Israel kommt politisch nicht zur Ruhe. Nachdem seit Wochen zehntausende Menschen gegen die geplante Justizreform auf die Straße gehen und einen vorläufigen Stopp dieser erreicht haben, trifft die Regierung nun eine weitere umstrittene Entscheidung. Israel soll eine Nationalgarde erhalten, die Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir (Otzma Jehudit) direkt unterstellt ist.
Am Sonntag gab das Kabinett die Bildung einer Nationalgarde in Auftrag. In den nächsten drei Monaten soll eine Kommission Vorschläge ausarbeiten, wie diese aussehen kann. Dabei geht es um Befugnisse und die Frage, wem sie unterstellt sein soll. Ben-Gvir fordert, dass er Chef der Nationalgarde wird, die parallel zu Militär und Polizei arbeiten soll. Andere sehen vielmehr den Chef der israelischen Polizei als Oberhaupt. In der Kommission soll neben Vertretern aller Sicherheitsdienste auch das Militär involviert sein.
Aus dem Büro von Ben-Gvir heißt es, dass sich die Nationalgarde mit „Notfallszenarien, nationalistischer Kriminalität, Terror und der Stärkung der Souveränität“ befassen soll. Außerdem soll sich die Einheit um mögliche „zivile Unruhen“ kümmern und den Israelis „ihre persönliche Sicherheit zurückgeben“. Kritiker warnen davor, dass er die Nationalgarde gegen die arabische Bevölkerung einsetzt. Geplant ist eine Truppenstärke von rund 2.000 Mann.
Umstrittene Finanzierung
Dass sich das Kabinett gegen einige Minister durchgesetzt hat, die zunächst gegen die Gründung der Nationalgarde waren, schreiben israelische Medien dem Drängen von Premier Benjamin Netanjahu (Likud) zu. Er soll Kritiker überstimmt haben, um die Koalition zusammenzuhalten. Hintergrund ist israelischen Medien zufolge, dass Otzma Jehudit die Gründung der Nationalgarde als Bedingung für den Verbleib in der Koalition gemacht hat, nachdem bereits die Justizreform gegen den Willen von Ben-Gvir ausgesetzt wurde.
Finanziert werden soll die umgerechnet rund 255 Millionen Euro teure Nationalgarde aus dem Budget aller Ministerien. Diese sollen jeweils 1,5 Prozent ihres Budgets abgeben.
Kritik aus Opposition und Sicherheitsbehörden
Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) nannte die geplante Nationalgarde „Ben-Gvirs Privatarmee“. Die Regierungsentscheidung sei eine „extremistische Fantasie von Wahnvorstellungen“. Zudem kritisierte er die geplante Finanzierung.
Kritik an Ben-Gvir äußerte auch Geheimdienstministerin Gila Gamliel (Likud). Ben-Gvir wolle immer alles „sofort und auf Kosten anderer Ministerien“. Wie die israelische Onlinezeitung „Times of Israel“ berichtet, übten auch namentlich nicht genannte hochrangige Beamte des Finanzministeriums Kritik. Mit mehr Zeit hätten sich auch andere Finanzierungsmöglichkeiten finden lassen, lautet der Vorwurf.
Für „unnötig“ hält der Polizeichef Kobi Schabtai die Nationalgarde. Die Miliz gefährde nicht nur die persönliche Sicherheit der Bürger, sondern könne auch dem internen Sicherheitssystem Israels „schweren Schaden zufügen“.
Der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, sprach sich ebenfalls gegen die Pläne aus. Aus seiner Sicht ist es undenkbar, dass zwei verschieden Polizeibehörden parallel agierten. (Israelnetz)