Versagen am 7. Oktober: Chef des Militärgeheimdienstes tritt ab

Versagen am 7. Oktober: Chef des Militärgeheimdienstes tritt ab

Der neue Aman-Chef Binder, Armeechef Halevi und der scheidende Aman-Chef Haliva (v.l.n.r.).
Der neue Aman-Chef Binder, Armeechef Halevi und der scheidende Aman-Chef Haliva (v.l.n.r.). Foto: Israelische Armee

Der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes zieht sich aus der Armee zurück. Ohne Umschweife erkennt er seine Mitverantwortung für das Scheitern am 7. Oktober an.

Der scheidende Chef des israelischen Militärgeheimdienstes Aman, Aharon Haliva, hat am Mittwoch noch einmal seine Mitverantwortung für das Versagen der israelischen Geheimdienste vor dem Massaker am 7. Oktober bekräftigt: „Wir sind unserem heiligen Eid nicht gerecht geworden“, sagte er bei einer Zeremonie nahe Herzlia zur Übertragung der Aufgaben an seinen Nachfolger.

„Die letzte Verantwortung für das Scheitern der Geheimdienstabteilung in der Armee ruht auf meinen Schultern“, führte der 56-Jährige weiter aus: Er werde den bitteren Tag immer in seinem Gewissen tragen, bis zu seinem letzten Tag. Ausdrücklich bat der General um Vergebung.

„Wichtigste Mission nicht erfüllt“

Haliva hatte bereits im Oktober 2023 das Scheitern seiner Einheit eingestanden und seine eigene Verantwortung betont. Im April kündigte er dann seinen Rückzug an. „Mir wurde die größte Ehre zuteil, dem Staat Israel und seinen Bürgern zu dienen“, sagte er am Mittwoch. „An jenem Samstag haben wir unsere wichtigste Mission nicht erfüllt: vor einem Krieg zu warnen.“

Es gehöre zu den Kernwerten der israelischen Armee, Verantwortung zu zeigen und ein persönliches Beispiel zu setzen, sagte Haliva: „Verantwortung zu übernehmen besteht nicht in Worten, sondern in Taten: Meine Entscheidung, meine Aufgabe abzugeben und mich aus der Armee zurückzuziehen, ist die Norm, die mir gelehrt wurde und das, was von denen erwartet wird, die vorneweg marschieren.“

Haliva erklärte, man habe in den vergangenen Monaten bereits hunderte Stunden damit zugebracht, die Fehler vor dem 7. Oktober zu studieren. Nun forderte er dazu auf, eine staatliche Untersuchungskommission einzurichten, „um alle Aspekte gründlich und tief zu untersuchen, die zum Krieg geführt haben“. Als Haliva sich an seine eigene Familie wendete, brach ihm kurz die Stimme weg: „Alles, was ich getan habe, habe ich für euch getan.“

Nachfolger nicht unumstritten

Generalstabschef Herzi Halevi erklärte, man könne den 7. Oktober nicht mehr ändern, aber die Zukunft beeinflussen, indem man lerne. An Haliva gewandt, sagte er: „Während deiner Zeit gab es viele Erfolge und ein schmerzvolles und schwieriges Scheitern. Es gibt solche, die nicht gescheitert sind. Sie sind nicht gescheitert, weil sie niemals in einer Position waren, in der sie so schwere Verantwortung tragen.“

Halivas Nachfolger ist Schlomi Binder. Er sagte am Mittwoch, er trete die Aufgabe „mit heiliger Ehrfurcht“ an: „Das stechende Scheitern, das zum Kriegsausbruch führte, und der untragbar schwere Preis, den wir bezahlt haben, werden immer in meine Knochen eingraviert sein.“ Es gehe darum, Vertrauen wiederherzustellen.

Der 49-Jährige war zuvor Leiter der Operationsabteilung der israelischen Armee. Binders Ernennung ist nicht unumstritten: Er könnte in seiner alten Funktion selbst mitverantwortlich gewesen sein für das Scheitern am 7. Oktober. Eine Petition, Binders Ernennung aufzuhalten, hat der Oberste Gerichtshof in Jerusalem allerdings zurückgewiesen.

Bericht über Vorgehen der Armee in Kfar Asa

Unterdessen veröffentlichte der TV-Kanal 12 am Mittwoch Ergebnisse aus einer Untersuchung der Armee zum Vorgehen im Kibbutz Kfar Asa infolge der Hamas-Invasion am 7. Oktober. Der Kibbutz liegt direkt an der Grenze zum Gazastreifen: Dort waren Schätzungen zufolge rund 300 Terroristen eingedrungen. 64 Einwohner kamen ums Leben und 19 wurden entführt.

Laut dem Fernsehbericht gestaltete sich das Vorgehen der Armee langsam und umkoordiniert. Der Bericht verweist insbesondere darauf, dass es Einsatzkräfte gegeben habe, die am Tor des Kibbutzes standen, aber nicht hineingegangen seien. Die Gründe dafür würden noch untersucht.

Insgesamt sei es den Truppen nicht gelungen, die verschiedenen Eingänge des Kibbutz zu schließen. Dadurch seien Terroristen stundenlang weiter eingedrungen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe es zudem fast keine Kämpfe gegeben – aus Angst, eigene Soldaten zu erschießen. Soldaten seien stattdessen gezwungen worden, sich schlafen zu legen.

Aufarbeitung läuft

Probleme habe es auch bei der Evakuierung gegeben: Der Großteil der Bewohner sei erst am Sonntagmittag evakuiert worden, teils über Wege, an denen noch Terroristen lauerten. Ein Armee-Sprecher betonte laut „Kanal 12“, die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen. Die Darstellung des Senders sei ungenau und stelle keine Zusammenfassung eines offiziellen Armeeberichts dar.

Mitte Juli hatte die Armee ihren Untersuchungsbericht zum Massaker im Kibbutz Be’eri vorgelegt: Dort waren demnach 340 Terroristen eingedrungen. 101 Zivilisten verloren ihr Leben und 30 Menschen wurden als Geiseln genommen.

Dieser Bericht hatte festgestellt, dass die Armee in ihrer Aufgabe, die Bewohner zu schützen, gescheitert sei – auch weil sie nie auf den Fall einer Masseninvasion vorbereitet war. Auch in diesem Fall sprach der Bericht von Problemen in der Koordination und stellte fest, dass Truppen aus verschiedenen Gründen außerhalb des Kibbutzes warteten, anstatt direkt in den Kampf zu gehen. (Israelnetz)

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