100 Tage Geiselhaft: Ein nachgebauter Terrortunnel, Appelle und 136 Luftballons

100 Tage Geiselhaft: Ein nachgebauter Terrortunnel, Appelle und 136 Luftballons

Vor der Knesset stiegen 136 gelbe Ballons in die Luft auf. Foto: Knesset, X

Nach 100 Tagen machen Angehörige mit einem besonderen Aktionsprogramm auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam. Auch die Knesset beteiligt sich.

Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln haben ein 24-stündiges Aktionsprogramm veranstaltet. Es begann am Samstagabend und endete am Sonntagabend – 100 Tage nach der Massenentführung am 7. Oktober.

Im Zentrum der landesweiten Aktionen stand die Küstenmetropole Tel Aviv. Dort errichteten Angehörige einen Nachbau eines Hamas-Terrortunnels, damit die Bedingungen der Geiseln mit beengtem Raum und ohne Tageslicht deutlich werden. An den Wänden finden sich die Namen der Verschleppten, Botschaften der Hoffnung und Markierungen für die 100 Tage, schreibt die Onlinezeitung „Times of Israel“.

Tochter von Geiseln besucht Nachbau

Die Installation besuchte auch Ela Ben Ami. Ihre Eltern wurden bei dem Terrorangriff auf Südisrael entführt, die Mutter Ras kam im November frei. Der Vater Ohad befindet sich weiter in Geiselhaft.

Ela sagte dem Sender „Kanal 12“: „Ich zittere. Fast 100 Tage konnten sie das hier nicht verlassen.“ Ihr Vater sei verletzt, er leide unter Schwindel. „Aber ich weiß nicht, was für Medikamente er benötigt.“

Was die Mutter in der Geiselhaft durchgemacht hat, weiß Ela nicht: „Sie hat es mir nicht erzählt. Aber ich weiß jetzt, warum sie nachts nicht schlafen kann. Sie ist einem furchtbaren Zustand.“ Die junge Israelin forderte Regierungsmitglieder auf, nach Tel Aviv zu kommen und die Tunnelinstallation zu erleben. Sie fordert einen sofortigen Deal zur Geiselfreilassung.

Geisel mit Schusswunde in einem Tunnel

Zu den Geiseln gehört Romi Gonen. Die 23-Jährige wurde vom Nova-Festival entführt, dabei wurde ihr in den Arm geschossen. Die Mutter Meriav Leschem sagte: „Wir wissen, dass sie am Leben ist. Wir wissen, dass sie sich in einem Tunnel befindet. Und wir wissen, dass es ihr nicht gut ging und sie ihren Arm nicht bewegen kann. Sie verbindet sich alle paar Tage selbst, wenn sie Verbandszeug bekommt.“

Nach Angaben des „Forums für Familien von Geiseln und Vermissten“ leiden 75 Prozent der Entführten unter chronischen Krankheiten. Das Rote Kreuz konnte sie bislang nicht sehen. Am Freitag teilte die Regierung mit, erstmals seit der Entführung bestehe in den kommenden Tagen die Möglichkeit, den Geiseln Medikamente zukommen zu lassen. Der Termin und der genaue Modus der Übergabe sind noch nicht bekannt.

In Tel Aviv warnten Angehörige davor, dass die Zeit knapp werde, um ihre Lieben zu retten. Die Regierung tue nicht genügend, um diejenigen freizubekommen, die sie am 7. Oktober vernachlässigt habe.

Herzog appelliert an Weltgemeinschaft

Auf dem „Platz der Geiseln“ sprach auch Staatspräsident Jitzchak Herzog. Er sicherte den Entführten zu: „Wir geben euch nicht auf. Wir haben euch nicht vergessen.“

Aus der Menge gab es Buhrufe wegen des aus Sicht der Angehörigen mangelnden Einsatzes der politischen Führung. Herzog bat um Ruhe. Er wechselte zur englischen Sprache: „Ich rufe die gesamte Familie der Nationen auf, ihren Teil beizutragen. Dies ist nicht nur unser Kampf. Es ist ein Kampf für die gesamte Welt. Steht an der Seite von Leben und Freiheit. Steht an der Seite von Freiheit und Demokratie, gegen Barbarismus und Hass.“ Die Angehörigen lobte er für deren „Heldentum und Stolz“.

Solidarität vor der Knesset

Am Sonntag traten israelische Unternehmen aus Solidarität mit den Geiseln in einen 100-minütigen Streik. Auch die Knesset beteiligte sich an dem Aktionstag. Vor dem Parlamentsgebäude in Jerusalem wurde die Installation „Die gelbe Linie“ vom Künstler Doron Gasit aufgestellt. Sie besteht aus riesigen und gewundenen gelben Windsäcken über eine Länge von 250 Metern. Dies soll den Kampf um die Rückkehr der Entführten symbolisieren. Die gelbe Farbe steht allgemein für Solidarität mit Gefangenen.

Knessetsprecher Amir Ochana (Likud) sagte laut der „Jerusalem Post“: „Wir werden von hier aus ein Gebet sprechen, das nach oben steigt und darüber hinaus – dass jeder von ihnen wohlbehalten nach Hause zurückkehrt.“ Mitarbeiter der Knesset ließen 136 gelbe Luftballons steigen – für jede Geisel einen.

Bei dem Terrorüberfall auf Südisrael waren 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt worden. Während einer einwöchigen Feuerpause im November kamen 105 Geiseln frei – im Austausch gegen in Israel inhaftierte Palästinenser. Vier weitere Entführte waren schon davor freigelassen worden. Eine Geisel wurde von Soldaten gerettet.

Acht Leichen wurden vom Militär nach Israel überführt. Hinzu kommen drei versehentlich von Soldaten getötete Geiseln. Die Armee geht davon aus, dass 25 weitere Menschen, die am 7. Oktober entführt wurden, tot sind. Eine Person gilt noch als vermisst.

Zu den Geiseln vom 7. Oktober kommen vier weitere hinzu: Die Hamas hält seit 2014 die Leichen zweier gefallener Soldaten fest. Außerdem befinden sich die Zivilisten Avera Mengistu und Hischam al-Sajed in den Händen der Terrorgruppe. Sie gelangten 2014 beziehungsweise 2015 aus freien Stücken in den Gazastreifen. Die Sicherheitskräfte vermuten, dass sie am Leben sind. (Israelnetz)

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