Marokkanische Juden verlieren einen jahrelangen Rechtsstreit: Formal werden sie nicht als Holocaust-Opfer anerkannt. Damit haben sie auch keinen Anspruch auf Entschädigung.
Marokkanische Juden haben keinen Anspruch auf Entschädigungszahlung für die Verfolgung während des Zweiten Weltkrieges. Das hat der Oberste Gerichtshof in Israel am Donnerstag entschieden und wies damit eine Klage zurück. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Grad des Freiheitsentzugs, den die Juden in Marokko während des Zweiten Weltkrieges erlitten, nicht den Kriterien des Gesetzes zur Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus entspricht. Bereits das Bezirksgericht Haifa hatte als vorherige Instanz ähnlich argumentiert. In der nun zurückgewiesenen Klage forderten die Opfer umgerechnet 105 Millionen Euro Entschädigung. Das berichtet die Onlinezeitung „Times of Israel“.
In der Urteilsbegründung heißt es zwar, dass marokkanische Juden unter Antisemitismus von Seiten der Behörden zu leiden hatten, dies aber nicht automatisch zu Entschädigungsanspruch führe. Staatliche Restriktionen zeigten sich „hauptsächlich in einer eingeschränkten Möglichkeit, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und eine Ausbildung außerhalb der jüdischen Gemeinde zu absolvieren, sowie in der freien Wohnungswahl“. Nach Argumentation der Richter entspricht dies aber keiner „Freiheitsberaubung“ und reiche nicht aus, um die Anforderungen des Entschädigungsgesetzes zu erfüllen. Das Gesetz sieht Entschädigungen für Juden vor, die aufgrund von Verfolgung während des Holocausts unter gesundheitlichen Problemen litten.
Zudem hätten die marokkanischen Behörden eigene Entscheidungen, unabhängig vom französischen Vichy-Regime, getroffen, erklärten die Richter. Dadurch habe das nationalsozialistische Deutschland nur wenig Einfluss auf Marokko gehabt. Für subjektiv empfundene Angst und Verfolgung würden die vorgelegten Beweise nicht ausreichen.
Kritik am Staat
Der Anwalt der Kläger, David Jadid, bezeichnete den zehn Jahre andauernden und nun verlorenen Rechtsstreit dennoch als „nicht vergeblich“. Schließlich erkenne der Staat trotz allem das Leid der marokkanischen Juden an. Zudem habe bereits 2015 das Finanzministerium beschlossen, den jüdischen Einwanderern aus Marokko und Algerien aufgrund der erlittenen Einschränkungen eine finanzielle Entschädigung zu zahlen. Dabei handelt es sich um einen jährlichen Zuschuss von 4.000 Schekel (1054 Euro). Jadid warf dem Staat dennoch vor, „die Opfer des Naziregimes aus haushaltpolitischen Erwägungen zu diskriminieren“.