Bibelblick: Eine „ewige Ordnung“ – Die rote Kuh

Bibelblick: Eine „ewige Ordnung“ – Die rote Kuh

Rote Kuh mit Kalb
Um den biblischen Anforderungen für die Herstellung des „Reinigungswassers“ zu genügen, dürfen die Kühe nicht mehr als zwei andersfarbige Haare haben. Foto: Temple Institute

Die rote Kuh gehört zu den ungewöhnlichen Elementen der alttestamentlichen Glaubenswelt. Sie wird in 4. Mose 19 vorgestellt und dient einem zentralen Element des Kultsystems: dem „Reinigungswasser“.

Heutzutage macht es große Schwierigkeiten, eine rote Kuh zu finden. Vielleicht war dies zu Moses Zeiten einfacher. Denn man gewinnt in 4. Mose 19 nicht den Eindruck, dass dieses Tier etwas völlig Außergewöhnliches wäre. Wie dem auch sei, Mose und Aaron bekommen den Auftrag, in Israel einen Ritus einzuführen, der auf der roten Kuh basiert: das sogenannte „Reinigungswasser“ (sechsmal erwähnt). Dieser Ritus wird als „ewige Ordnung“ eingesetzt (Verse 10 und 21) und gilt für die Juden bis heute.

Das Reinigungswasser wird auf besondere Weise hergestellt. Zunächst soll eine rote Kuh zu einem Priester (damals Eleasar) gebracht werden. Er soll sie schlachten und verbrennen. Die Asche soll dann eingesammelt und nach draußen, vor das Lager der Israeliten, gebracht werden. Dort soll sie aufbewahrt werden, so dass man sie jederzeit nutzen kann (V. 2-9). Bei Bedarf holt man etwas von der Asche, vermischt sie mit Wasser und kann dieses „Reinigungswasser“ dann auf alles Unreine sprengen, um die kultische Reinheit wieder herzustellen (V. 17-19).

Ein Gott des Lebens

Das Reinigungswasser beseitigt jedoch nur eine ganz bestimmte Art von Unreinheit: Verunreinigungen, die durch den Kontakt mit Toten entstanden sind (V. 11-19). Diese Form der Unreinheit wiegt sehr schwer, weil Gott dem Tod gegenüber auf maximale Distanz geht. Gott ist ein Gott des Lebens, ja sogar die Quelle des Lebens (vergleiche 1. Mose 2,7). Nichts steht stärker im Gegensatz zu Gott als der Tod. Vielleicht wird deshalb der Kontakt mit Toten in unserem Text sogar als sündhaft gewertet und das Reinigungswasser – für kultische Reinigungsriten absolut untypisch – als Sünden tilgend angesehen (siebenmal erwähnt).

Jedenfalls steht der Tod im krassen Widerspruch zu Gott. Das ist eindeutig. Entsprechend hart fallen die Maßnahmen aus, wenn jemand in die Stiftshütte beziehungsweise den Tempel kommt und diese Unreinheit in die Wohnung Gottes trägt. Diese Person soll „ausgerottet“ werden (hebräisch: karat Niphal; V. 13+20). Sollte hier die Todesstrafe oder ein kommendes Todesschicksal gemeint sein, was für „karat“ nicht ganz sicher ist, dann erklärt sich dies leicht. Denn wer mit dieser schlimmen Unreinheit in die Wohnung Gottes kommt, obwohl es doch ein Leichtes ist, sich vorher zu reinigen, der beleidigt Gott ins Angesicht. Gott ist zwar gnädig, aber dummdreist herausfordern lässt er sich nicht.

Den Schlüssel in den Händen

Nun wird deutlich, warum die rote Kuh für die Juden so wichtig ist: Das Reinigungswasser, das man durch sie herstellen kann, reinigt von der schlimmsten Unreinheit, die es in Israel gibt, und ermöglicht es, an den Gottesdiensten in Gottes Wohnung teilzunehmen. Ohne die rote Kuh ist das nicht möglich. Ohne die rote Kuh gilt für viele: kein Eintritt in die Stiftshütte, keine Teilnahme an heiligen Ereignissen im Tempel, kein Zutritt zum Wohnort Gottes. Alle anderen Reinigungsriten (meist Waschungen oder Tauchbäder) standen im Judentum stets zur Verfügung. Für das Reinigungswasser aber brauchte es die rote Kuh – und die war seit der Zerstörung des Tempels (70 nach Christus) nicht mehr vorhanden. Nun ist sie wieder da. Damit haben die Juden den Schlüssel zu ihrem Kultsystem (und damit dem Tempeldienst) wieder in Händen. Nach fast 2000 Jahren. Das ist ein gravierender Vorgang.

