Eine Bibelarbeit: Batseba und David – vom Umgang mit Schuld

Eine Bibelarbeit: Batseba und David – vom Umgang mit Schuld

Vor etwa 3000 Jahren machte König David Jerusalem zu seiner Hauptstadt. In der sogenannten Davidsstadt südlich des Tempelbergs sind heute entsprechende Ausgrabungen zu besichtigen. Foto: RasikaSekhara/Canva

Der biblische König David und seine Nachbarin Batseba haben sich des Ehebruchs schuldig gemacht. Doch sie finden Gnade und Vergebung bei Gott. Ihr Sohn Salomo, nicht Davids Erstgeborener, wird Thronfolger. In dieser Bibelarbeit widmet sich der Autor Rolf Weiss dem Thema Umgang mit Schuld und Versöhnung.

Von: Rolf Weiss

Die Geschichte von König David und Batseba findet sich in 2. Samuel 11,1-13:

„Und als das Jahr um war, zur Zeit, da die Könige ins Feld zu ziehen pflegen, sandte David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel, damit sie das Land der Ammoniter verheerten und Rabba belagerten. David aber blieb in Jerusalem. Und es begab sich, dass David um den Abend aufstand von seinem Lager und sich auf dem Dach des Königshauses erging; da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Und David sandte hin und ließ nach der Frau fragen und sagte: Ist das nicht Batseba, die Tochter Eliams, die Frau Urias, des Hetiters? Und David sandte Boten hin und ließ sie holen. Und als sie zu ihm kam, schlief er bei ihr; sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit. Und sie kehrte in ihr Haus zurück. Und die Frau ward schwanger und sandte hin und ließ David sagen: Ich bin schwanger geworden. David aber sandte zu Joab: Sende zu mir Uria, den Hetiter. Und Joab sandte Uria zu David. Und als Uria zu ihm kam, fragte David, ob es mit Joab und mit dem Volk und mit dem Krieg gut stünde. Und David sprach zu Uria: Geh hinab in dein Haus und wasch deine Füße. Und als Uria aus des Königs Haus hinausging, wurde ihm ein Geschenk des Königs nachgetragen. Aber Uria legte sich schlafen vor der Tür des Königshauses, wo alle Knechte seines Herrn lagen, und ging nicht hinab in sein Haus. Als man aber David ansagte: Uria ist nicht hinab in sein Haus gegangen, sprach David zu Uria: Bist du nicht von weit her gekommen? Warum bist du nicht hinab in dein Haus gegangen? Uria aber sprach zu David: Die Lade und Israel und Juda wohnen in Zelten und Joab, mein Herr, und meines Herrn Knechte liegen auf freiem Felde, und ich sollte in mein Haus gehen, um zu essen und zu trinken und bei meiner Frau zu liegen? So wahr du lebst und deine Seele lebt: Das werde ich nicht tun! David sprach zu Uria: Bleib heute hier, morgen will ich dich gehen lassen. So blieb Uria in Jerusalem an diesem Tage und auch am nächsten. Und David lud ihn ein, dass er bei ihm aß und trank, und machte ihn trunken. Aber am Abend ging er hinaus, dass er sich schlafen legte auf sein Lager bei den Knechten seines Herrn, und ging nicht hinab in sein Haus.“

In manchen Bibelausgaben lesen wir auch als Überschrift: „Davids Ehebruch und Blutschuld“. Das ist ein typischer Fall von kirchentheologischer Einseitigkeit. Die Überschrift ist nicht Bestandteil des Bibeltextes, sondern eine menschliche Einfügung. Damit stellt sie eine Veränderung des Bibeltextes dar und ist deshalb nur mit größter Vorsicht zu benutzen.

Vorab einige Stichworte, Gedanken und Begriffsdefinitionen

Schuld, das Ergebnis von Fehlverhalten, Sünde, Übertretung von Gesetzen

Strafe, Vergeltung oder Rache, eine Reaktion auf Schuld, über die Berechtigung ist damit noch nichts gesagt

Vergebung oder Gnade – bedeuten keinen Freispruch! Vergebung beinhaltet immer die Feststellung von Schuld, denn wer ohne Schuld ist, braucht keine Vergebung, sondern hat das Recht auf einen Freispruch.

