Römer 9 – 11 im Schnelldurchlauf (Teil 3): Ganz Israel wird gerettet werden

Römer 9 – 11 im Schnelldurchlauf (Teil 3): Ganz Israel wird gerettet werden

Der Ölberg in Jerusalem: Juden erwarten hier das Kommen des Messias, Christen die Wiederkunft Jesu. Foto: Gershon Elinson | Flash90

Von Pastor Tobias Krämer

Römer 9 beginnt mit einem Schmerz des Paulus. Paulus leidet daran, dass so viele seiner Judengenossen nichts vom Messias Jesus und vom Evangelium wissen wollen. An diesem Thema arbeitet sich Paulus ab. In akribischer Bibelarbeit zeigt er auf, dass es schon immer so war: ein Teil der Juden ist mit Gott unterwegs, ein anderer nicht. Nun ist es wieder so: einige Juden haben Zugang zum Evangelium bekommen, andere nicht. Gott hat damit einen Plan. Er lässt das Evangelium zu den Völkern laufen, um sein Volk Israel eifersüchtig zu machen. Am Ende wird ganz Israel gerettet werden (Römer 11,26). Was für eine Verheißung!

Das Koordinatensystem biblischer Israellehre: Römer 11,28

In Römer 10 hält Paulus kurz inne, doch so weit sind wir noch nicht. Paulus schwenkt nochmals zurück in seine Zeit. Und was damals galt, gilt heute immer noch. Paulus formuliert den Status quo seines Volkes in Römer 11,28 mit knappen Worten. Dieser Vers kann als eine Art „Israelformel“ gelten, denn dort laufen alle Israellinien der Bibel zusammen. Römer 11,28 ist streng symmetrisch aufgebaut und besteht aus zwei Hälften, die einander gegenüberstehen:

Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde um euretwillen – hinsichtlich der Erwählung aber sind sie Geliebte um der Väter willen.

Wer über Israel nachdenkt, muss dies aus zwei Perspektiven tun: aus der Evangeliums- und der Erwählungsperspektive. Beide Perspektiven führen zu unterschiedlichen Resultaten. In der Evangeliumsperspektive sind die Juden Feinde. Denn die meisten wollen das Evangelium nicht haben und lehnen Jesus ab. In der Erwählungsperspektive sind und bleiben sie aber Geliebte: das Volk, das Gott sich als Eigentumsvolk erwählt hat (vgl. 5. Mose 7,6-8). Daran hat sich nichts geändert. Daran wird klar, wie Gott zu Israel steht: Gott liebt sein Volk von ganzem Herzen. Obwohl Israel Nein zum Evangelium gesagt hat. In Gottes Herz ist nur Liebe. Keine Ablehnung, kein Hass, kein Überdruss, keine Gleichgültigkeit. Wenn Gott Israel von ganzem Herzen liebt, was sollten dann wir Christen tun? Richtig, genau dasselbe.

Zur dritten Zeile des Verses: Die Feindschaft dem Evangelium gegenüber hat dazu geführt, dass das Evangelium zu den Völkern kam („um euretwillen“). Gott benutzt Israels Nein also, um die Völker zu erreichen (28a). Dahinter steht seine Liebe zu den Völkern. Seine Liebe zu Israel erhält Gott aber ebenso aufrecht. Sie hat ihren Hintergrund in Abraham, Isaak und Jakob („um der Väter willen“). Ihnen hat Gott ja versprochen, dass Israel (ihre Nachkommen) sein geliebtes und erwähltes Volk sein wird (28b). Das heißt: Die Juden sind Geliebte und Feinde zugleich.

