Von Koen Carlier und Anemone Rüger
Seit Wochen ist unser ukrainisches CSI-Team unter Leitung von Koen Carlier vor allem in der Ost- und Südostukraine unterwegs, um Tausende von Lebensmittelpaketen in den jüdischen Gemeinden zu verteilen. Die so dringend benötigte praktische Hilfe geht jetzt mehr denn je einher mit einem dringenden Appell dafür zu sorgen, dass alle wichtigen Papiere gültig und griffbereit sind – für den Notfall.
„Die Raketen- und Drohnenangriffe haben in letzter Zeit stark zugenommen“, berichtet Carlier. „Spätestens jetzt wird den Menschen klar, dass unsere eindringlichen Ermahnungen keine leeren Worte sind. Gerade in Odessa hat es in letzter Zeit heftige Angriffe gegeben. Bisher war Odessa Zufluchtsort für zehntausende Flüchtlinge aus den östlicher gelegenen Schwarzmeerstädten. Aber inzwischen wird die Stadt fast täglich von Raketen und Drohnen getroffen. Am vergangenen Freitag sind kurz hintereinander zwei Raketen in demselben Wohngebiet explodiert. Es gab 20 Tote und mehr als 80 Verletzte – darunter etliche Einsatzkräfte und ein Arzt, die den Verletzten nach dem ersten Angriff zu Hilfe geeilt waren. Wir waren zu dem Zeitpunkt mit unserem Team gerade dabei, in der Synagoge eine neue Ladung von Lebensmittelpaketen auszuladen.“
Krivoi Rog, eine ausgedehnte Industriestadt, wurde vergangenen Woche ebenfalls durch schwere Raketenangriffe auf drei große Wohnhäuser erschüttert. „Diesen Angriff haben wir auch direkt mitbekommen“, so Carlier. „Wir hatten gerade den örtlichen Rabbiner getroffen. Dann haben wir plötzlich ganz in der Nähe mehrere Explosionen nacheinander gehört. Wir waren wie erstarrt vor Schreck. Später haben wir die enorme Verwüstung gesehen – und die Verzweiflung in den Gesichtern der Menschen.“
Es ist kein Zufall, dass diese Stadt regelmäßig angegriffen wird; der derzeitige Präsident Selenskyj ist hier geboren und aufgewachsen. Im Alter von 14 Jahren hatte er sich um ein Alijah-Studienprogramm in Israel beworben, doch sein Vater weigerte sich, ihn gehen zu lassen. Es bleibt ein russisches Roulette: Man weiß nie, wo und wann die Raketen und Drohnen zuschlagen, auch wenn man durch Luftalarm gewarnt wird.
„Wir sind trotzdem mehrere Tage in Krivoi Rog geblieben“, berichtet Carlier. „Wir wollten die 400 Lebensmittelpakete persönlich verteilen. Wir hatten überall auch unsere Broschüren beigelegt, die erklären, welche Hilfe wir anbieten. Die Begegnung mit Tanja war besonders eindrücklich. Sie war gerade dabei, einer Schülerin Nachhilfe in Mathematik zu geben, als in ihrem Wohnblock eine Rakete einschlug. Sie hat die Schreie der Schwerverletzten gehört und fühlte sich wie in einem Albtraum. Tanja ist selbst nicht verletzt worden, aber sie hat ihre Wohnung verloren und sie ist in ihrer Seele gezeichnet. Da sie nicht in ihre Wohnung zurückkehren kann, lebt sie nun mit ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und zwei kleinen Enkelkindern in einer kleinen Wohnung.
Für Tanja war es wichtig, über ihr traumatisches Erlebnis in der Synagoge zu berichten. Glücklicherweise sind alle ihre Dokumente unversehrt. Wir haben auch Eduard kennengelernt, der eigentlich Lejb heißt. Er unterrichtet den Tenach – die Torah und die Propheten – und leitet die Gemeinde seit Ausbruch der Kriege in der Ukraine und in Israel anhand der Psalmen von König David zum Gebet an.“
Ziel des Dienstes in den ukrainisch-jüdischen Gemeinden ist es nicht nur Trost zu spenden, sondern auch praktische Hilfe zu leisten, zum Beispiel durch die Unterstützung von Suppenküchen und die Verteilung von Lebensmittelpaketen. „Die Menschen stehen manchmal schon Stunden im Voraus Schlange, weil sie Angst haben, dass es nicht reicht; vor allem ältere Menschen, die die Sowjetunion erlebt haben“, so Carlier.
Allein in Odessa hat die Synagoge eine Liste mit mehr als 2000 älteren Juden, die für ein Lebensmittelpaket in Frage kommen. Die Pakete werden in Gruppen von 50 Personen ausgegeben, und dort erhält jeder – falls gewünscht – auch praktische Informationen über Möglichkeit der Einwanderung nach Israel sowie für einen Termin mit dem israelischen Konsul. In den nächsten Wochen möchte unser Team auch in der Nähe der Kriegsfront Lebensmittel verteilen, solange es geht: In Städten wie Sumy und Tschernigow im Norden, Charkow im Osten, Saporoschje, Cherson und Nikolajew im Süden.
In den kommenden Monaten werden über 10.000 weitere Lebensmittelpakete benötigt. Lassen Sie uns helfen, solange wir noch können! Ein Lebensmittelpaket kostet 15 Euro. Jeder Beitrag ist willkommen.
Zuerst erschienen auf www.christenenvoorisrael.nl