Vergebung ist aber der Verzicht auf eigene, persönliche Strafe und Rache. Einen sehr guten Gedanken dazu habe ich in dem Buch „Mehr als alles behüte dein Herz“ von Änne Osterberg gefunden: „Vergeben – die Sache und den Schuldiger Gott zu übergeben – und Verzeihen – auf eigene Vergeltung verzichten – gehören zusammen wie zwei Seiten einer Münze.“ Das heißt, es Gott zu überlassen, wie er mit dem Schuldigen umgeht, ob er Gnade gewährt oder straft. Dabei kann Strafe im Einzelfall nötig sein, um zur Umkehr zu führen – sie kann so sogar ein Zeichen von Liebe sein. Gott weiß schließlich am besten, was ein Menschen braucht, der schuldig gewordener ist.

Das bedeutet aber nicht automatisch den Verzicht auf Wiedergutmachung, soweit diese möglich ist. Ein einfaches Beispiel: Wer ein Auto stiehlt muss es zurückgeben, auch wenn der Diebstahl vergeben wurde. In manchen Fällen ist Wiedergutmachung nicht oder nur teilweise möglich, wenn der angerichtete Schaden nicht ausgeglichen werden kann, zum Beispiel bei einem Mord. So ist es also möglich, dass eine Tat vergeben wird, aber die Feststellung des Fehlverhaltens trotzdem bestehen bleibt, auch wenn auf Vergeltung oder Rache verzichtet wird.

Nach meinem Verständnis ist das die einzige Möglichkeit für uns Menschen, mit Gott ins Reine zu kommen. Wie sonst sollte man Math 18,21-35 verstehen, wo eine vergebene Schuld wieder wirksam wird und die Vergebung sogar zurückgenommen wird?

Ich habe oft den Eindruck, dass diese Begriffe im Alltag nicht genug unterschieden werden. So ist die oft gebrauchte Wendung „Ich entschuldige mich…“ genau genommen nicht richtig, denn es sollte heißen: „Ich bitte um Entschuldigung…“. Denn der Schuldige kann nicht selbst bestimmen, wie mit seiner Schuld umgegangen wird. Das steht nur den Geschädigten zu – also der betroffenen Person und immer auch Gott, der von jeder Sünde ja auch betroffen ist.

Gleichgültigkeit macht mitschuldig

Oft ist auch zu hören: „Wenn mich jemand verletzt hat, so vergebe ich sofort, damit ich davon frei werde. Sonst belastet mich die Sache weiterhin.“ Das klingt gut und biblisch, beinhaltet aber auch eine große Gefahr. Denn wenn es nur um mein eigenes Wohlfühlen geht, ist das versteckter Egoismus. Das Schicksal des andern, also des Schuldigen ist dabei dann egal. Dieses Verhalten verletzt die Nächstenliebe, denn Jesus ist auch für die gestorben, die uns verletzen. Auch widerspricht dieses Verhalten eindeutig dem Gebot in Hes 3,16-21. Dort werden wir eindeutig aufgefordert, schuldig gewordene Menschen zu warnen – ohne dabeiStrafe, Vergeltung oder Rache zu wollen. Schon Gleichgültigkeit kann mitschuldig machen. Wie können wir „Salz der Erde“ sein, wenn wir uns bequem heraushalten? (Math 5,13)

Eine ganz andere Situation liegt vor, wenn die Angriffe und Verletzungen fortdauern, ohne dass sie eingesehen oder bereut werden. Natürlich ist in solchen Fällen angemessene Abwehr erlaubt, unabhängig davon, ob auf Vergeltung verzichtet wird. Allerdings können in solchen Fällen je nach persönlichem Empfinden die Grenzen unklar werden, besonders in der Frage, was angemessen ist.

Betrachten wir nun genau den Bibeltext. Zu einem Ehebruch gehören immer zwei. Sonst ist es eine Vergewaltigung. Im Text heißt es ausdrücklich „zur Abendzeit“, also nicht am Mittag, wo in südlichen Ländern das Leben weitgehend ruht – und eine Abkühlung von der Tageshitze angenehm wäre.

Gegen Abend, wenn die Menschen dort wieder munter werden und ihre kühlenden Steinhäuser verlassen, zieht sich eine Frau nackt aus und badet im Freien. Offensichtlich in Sichtweite möglicher Nachbarn, in diesem Fall des Königs David. Eine Frau „von sehr schönem Aussehen“, das wird extra erwähnt, dessen war sie sich sicher bewusst. Welche Wirkung hat der Anblick einer sehr schönen, nackten Frau auf einen gesunden Mann wie David? Wenn das keine Verführung ist – was dann? Ein Angebot? Eine Aufforderung?

