Eine biblische Betrachtung: Israel als Augapfel Gottes

Eine biblische Betrachtung: Israel als Augapfel Gottes

Augapfel in Nahaufnahme
Die Bibel nennt Israel den Augapfel Gottes. Foto: v2osk / Unsplash

Ein Gastbeitrag von Petra Brock

Das Auge ist ein zentrales Organ. Was wir sehen, bestimmt unser Denken, Handeln Fühlen. Lässt die Sehkraft nach, hat das mitunter schwerwiegende Folgen. Wie gut, wenn der Besuch bei Augenarzt oder Optiker Abhilfe schafft. Das Bild vom Auge findet sich auch in der Bibel.

Gott sagt in seinem Wort, dass auch er einen Augapfel hat. Gottes Augapfel hat einen Namen: Israel (5. Mose 32,10 und Sacharja 2,12). Alles, was Gott sieht, sieht er durch seinen Augapfel Israel. Er kann Israel niemals ausblenden oder einfach übersehen, weil Israel sein Augapfel ist. Er kann niemals den Blick von Israel abwenden. Er hat Israel immer vor Augen, auch wenn er etwas anderes anschaut – dann schaut er es durch Israel hindurch an.

Das ist unser Gott und das ist seine Beziehung zu Israel als Volk, als Land und als Nation – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Nehmen wir jetzt einfach einmal an, Israel wäre unser Augapfel. Was könnten wir dadurch für uns und unseren Glauben erkennen?

Wo komme ich her? Wo kommt die christliche Gemeinde her?

In Psalm 139 beschreibt David in sehr beeindruckenden Worten, wie Gott uns gestaltet hat und jeder unserer Tage schon in sein Buch geschrieben ist. Wir glauben, dass jeder Mensch sein Leben von Gott geschenkt bekommen hat mit dem Ziel, Gott kennenzulernen und durch die Erlösung in Jesus die Ewigkeit bei Gott zu verbringen (1. Timotheus 2,4). Wir haben als einzelne Christen und als Gemeinde den Gott der Bibel kennengelernt, dem wir unser Leben anvertrauen und dessen Wort und Wahrheit Fels und Fundament unseres Daseins geworden ist. Dieser Gott stellt sich in der Bibel zuallererst als Gott Israels vor (2. Mose 24,10). Er hat sich ein Volk ausgesucht, durch das er sich der ganzen Welt bekannt machen will (1. Chronik 17,21). Er hat sich ein Land ausgesucht, in dem dieses Volk leben soll (1. Chronik 17,21). Er hat sich in seinem Wort dafür verbürgt, dass sein Wille unwandelbar gültig bestehen bleibt (Psalm 33,4).

Wir sind allein durch unsere Beziehung zu diesem Gott auf das Tiefste mit seinem Volk Israel verbunden, da wir den gleichen Gott und den gleichen Vater haben (vergleiche Epheser 2,11-18). Der christliche Glaube hat in der Tiefe dasselbe Fundament wie der jüdische Glauben und dessen Geschichte, Erwählung und Bestimmung. Dies kann man vor allem an Jesus Christus sehen.

Bibel in hebräischer Schrift mit Federkiel.
Christlicher Glaube und Judentum beruhen auf demselben Fundament. Foto: Robert_C / Pixabay

Jesus, unser Erlöser und Herr der Gemeinde, wurde als Jude geboren und genoss eine jüdische Erziehung. Er lebte mitten unter dem jüdischen Volk, hatte jüdische Nachfolger. In seinen Augen haben wir Christen eine große Schar an jüdischen Geschwistern. In seinen Augen haben die jüdischen Gläubigen eine große Schar an christlich-messianischen Geschwistern. Die DNA unseres Glaubens ist identisch mit der DNA des jüdischen Glaubens. Paulus erklärt dies in Römer 5,1-5: Alles, worauf sich die christliche Gemeinde gründet und beruft, wurde zuerst dem jüdischen Volk gegeben. Die Erwählung als Gottes Kinder, Gottes Herrlichkeit und seine Bündnisse, das Vorrecht der Anbetung – und Jesus, der seiner menschlichen Herkunft nach aus dem jüdischen Volk stammt. Wie muss er sich fühlen, wenn Christen und Juden sich gegenseitig nicht wahrnehmen, nicht annehmen oder sogar ihre Zugehörigkeit gegenseitig in Frage stellen?