Wie wird sich dieses Spannungsfeld auflösen? An dieser Stelle ist es wichtig zu beachten, wie beide Vershälften miteinander verbunden sind. Paulus gebraucht hier eine Zwar-aber-Konstruktion: Die Juden sind zwar Feinde, aber noch immer Gottes geliebtes Volk. Welche Seite wiegt in solch einer Konstruktion schwerer? Richtig, die Aber-Aussage. Das heißt: Gottes Erwählung ist gewichtiger als Israels Nein zum Evangelium und wird sich am Ende durchsetzen. Gott wird dieses Nein in den Herzen seines Volkes eines Tages auflösen und dafür sorgen, dass Israel ja sagt. Ja zum Messias Jesus. Israel und sein Messias werden zusammenfinden. Dann wird ganz Israel gerettet werden und mit der Gemeinde Jesu zusammen ins Reich Gottes kommen. Und dieses Reich wird niemals vergehen. All das kommt nicht überraschend. Wenn Jesus wirklich der Messias ist, dann muss er auch kommen und Israel erlösen. Genau davon geht Paulus in Römer 11 aus. Der christliche Glaube hat somit eine wichtige Bewährungsprobe noch nicht bestanden. Denn dass Jesus wirklich der Messias ist, wird erst erwiesen sein, wenn er Israel erlöst hat. Auch deshalb beten wir: Maranatha – komm, Herr Jesus!

Israel und Jesus: Eine Beziehungsgeschichte der besonderen Art

Das Evangelium ist nicht nur eine gute Botschaft. Hinter dem Evangelium steht Jesus, von dem das Neue Testament sagt, er sei der Messias. Hinter dem Messias wiederum steht die Beziehung zwischen Gott und Israel. Jesus war exklusiv zu Israel gesandt. Das sagt er in Matthäus 15,24 selbst: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Weil Jesus nach dem Neuen Testament der Messias ist, hat Israel es seit 2.000 Jahren mit ihm zu tun. Ohne es zu bemerken. Ich nenne einige Stationen:

  • Israel war der Ursprung des Evangeliums. Aus Israel kommt der Messias (Römer 9,5). In Israel ist das Evangelium von ihm entstanden und niedergeschrieben worden (Neues Testament).
  • Israel war der Erstadressat des Evangeliums: den Juden zuerst… (Apostelgeschichte 3,26; Römer 1,16; 10,16-18) und so waren die ersten Jesusgläubigen Juden.
  • Israel ist der Verkündiger des Evangeliums, denn von Israel aus kam es durch messianische Juden zu den Völkern (Römer 11,13).
  • Israel ist das Sprungbrett des Evangeliums, denn Gott nutzte das Nein Israels, um das Evangelium in der weiten Welt zu verbreiten (Apostelgeschichte 13,46; Römer 11,11).

Israel hält die Tür offen: Das Nein zu Jesus besteht im jüdischen Volk so lange, „bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist“ (Römer 11,25).

Deshalb ist Israel auch der Letztadressat des Evangeliums. Der letzte Mensch, den die Rettung erreicht, wird ein Jude sein. Dann wird ganz Israel gerettet sein (Römer 11,26).

Seltsam ist, dass die meisten Juden von all dem nichts mitbekommen. Viele wissen gar nicht, wie eng sie mit Jesus verbunden sind. Aber auch das ist nicht neu. Schon im Alten Testament war der Messias incognito mit Israel unterwegs, nämlich als Wasser spendender Fels (.1 Korinther 10,4b). Und heute ist das immer noch so. Israel sieht den Messias nicht, aber er ist da. Und eines Tages wird er sichtbar kommen, um sein Volk zu erlösen, so wie es die Juden schon von jeher erwarten.

Der große jüdische Lehrer Maimonides (12. Jh.) hat in seinen 13 Glaubenssätzen gesagt: „Ich glaube […] an das Kommen des Messias; obwohl er säumt, warte ich trotzdem jeden Tag, dass er komme.“ Heute warten nicht nur die Juden, sondern auch die Christen auf das Kommen des Messias. Darauf liegt unsere gemeinsame Hoffnung. Für Israel und für die ganze Welt.

Die dreiteilige Serie ist als Faltblatt „Kompakt verpackt # 10“ in unserem Shop erhältlich. Teil 1 der Serie finden Sie hier, Teil 2 hier.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 131. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

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