David hatte bereits mehrere Frauen und es war ihm ein Leichtes, weitere dazu zu bekommen. Wir lesen in dem Bibeltext nicht vom kleinsten Versuch Batsebas, David von seinem Wunsch, mit ihr zu schlafen und dabei einen Ehebruch zu begehen, abzubringen. Anders als zum Beispiel Abigajil, die ihn vor einem unüberlegten Schritt warnte (1. Samuel 25, 18-24).

Ein eindeutiges biblisches Urteil über Batsebas Verhalten finden wir in Math 1,5, wo Batseba im Unterschied zu den andern vier im Geschlechtsregister Jesu namentlich genannten Frauen nach 3.000 Jahren immer noch als „Frau des Uria“ bezeichnet wird. Die Verweigerung der Namensnennung ist immer ein Zeichen der Verachtung. Vergleiche dazu Rut 4,1, wo der Löser, der vor Boas berechtigt war, nicht mit Namen, sondern nur „du Soundso“ genannt wird.

Mildernde Umstände?

Wir wissen wenig über die Ehe von Uria und Batseba. Die Verse 8 bis 13 lassen allerdings einige deutliche Schlüsse darauf zu, dass Batseba sich von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlte. Und dazu hatte sie wohl einigen Grund. Aber das berechtigte sie nicht, eine Verführung zu starten – so wenig wie David durch diese Verführung von seiner Verantwortung frei war. Beide waren beteiligt, beide offensichtlich bereitwillig. Beide sind für ihr eigenes Verhalten verantwortlich.

Was sagt uns diese 3000 Jahre alte Geschichte heute?

Auch wenn völlig klar ist, dass beide einen Anteil Schuld haben, so müssen wir heute unbedingt beachten, dass es nicht um Verurteilung und Vergeltung gehen darf, das wäre allein Gottes Sache. Aber es kann sehr lehrreich und hilfreich sein, solche Geschichten gründlich und sachlich nach rein biblischen Argumenten zu analysieren. Dann können wir uns daran selbst messen, was helfen kann, uns vor ähnlichen Fehlern zu schützen. So ist es auch nicht hilfreich, alte, längst vergebene Schuld nie mehr zu erwähnen, denn „Vergessen ist das Anliegen des Teufels, denn dann ist der Weg für eine Wiederholung offen“. So ähnlich habe ich das irgendwo gelesen. Amen dazu!

Also keine nachträglichen Schuldzuweisungen, keine sinnlosen Verurteilungen. Aber doch eine biblisch fundierte Beurteilung solcher Geschichten. Auch wenn manche Details nicht direkt beschrieben sind, sondern sich nur aus dem Zusammenhang ergeben. Ein interessantes Detail ist das Verhalten von Uria: Ein Soldat im Kriegseinsatz, der ein oder zwei Tage Fronturlaub bekommt mit der ausdrücklichen Aufforderung, seine Frau zu besuchen, dies aber ignoriert. Wann wird aus übertriebener Pflichterfüllung die Vernachlässigung der eigenen Familie? Aber auch das ist noch lange keine Entschuldigung für einen Ehebruch.

Doch haben beide, David und Batseba, bei Gott Gnade und Vergebung gefunden, das zeigt ihr weiterer Werdegang. Auch wenn Gott ihnen das Kind aus dem Ehebruch schnell genommen hat, so wurde doch ein weiterer Sohn der Nachfolger von König David, nämlich Salomo.

Ein interessanter Vergleich

Obwohl Batsebas Sohn Salomo keineswegs der Erstgeborene Davids war, wurde er durch Batsebas und Natans Eingreifen zum Nachfolger auf Davids Thron. (1. Könige 2,22). Hier stellt sich die Frage, weshalb wird das in kirchlichen Kreisen bis heute wie selbstverständlich akzeptiert, wenn andererseits das Eingreifen Rebekkas bei Isaak scharf angegriffen wird, obwohl dort ein rechtsgültiger, mit Eid bestätigter Vertrag vorlag und Isaak beabsichtigte, diesen Vertrag zu brechen? (1. Mose 25,33 + 27,1-4) Salomo hat seinen älteren Bruder Adonia töten lassen (1. