Jakob ist einer der drei Stammväter des jüdischen Volkes. Ihm ist etwas gelungen, worin sein Großvater Abraham und sein Vater Isaak versagt haben. In der folgenden Bibelarbeit beleuchtet der Autor Rolf Weiss die spannende Lebensgeschichte des Patriarchen. Dabei geht er auch der Frage nach, warum Jakob in kirchlichen Betrachtungen oft so viel schlechter dargestellt wird als die Bibel ihn uns zeigt.
Von: Rolf Weiss
Im heutigen Irak, in der Stadt Ur, begegnete Gott einem Mann und gab ihm den Auftrag: „Verlasse dein Volk und deine Familie und gehe in ein Land, das ich dir zeigen werde.“ Abram lebte daraufhin als Nomade im heutigen Israel. Er zeugte insgesamt acht Söhne mit drei verschiedenen Frauen, damals nicht ungewöhnlich. Aber nur der zweite war von seiner Ehefrau Sarah. Mit diesem, Isaak, würde Gott seinen Plan weiterführen.
Als Isaak erwachsen war und selbst noch keine Frau suchte oder fand, schickte Abraham seinen Knecht Elieser in die alte Heimat zu seiner Verwandtschaft, um für Isaak von dort eine Frau zu holen. Das gelang, Rebekka war bereit, Elieser zu Isaak zu folgen.
Isaak heiratete Rebekka. Als sie mit Zwillingen schwanger wurde erhielt Rebekka von Gott die Verheißung, dass der Ältere dem Jüngeren dienen werde. (1. Mose 25,23) Zuerst wurde Esau geboren. Dann folgte Jakob, er hielt die Ferse Esaus – so kam Jakob zu seinem Namen, der mit „Fersenhalter“ übersetzt wird.
Die Zwillinge wuchsen heran, entwickelten sich aber sehr unterschiedlich. Jakob „blieb gesittet bei den Zelten“ (1. Mose 25,27). Dort kümmerte er sich um die Bedürfnisse der Großfamilie. Diese brauchte eine Leiterpersönlichkeit, besonders da das Familienoberhaupt Isaak wegen seiner Erblindung diese Aufgabe immer weniger ausfüllen konnte. Esau dagegen frönte lieber seinem Hobby und streifte durch das Land und ging dabei gerne auf die Jagd. Auch später zeigte sich, dass Esau wenig Interesse an den Aufgaben der Großfamilie hatte. Er verließ seine Eltern und zog nach Se’ir (Edom), obwohl sein Vater wegen seiner Erblindung dringend auf Hilfe angewiesen war. (1. Mose 32,4 und 33,16)
Der Verkauf des Erstgeborenenrechts
Eines Tages kam Esau erfolglos und hungrig von der Jagd heim. Jakob hatte sich gerade ein Linsengericht gekocht. Aber der hungrige Esau verlangte von Jakob, ihm vom Linsengericht zu essen zu geben. Jakob war der Klügere, auch der Listigere und erkannte seine Gelegenheit. Er verlangte einen überhöhten Preis, nämlich das Recht des Erstgeborenen.
Das wird heute von vielen Christen als unmoralisch empfunden. Darf ein Preis wesentlich höher sein als der Wert des Angebotes? Macht man sich dabei nicht schuldig? Hier muss die Frage gestellt werden, welche Maßstäbe in solchen Fällen zur Beurteilung verwendet werden dürfen. Dürfen unsere heutigen Empfindungen wesentlich für unser Urteil sein? Oder müssen unsere Empfindungen nicht hinter Gottes Wort zurückstehen, wenn wir nicht die Ursünde von Adam und Eva wiederholen wollen, nämlich „so sein zu wollen wie Gott“? (1. Mose 3,5)
Und ist ein überhöhter Preis wirklich immer moralisch verwerflich? Was ist der entscheidende Unterschied zwischen einer Mahlzeit und einem Stückchen Papier, auf das jemand eine mauritische Briefmarke gedruckt hat? Der aktuelle Verkauf einer „Mauritius“ für mehrere Millionen wurde von niemandem als verwerflich getadelt – weshalb dann bei Jakob der Verkauf einer Mahlzeit? Nachfrage und Angebot müssen nur zusammenpassen, um zum Abschluss zu führen. Sie können gleichwertig sein. Aber das ist niemals Bedingung. Beide Partner müssen sich nur einig sein, wenn sie sich frei für den Handel entscheiden.
