Himmel auf Erden: Jesajas Vision einer neuen Welt

Himmel auf Erden: Jesajas Vision einer neuen Welt

(Jesaja 2,4)
Der Prophet Jesaja kündigt eine Zeit an, wo es keinen Krieg und keine Waffen mehr geben wird: „Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln." (Jesaja 2,4) Foto: Pixabay

In christlichen Gemeinden begegnet man oft der Sicht, dass das Alte Testament veraltet sei und uns nicht mehr zu interessieren habe. Das Neue hingegen sei, so jene Stimmen, für uns heute aktuell und leuchte außerdem die Zukunft aus – bis hin zur Vollendung auf der neuen Erde (Offenbarung 21,1). Diese Sicht trifft jedoch nicht zu. Denn bereits das Alte Testament entwirft Visionen der neuen Welt und schlägt den Bogen bis ganz zum Ende. Prominent geschieht dies in Jesaja 2,1-4. Tobias Krämer, Bereichsleiter Theologie und Gemeinde bei CSI, stellt den Text vor.

Jesaja 2, 1-4 (Lutherübersetzung)

1 Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. 2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, 3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 4 Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Ein Blick auf die neue Welt

Interessant: Der Text spricht von einem Wort, das Jesaja schaute. Es handelt sich um eine Vision, die eine Botschaft Gottes enthält, nämlich die Sicht auf die neue Welt, die Gott einst schaffen wird. Diese Welt ist im Vergleich zur jetzigen keine ganz andere und doch ist sie entscheidend anders. Anders ist zum Beispiel, dass der Berg des Hauses des Herrn – der Tempelberg, der Zion – höher als alle Berge sein wird. Er wird für alle sichtbar sein, so dass alle Heiden herzulaufen und die Völker zum Zion ziehen. Ob diese Szene wörtlich zu verstehen ist, kann man fragen. Denn es ist schwer vorstellbar, dass Milliarden Menschen physisch nach Israel reisen. Deutlich ist jedoch: Die ganze Menschheit wendet sich dem Zion zu und somit dem Gott Israels. Es handelt sich also um eine weltweite Erweckung. Das ist der entscheidende Punkt.

Aber warum ziehen die Heiden zum Zion? Was bewegt sie dazu? Die Antwort ist eindeutig: Sie wollen Lehre haben. Sie erkennen, dass von Zion Weisung ausgeht (Tora!) und dass man in Jerusalem das Wort des Herrn empfangen kann. Sosehr die Völker bis heute nur wenig Interesse am Wort Gottes hatten, sosehr wird dies am Ende anders sein: Die Völker werden begierig nach Gottes Wort und seiner Tora fragen. Deshalb ziehen sie zum Tempel auf dem Zion.

Diese Sicht korrespondiert mit einer Aussage Jesu, die er während der Tempelreinigung macht: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.“ (Markus 11,17) Der erste Satz (Bethaus) greift Jesaja 56,7 auf, der zweite (Räuberhöhle) ist Jesu Kritik am Judentum seiner Zeit. Dazu müsste man vieles sagen. Klar ist jedoch: Auch bei Jesus liegt die Sicht vor, dass eines Tages die Völker („alle Völker“) zum Zion ziehen werden, um den Gott Israels anzubeten. Jesus teilt also die Sicht von Jesaja.

Jesaja malt die Szene weiter aus. So schildert er die Auswirkungen, die die Gottesbegegnung auf die Völker hat. Die Völker werden, so würde man heute sagen, „in Ordnung gebracht“ und geistlich erneuert; sie werden gereinigt und geläutert. Das Ergebnis: Sie ziehen als Verwandelte, als „neue Menschen“ in ihre Länder zurück. Denn wer durch so einen Erneuerungsprozess Gottes geht, ist danach nicht mehr derselbe.

Neue Herzen, neue Wege

Vom Zion kommend und gefüllt mit Tora merken die Völker, dass sich ihre Einstellung gewandelt hat. Sie haben nun neue Wertekonzepte. Dies betrifft insbesondere das Verhältnis zu Waffen. Die Völker merken: „Wir haben neue Herzen und vertragen uns gut, wir brauchen keine Waffen mehr! Was wir aber dringend brauchen, sind landwirtschaftliche Geräte. Alle Menschen sollen satt werden, keiner darf mehr Hunger leiden. Also lasst uns miteinander anpacken!“ Und so geht ein Traum in Erfüllung: Schwerter werden zu Pflugscharen umgeschmiedet und aus Spießen werden Sicheln gemacht. Die Welt wird frei von Waffen. Was für eine gewaltige Perspektive!

An dieser Stelle lohnt sich ein Exkurs. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lagen die Rüstungsausgaben weltweit bei 2,2 Billionen Dollar (2.200.000.000.000 $). Im selben Jahr litten 735 Millionen Menschen an Unterernährung; das ist fast jeder Zehnte. Das heißt: Wenn keine Nation mehr in Rüstung investieren würde, könnte jeder Unterernährte über zwei Millionen Dollar bekommen. Pro Jahr. Damit wäre der Hunger endgültig überwunden. (Quelle: www.statista.com)

Nun ist es allerdings nicht so, dass man diese Szene „machen“ kann. Vor Jahren hat die Friedensbewegung dies versucht. Sie hat das Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ zu ihrem eigenen Motto gemacht, als ob man es einfach „umsetzen“ könnte. Das aber kann man nicht. Und es ist in unserer Welt – leider! – auch nicht möglich, ohne Waffen auszukommen. Dazu gibt es zu viele Bedrohungen, zu viele böse, gewalttätige und aggressive Menschen.

Eines Tages aber wird es so weit sein. Gott selbst wird die Völker zu sich ziehen. Er wird sie verwandeln, mit Tora beschenken und in ihre Länder zurücksenden. Unterwegs werden die Völker merken, dass sie friedliebend geworden sind. Keiner führt mehr Krieg, keiner lernt es mehr. Der Krieg ist Geschichte. Dann wird Friede sein. Für immer und ewig.

Schlussgedanke

Jesaja 2 spricht nicht vom Messias. Das fällt auf. Man macht aber keinen Fehler, wenn man diesen Text mit dem Friedefürsten – neutestamentlich gesehen mit Jesus Christus – verbindet (vergleiche Jesaja 9 + 11). Denn Jesus ist unser Friede (Epheser 2,14). Jesus wird kommen, alles Böse überwinden und das Reich Gottes zur Vollendung bringen. Danach wird er es Gott übergeben, so dass am Ende Gott „alles in allem“ sein wird (1. Korinther 15,20-28). Dann ist das Ziel erreicht – und dann ist alles gut. Jesaja führt uns plastisch vor Augen, was es bedeutet, wenn die Menschheit dem Gott Israels folgt: Es bedeutet Frieden.

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