Paulus beschreibt diese Zusammenhänge im Epheserbrief sehr eindeutig und klar. In Kapitel 2,11-19 legt er dar, wie sich durch die Erlösungstat Jesu das Beziehungsverhältnis der Juden und der Heiden aus den Nationen, die Jesus angenommen haben, grundlegend verändert hat. Dies lässt sich in dem eindeutigen Satz in den Versen 18 und 19 zusammenfassen: „Durch das, was Christus für uns getan hat, können wir jetzt alle, ob wir Juden sind oder nicht, in einem Geist zum Vater kommen. Deshalb seid ihr nicht länger Fremde und ohne Bürgerrecht, sondern ihr gehört zu den Gläubigen, zu Gottes Familie.“ Durch die Erlösungstat Jesu sind wir Miterben der Verheißungen, eine Familie, ein Haus – mit derselben Zukunft in Gottes Ewigkeit.

Wo gehe ich hin? Wo geht die Gemeinde hin?

Als Christen haben wir eine wunderbare Hoffnung auf die Ewigkeit. Jesus hat uns zugesagt, dass er uns vorausgeht und Wohnungen für uns vorbereitet. Wir werden ihn und Gott, den Vater sehen (Johannes 14,2-3). Bei einem spannenden Buch lesen wir vielleicht manchmal schon zu Anfang die letzten Seiten. Eigentlich sollte man das nicht tun, aber man ist eben neugierig. Bei der Frage „Wo gehe ich hin“ und „mit wem verbringe ich wo die Ewigkeit“ ist es jedoch hilfreich, die Bibelstellen zu lesen, die das Ziel des jüdischen Volkes und das der christlich-messianischen Gemeinde in den Blick nehmen. Wir werden hier erkennen: Wir haben eine gemeinsame Zukunft in Gottes Ewigkeit. Wir werden als ein Volk bei ihm sein und ihn anbeten.

Das ist Gottes Ziel für alle Generationen, die waren und die noch kommen werden. Das ist sein Ziel in der Ewigkeit – seine Priorität, an dem sich sein ganzes Tun und Wirken seit jeher und bis dahin ausrichtet. Dieses Ziel hat er vor Augen bei allem, was er betrachtet, anschaut und bewertet und was er tut (Römer 11,26).

Was ist meine Bestimmung? Was ist die Bestimmung der Gemeinde?

Gott beschreibt Israels Bestimmung in verschiedenen Bibelstellen (2. Mose 19,6 / 5. Mose 7,6 / Jesaja 49,6). Zusammenfassend lässt sie sich so beschreiben: Israel soll ein für Gott heiliges Volk sein, mit dem er in einer heiligen – liebevollen – Beziehung lebt. An Israel sollen die anderen Völker ihn erkennen und sich einem Leben in der Beziehung mit ihm anschließen. Israel soll so zu einem Segen für die ganze Welt werden.

Über dieselbe Bestimmung spricht Jesus auch in Bezug auf die christlich-messianische Gemeinde: Sie soll ein Licht für die Nichtgläubigen sein, so dass diese zu einem Glauben an den lebendigen Gott finden (1. Petrus 2,9). Wir haben also eine gemeinsame Bestimmung: Durch uns sollen die Menschen die Möglichkeit haben, Gott kennenzulernen, sich ihm zu öffnen und ein Leben mit ihm und für ihn zu beginnen – um dann in der Ewigkeit bei ihm zu sein. Aber die neutestamentliche Gemeinde hat zudem weitere göttliche Aufträge:

  • Die christliche Gemeinde soll durch ihre Beziehung mit Gott das jüdische Volk eifersüchtig machen und sie anreizen, sich der Wahrheit des Evangeliums und der Erlösung durch Jesus Christus zu öffnen. (Römer 10,19)
  • Die christliche Gemeinde hat den Auftrag, das jüdische Volk geistlich und praktisch zu trösten. (Jesaja 40)
  • Die christliche Gemeinde hat den Auftrag, ganz praktisch beim Wiederaufbau Israels und der Rückführung des jüdischen Volkes zu unterstützen. (Jesaja 49,6)
  • Die christliche Gemeinde hat den Auftrag, in Gebet und Fürbitte für Israel „auf den Mauern Jerusalems“ zu stehen. (Jesaja 62,6)

Kann es also sein, dass – würde Gott unsere Gemeinden durch seinen Augapfel anschauen – er genau das vermisst und gerne sehen würde?

Wenn wir uns dem Gott der Bibel und der Bibel als Gottes lebendiges Wort in seiner Gesamtheit zuwenden, werden wir Gottes natürlicher und schmerzlich-sehnsüchtiger Liebe zu Israel begegnen. Wir können dieser Liebe nicht ausweichen – sie will sich uns zeigen und in uns Raum und Ausdruck gewinnen. Wir tragen im Kern unseres Glaubens im Hier und Heute diese jüdische Identität. Viel mehr noch liegt im Entdecken von Gottes Liebe zu Israel für uns Christen der Weg, um in ein tieferes und ganzheitlicheres Verständnis der gesamten Heiligen Schrift und Gottes Heilsplanes eintauchen zu können.

Wir entdecken Gottes „roten Faden“ in der vergangenen, gegenwärtigen und kommenden Menschheitsgeschichte. Wir können die Geschehnisse immer mehr geistlich bewerten und daraus für uns Standfestigkeit in unserem Vertrauen zu unserem Gott und in unserem Leben für ihn bekommen. Wir lernen unseren Gott in der Tiefe seines Wesens, seiner Liebe und seiner Treue kennen. Ich denke, dass die christliche Gemeinde erst dann in ihre volle Strahlkraft kommt, wenn sie Gott und seinen Prioritäten Raum und Vorrang gibt. Das schließt Israel mit ein. Wie sehr wartet Gott darauf, dass er mit seinen Prioritäten unser Gemeindeleben, unsere Gemeindekultur so gestalten kann, dass eine natürliche Liebe zu Israel entsteht und Ausdruck bekommen kann.

Die Zeichen der Zeit erkennen und das eigene Handeln nach Gottes Prioritäten ausrichten

Jesus sagt, dass wir den Feigenbaum beobachten und die Zeichen der Zeit erkennen sollen (Markus 13,28-32). Der Feigenbaum ist ein Zeichen für Israel. Seit der Staatsgründung im Jahr 1948 erkennen wir, wie das Land und die Nation Israel gegen alle Widerstände wieder erblüht und jetzt schon ein lebendiges Zeichen für den ewigen Gott und die Erfüllung seiner Verheißungen für sein Volk ist. Das Volk Israel in der Diaspora und im Land Israel hat sich zahlenmäßig nach dem Holocaust mit sechs Millionen Toten wieder erholt und wächst weiterhin. Die Aliyah (Heimkehr des jüdischen Volkes nach Israel) nimmt trotz aller Umstände weiterhin zu.

Der offene Antisemitismus nimmt weltweit zu und Juden erkennen immer mehr, dass es für sie keinen wirklich sicheren Ort außerhalb Israels gibt. Gleichzeitig nehmen das Chaos, die Verwirrung und das ungöttliche Treiben in den Nationen zu. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Sexuelle Ausschweifung, die Auflösung der göttlich gedachten Geschlechteridentität und des biblischen Familienbildes sind inzwischen die gesellschaftliche Normalität. Die öffentliche und private Akzeptanz von fernöstlichen esoterischen Einflüssen hat stark zugenommen. Gleichzeitig erleben wir eine Dynamik an globalen Erschütterungen, die uns keine Pausen mehr gönnt: Erdbeben, Überschwemmungen, Hitze und Feuer, Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Ohnmacht und Kriegsgelüste politischer Herrscher, durch Menschen angestoßene Selbstzerstörung des Planeten Erde und so weiter.

Großer Waldbrand
Waldbrände haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Foto: Matt Palmer / Unsplash

Wenn wir Gottes Wort ernstnehmen und unsere Augen nicht verschließen, müssen wir als Einzelne und als Gemeinde uns und Gott fragen, was und wie wir angesichts dieser Zeichen leben sollen und was wirklich wichtig ist. Wir sollten nicht verwundert und entmutigt sein – ganz im Gegenteil: Unser Gott wirkt in dieser Zeit und wir gehen weiter in großen Schritten auf den Tag zu, an dem wir vom Glauben in das Schauen übergehen werden. Wir sollten uns nicht zurückziehen – ganz im Gegenteil: Wir sollen als Licht in diese Welt strahlen, mit unserem Leben auf Gott hinweisen, Menschen trösten und ermutigen, sich auf ein Leben mit Gott einzulassen. Wir sollten auch nicht in einen bloßen Aktivismus verfallen – ganz im Gegenteil: Vielleicht ist es hier einfach immer wieder dran, als Einzelne und als Gemeinde, Gottes Prioritäten und unsere Bestimmung gerade jetzt in diesem endzeitlichen Geschehen ins Auge zu fassen und uns daran auszurichten:

  • Licht zu sein für die Nichtgläubigen.
  • Für Israel und Gottes Anliegen für sein Volk zu beten.
  • Werke der Liebe und des Trostes an Israel tun.
  • Werke der Liebe an den Gläubigen und Hilfsbedürftigen tun.

Wir leben in spannenden und herausfordernden Zeiten, die unsere Wachsamkeit und Aufmerksamkeit brauchen, in denen wir uns immer wieder neu an Gott festmachen und uns von seiner Liebe füllen lassen müssen. Wir brauchen diesen Blick auf ihn, der in allen Zeiten feststeht, der unsere Lebenszeit in seinen Händen hält, der uns Halt und Orientierung, Mut, Vertrauen und Ruhe in allen Umständen geben will. Ermutigung finden wir in Psalm 46,11-12: „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! Ich will mich erheben unter den Völkern, ich will mich erheben auf Erden. Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.“

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