Ein Handel ohne Falsch
Einen hohen Preis zu nennen ist im Orient ein normaler Vorgang. Aber war der Handel auch ohne Falsch? Sicher war der genannte Preis höher als die angebotene Gegenleistung – aber alles lag offen auf dem Tisch. Es gab keinen Haken – keine falschen Versprechungen, keine Täuschung, keine Tricks – nichts. Keine Spur von Betrug. Sagte nicht einer seiner Nachkommen, Jesus, später: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“? (Math 10,16) Genau so hat Jakob gehandelt.
Normalerweise folgt im Orient auch heute noch auf die erste Nennung eines Preises, besonders wenn er hoch ist, eine längere und harte Verhandlung. Wer das ausschlägt gilt als Spaßverderber. Esau aber ging sofort auf das Angebot ein, denn das Erstgeburtsrecht war ihm egal. Jakob war zutiefst erstaunt und verlangte deshalb, dass Esau den Handel mit einem Schwur besiegelte – was dieser auch ohne zu zögern tat. Und Esau „aß, trank und stand auf und ging davon. So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht“. (1. Mose 25,29-34)
Dieser Handel veränderte das Verhältnis der beiden Brüder zueinander grundlegend. Er wirkte sich auch auf normale Alltagssituationen aus, denn das Erstgeburtsrecht gab dem Inhaber als Nachfolger des Familien-Patriarchs in allen Diskussionen ein größeres Gewicht.
Auch wenn nicht explizit dabeisteht, dass dieser Handel in der Familie bekannt war, so ergibt sich dies klar aus dem Zusammenhang. Solche Veränderungen können innerhalb einer Familie nicht auf Dauer verheimlicht werden, wozu ja auch von Seiten Rebekkas und Jakobs kein Grund vorlag. Auch zeigt uns die Bibel in Hebr.12,16 ein klares und sehr deutliches Urteil über das Verhalten Esaus. Jakob dagegen wird an keiner einzigen Stelle in der Bibel kritisiert. Die Bibel hat oft eine sehr kompakte Sprache, offensichtliche Punkte müssen nicht noch besonders erwähnt werden.
Auch nahm Esau sich gegen Gottes Gebot und den Wunsch seiner Eltern kanaanäische Frauen, die „für Isaak und Rebekka ein Herzeleid waren“. (1. Mose 26,34-35) Trotzdem zog Isaak Esau dem Jakob vor, weil er gerne ein Wildgericht aß, das Esau ihm manchmal von seiner Jagdbeute zubereitete.
Isaak entschloss sich, den Vertrag seiner Söhne zu ignorieren und Jakob um sein erworbenes Recht zu betrügen, anstatt seinen Segen zu verteilen, um zwischen den Brüdern Frieden zu schaffen. Die Annahme, Isaak hätte unwissend gehandelt und vom Verkauf des Erstgeborenenrechts nichts gewusst, erscheint absurd. Rebekka hörte rechtzeitig vom Vorhaben ihres Mannes und war damit nicht einverstanden, sondern entschlossen, den Vertrag der Brüder zu achten. Zum erworbenen Erstgeburtsrecht musste nun für den jüngeren Sohn Jakob auch der Erstgeburtssegen hinzukommen, mit dem die Nachfolge des Familienpatriarchen geregelt wurde. Allerdings hatte Rebekka in der damaligen Kultur als Frau keinerlei Chance, in einem Gespräch irgendetwas gegen den Willen Ihres Mannes Isaak durchzusetzen.