Wiederentdeckung nicht überschätzen

Die Wiederentdeckung der roten Kuh sollte man dennoch nicht überhöhen. In manchen jüdischen Kreisen sagt man, dass zuerst der Tempel wiederaufgebaut werden muss und dann der Messias kommt. Folgt man diesem Ansatz, dann kann man die rote Kuh geradezu verklären: „Jetzt kann der Tempel kommen und dann kommt auch der Messias!“ Abgesehen von der Frage, ob diese Zusammenhänge biblisch so klar vorliegen, muss man nüchtern sagen, dass das eine nicht aus dem anderen folgt. Die Kuh heute führt nicht dazu, dass morgen der Tempel erbaut wird und übermorgen der Messias kommt. Wenn aber eines Tages der Tempel gebaut wird, dann kann er durch die rote Kuh wieder vollgültig und ohne Vorbehalt in Betrieb genommen werden – und das ist tatsächlich aufsehenerregend.

Felsendom und Al-Aksa-Moschee
Der Jerusalemer Ölberg gegenüber vom Tempelberg war ein würdiger Ort zur Asche-Gewinnung. Er lag außerhalb der Stadtmauern, bot aber den Blick auf den jüdischen Tempel, an dessen Stelle heute der muslimische Felsendom und die Al-Aksa-Moschee stehen. Foto: Dana Nowak

Auf der anderen Seite gibt es noch immer Christen, die sich über diese Dinge lustig machen. Ihnen möchte ich sagen: „Wer andere auslacht, hat meist gar nicht verstanden, worum es in der Sache geht.“ Schauen wir zum Vergleich unseren christlichen Glauben an. Wir glauben, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist, von Gott wieder auferweckt wurde und eines Tages wiederkommen wird. Das glauben Sie, lieber Leser, das glaube ich.

Aber ganz ehrlich: Von außen betrachtet hat auch dieser Glaube etwas Merkwürdiges. Und er hat nicht selten für Spott gesorgt – schon im alten Rom. Viele verstehen das einfach nicht. Dennoch gilt, was Paulus über Jesus sagt: „Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut.“ (Römer 3,25) Gott hat Jesus „hingestellt“, gesetzt, bestimmt, um Sühne zu schaffen. Das ist eine zentrale Wahrheit des Neuen Testaments.

Die Satzungen Gottes sind oft so, dass sie sich dem Zugriff durch den bloßen Verstand entziehen. Der natürliche Mensch begreift sie nicht, also macht er sich über sie lustig (vergleiche 1. Korinther 2,6-16). Von außen betrachtet erschließt sich der Glaube tatsächlich nicht so leicht. Wer aber in der Welt des Glaubens lebt, wer sie von innen kennt und Teil von ihr ist, der versteht sie. Ob nun die rote Kuh Juden von Unreinheit reinigt oder Jesu Blut alle Menschen von den Sünden: Beides sind Satzungen Gottes, die in ihrem Glaubenssystem je ihre eigene Bedeutung haben.

Persönlich freue ich mich für meine jüdischen Freunde, dass sie die rote Kuh wieder haben. Und ich freue mich für jeden Menschen, der er-kennt, dass Jesus für die Sünden gesühnt und uns mit Gott versöhnt hat – ein für alle Mal und für immer (2. Korinther 5,18-21; Hebräer 9,24-28). Was könnte es Größeres geben?

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 137. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

Mehr über die geistliche Dimension hinter dem Massaker vom 7. Oktober, und was die Asche der Roten Kuh mit dem Hamas-Angriff zu tun hat, lesen Sie in diesem Artikel von Josias Terschüren.

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