und einem Lächeln erzählen“.

Mit „Christen an der Seite Israels“ durch die Krise

Die Corona-Pandemie hat das kleine Museum in eine finanzielle Krise gestürzt. „Wenn es keine Besucher gibt, gibt es keine Einnahmen, aber die Ausgaben laufen weiter“, so Hadasa und Clila. Während der Krise war die Einrichtung auf Spenden angewiesen. Auch „Christen an der Seite Israels“ (CSI) hat das Museum in dieser Zeit unterstützt. „Wir sind sehr dankbar für die großzügige Spende, die CSI uns gegeben hat. Das hat uns sehr geholfen, weil wir befürchtet hatten, dieses einzigartige und besondere Museum schließen zu müssen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die Corona-Krise so lange anhält, daher mussten wir viele Schulden machen“, so Clila und Hadasa gegenüber „Christen an der Seite Israels“.

Die Schwestern Clila und Hadasa stecken viel Herzblut in das Joseph-Bau-House, das die Lebensgeschichte ihres Vaters erzählt. Foto: privat

Nun, da in Israel das öffentliche Leben langsam wieder zur Normalität zurückkehrt, hoffen auch die beiden Frauen wieder auf regen Besuch in ihrem Museum. Doch die kleine Einrichtung steht schon vor einer neuen Herausforderung: Das Gebäude, in dem sich das Museum befindet, soll bald abgerissen werden. „Wir haben nicht das Geld, um das Museum an einen anderen Ort zu verlegen. Wir sind sehr verärgert und haben Angst vor dem, was passieren wird“, erzählen die beiden Schwestern.

Weitere Informationen unter www.josephbau.com.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 125. Sie können die Zeitung hier kostenlos und unverbindlich bestellen: https://csi-aktuell.de/israelaktuell. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen oder Weitergeben zu.

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