Isaak wird getäuscht
Was konnte Rebekka nun tun? Isaak und Esau waren entschlossen, den Vertrag mit Jakob zu brechen, ihn dadurch zu betrügen und auch Gottes Zusage an Rebekka zu ignorieren. So entschloss sie sich, ihren Mann Isaak zu täuschen und Jakob anstelle Esaus zu ihm zu schicken. Nach einigen Einwänden ging Jakob auf ihren Vorschlag ein. Die Täuschung gelang, Isaak segnete Jakob mit dem Segen für einen Erstgeborenen – also als Haupterbe und Nachfolger als Patriarch. (1. Mose 27,28-29)
Gegenüber seinem Vater wäre Esau mindestens verpflichtet gewesen, diesen auf das verkaufte Recht hinzuweisen, damit dieser seinen Segen verteilen könnte. Das unterblieb, und so entstand ein gemeinsamer Betrugsversuch an Jakob. Denn: Ist es wirklich denkbar, dass eine so weitreichende Abmachung unter Geschwistern und Eltern nicht besprochen wurde? Rebekka und Jakob hingegen verteidigten eindeutig das Recht aus dem Vertrag zwischen Esau und Jakob. Rebekka hat durch ihre Täuschung ihren Mann vor einem viel schlimmeren Fehler bewahrt, nämlich gegen Gottes Verheißung zu handeln und zusammen mit Esau einen Betrug durch Vertragsbruch samt Eidbruch zu begehen. Offenbar war sie damit im Recht. An keiner Stelle in der Bibel werden Rebekka und Jakob dafür verurteilt, nicht einmal kritisiert – weder für das teure Linsengericht noch für die Täuschung des Vaters. Esau hingegen muss mehrfach Kritik einstecken, besonders hart im Hebräerbrief, wo er für seinen leichtsinnigen Verkauf als „Gottloser“ und „Hurer“ bezeichnet wird. (Hebr. 12,16-17). Wir müssen als Christen unbedingt das Urteil von Gottes Wort, der Bibel, über die eigenen, heutigen Empfindungen stellen!
Als Esau den Segen seines Vaters für sich abholen wollte – den er leichtfertig verkauft und das mit einem Schwur bestätigt hatte – musste er von Isaak hören, dass dieser Jakob schon entsprechend gesegnet hatte. Da erst bereute Esau seinen Leichtsinn, und er begann, Jakob anzuklagen. Esaus Wut steigerte sich bis zu Mordabsichten an seinem Bruder. Nie hat Jakob seinen Bruder so bedroht! Als Rebekka davon erfuhr, besprach sie sich mit Isaak. Sie kamen überein, Jakob zu Rebekkas Verwandtschaft zu schicken, um sich dort eine Frau zu suchen und keine aus Kanaan zu nehmen. Gleichzeitig würde diese Reise die Mordabsichten Esaus verhindern, „bis der Grimm deines Bruders sich wendet“. (1. Mose 27,44) Isaak schickte also Jakob zu seinem Schwager Laban, nachdem er ihn für diesen Auftrag gesegnet hatte, wobei er ihm deutlich noch einmal den Abrahamitischen Segen zusprach, also Jakob nun als den rechtmäßigen Haupterben ausdrücklich anerkannte. Spätestens jetzt hat Isaak seinen Fehler eingesehen und korrigiert. (1. Mose 28,1-5)
Auf dem Weg von Be’er Scheva nach Haran träumte Jakob eines Nachts und sah im Traum eine Leiter, von der Erde bis zum Himmel, auf der Engel auf und nieder stiegen. Und er hörte Gott sagen, dass er mit Jakob sein, ihn segnen und überall behüten werde – und ihm und seinen Nachkommen das Land geben werde. Jakob antwortete auf diese Zusage mit dem Gelübde, dass er sein Leben ganz auf Gott ausrichten wolle. (1. Mose 28,20-22) Viele seiner späteren Handlungen sind in diesem Gottvertrauen begründet.
Liebe auf den ersten Blick
Als Jakob in das Gebiet Labans kam, begegnete er an einem Brunnen einigen Schafhirten. Dann kam Rahel dazu. Als er sie sah, verliebte er sich auf der Stelle in sie und küsste sie. (1. Mose 29,10-11). Rahels Vater Laban war mit der Verlobung einverstanden. Sie einigten sich als Brautpreis auf sieben Jahre Dienst.
Nach dieser Zeit wurde die Hochzeit vorbereitet, am Abend jedoch betrog Laban seinen Schwiegersohn, indem er Jakob seine ältere Tochter Lea anstelle Rahels zuführte, was Jakob wegen der Verschleierung und der Dunkelheit erst am andern Morgen erkannte. Laban stritt den Betrug gar nicht ab. Er redete sich nur damit heraus, dass man in seiner Umgebung die Töchter in der Reihenfolge des Alters verheiraten würde, wozu Laban ja sieben Jahre Zeit gehabt hätte. Schließlich einigten sie sich darauf, dass Jakob die „Hochzeitswoche“ mit Lea verbringen sollte, dann würde er auch Rahel als Frau bekommen, für die er aber noch einmal sieben Jahre dienen sollte. Der verliebte Jakob willigte trotz des erlittenen Betrugs ein. (1. Mose 29,21-30)
Jakobs Frauen und Kinder
Jakob hatte nun also zwei Ehefrauen, aber er liebte Rahel mehr als Lea. Doch das gefiel Gott nicht – und so ließ er Lea nacheinander vier Söhne gebären. Rahel aber war unfruchtbar. Jede der Töchter hatte noch eine Magd mit in die Ehe bekommen. Hin und wieder gab es Zwistigkeiten. Dabei griffen beide Frauen zu einem Mittel, das uns heute fremd ist. Sie schickten Ihre Mägde zu Jakob ins Bett. Beide wurde schwanger und gebaren je zwei Söhne, die wie damals üblich dann als rechtmäßige Söhne der Ehefrauen galten. Aber Gott erhörte schließlich auch Rahel. Sie gebar Josef, der später zum Lieblingssohn Jakobs wurde. So wurde Jakob also schnell mit vier Frauen „gesegnet“ – oder beschäftigt – und bald auch mit elf Söhnen und einer Tochter.
Führte Gott Jakob durch diese Situationen, um ihn vorzubereiten auf seine Aufgabe als Patriarch einer großen Familie, wo er noch mehr Probleme bekommen würde? Und er würde sie lösen müssen.
Nach weiteren sechs Jahren Dienst an Labans Herden wurden dessen Söhne neidisch auf Jakob und hetzten ihren Vater gegen Jakob auf. Gott aber stand weiter zu Jakob und sagte zu ihm: „Kehre zurück in das Land deiner Väter und zu deiner Verwandtschaft! Ich werde mit dir sein.“ Da nahm Jakob seine Frauen und Kinder samt seinen Knechten, Mägden und Herden und floh.
Esau zog ihm mit 400 Mann entgegen. Als Jakob das erfuhr, fürchtete er sich sehr. So bereitete er ein großzügiges Friedensgeschenk vor und schickte Esau einige Knechte mit mehr als 500 Tieren entgegen.
Jakobs neuer Name
Als Jakob den Jabbok erreichte (ein linker Nebenfluss des Jordans im heutigen Jordanien), führte er seine Familie und alles was er hatte hinüber und blieb allein zurück. In der Nacht griff ihn ein Mann an und rang mit ihm bis zum Morgengrauen, konnte ihn aber nicht überwältigen. Jedoch gab er Jakob einen Schlag auf die Hüfte, so dass dieser hinkte. Als es dämmerte wollte der Fremde gehen. Doch Jakob ließ ihn nicht und verlangte, dass er von ihm vorher gesegnet wurde, was der Fremde auch tat und um Jakobs Namen bat. Dann sagte er:
„Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel. Denn du hast mit Gott und Menschen gekämpft und bestanden.“ (1. Mose 32,25-30)
Am folgenden Tag kam es zur gefürchteten Begegnung mit Esau. „Aber Esau lief ihm entgegen, umarmte ihn und fiel ihm um den Hals und küsste ihn; und sie weinten.“
Sie zogen dann weiter. Kurz vor Bethlehem gebar Rahel ihren zweiten Sohn. Aber die Geburt war schwer und sie starb daran. Jakob begrub sie, wie damals üblich, am gleichen Ort, wo heute noch ihr Grab besucht werden kann. Ihren neugeborenen Sohn nannte Jakob Benjamin. Er hatte nun zwölf Söhne und eine Tochter. Die Familie war komplett.
Jahrzehnte nach Jakobs Rückkehr nach Kirjat Arba, das ist Hebron, verstarb Isaak im Alter von 180 Jahren. (1. Mose 35,29). Seine Söhne begruben ihn dort, noch heute kann man sein Grab in Hebron besuchen. Unter einem Gebäude befinden sich dort die Gräber Abrahams und Sarahs, Isaaks und Rebekkas, Jakobs und Leas.
Ein leuchtendes Finale
Natürlich hatte auch Jakob seine menschlichen Schwächen. So hat er den erstgeborenen Sohn Rahels, seiner ursprünglichen Liebe, verwöhnt und manchmal bevorzugt. Aber dann ist ihm etwas gelungen, worin sein Großvater Abraham und sein Vater Isaak total versagt hatten, indem sie die von ihnen gezeugten Söhne der Nebenfrauen zwar mit Geschenken versahen, aber fortschickten, also enterbten. Die Folgen sind durch die Jahrhunderte bis heute spürbar, wenn wir den abgrundtiefen Hass extremistischer Muslime gegen Gottes Volk betrachten oder an die biblischen Geschichten von Amalekitern, Moabitern, Edomitern und Ismaeliten denken.
Jakob hingegen hat seine 12 Söhne – alle – weitgehend gleichberechtigt gesegnet. Da gab es keinen nennenswerten Unterschied mehr, auch wenn diese von Lea, der ihm untergeschobenen Ehefrau oder von den Mägden Bilha und Silpa stammten.
Jakobs Kinder waren: Die Söhne Leas: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issaschar und Sebulon; dazu die Tochter Dina; die Söhne Rahels: Josef und Benjamin; die Söhne Bilhas, der Magd Rahels: Dan und Naftali; die Söhne Silpas, der Magd Leas: Gad und Asser. Die Söhne wurden zu den Vätern der zwölf Stämme Israels.
Die Verheißungen, die Gott Abraham gegeben hatte, gingen auf alle Söhne Jakobs in gleichem Maße über, sie sind heute immer noch weitgehend gleichgeachtete Urväter des Volkes Israels! Dabei spielt es keine Rolle, ob diese von seinen Ehefrauen oder Nebenfrauen geboren wurden. Allein dieser Verdienst gleicht Jakobs Schwächen mehr als aus und macht ihn zu einem Vorbild bis heute! (1. Mose 49)
Epilog
Jakobs Geschichte ist damit noch lange nicht zu Ende. Auch nach dem hier Erzählten gibt es genug Stoff. Über seinen Lieblingssohn Josef wurden schon viele Bücher geschrieben. Aber es steht eine Frage im Raum, die nicht übergangen werden darf:
„Warum wird Jakob in kirchlichen Betrachtungen oft so viel schlechter dargestellt als die Bibel ihn uns zeigt?“
Über Laban hört man kaum etwas Negatives – auf keinen Fall so wie bei Jakob. Sein Betrug an Jakobs Hochzeit wird kaum einmal erwähnt. Auch Esaus Wortbruch – gegen seinen Eid – und seine Absicht des Brudermords werden fast immer wohlwollend verschwiegen.
Bei einem Blick auf 2.000 Jahre Kirchengeschichte bis hin zu heutiger Verkündigung drängt sich eine Erklärung auf: Nach fast 2.000 Jahren judenfeindlicher Kirchentradition schimpft man immer noch auf Jakob – und trifft damit doch alle, auch die heutigen Juden, denn Jakob erhielt ja damals den Namen Israel. „Man schlägt den Sack und trifft den Esel.“
Zeigt sich hier der alte Judenhass, der bis auf die Berufung Abrahams zurückgeht und immer wieder sein hässliches Gesicht zeigt? Und sich in allerletzter Konsequenz nicht nur gegen die Juden richtet, sondern vor allem gegen Gott selbst als Initiator? Ob das als bewusste Absicht oder unbewusst geschieht, kann jeder nur für sich selbst beantworten – am Ergebnis ändert das wenig. Sollten wir nicht unbedingt darauf achten, dass wir unsere Empfindungen und Urteile Gottes Wort in der Bibel unterordnen – und nicht umgekehrt?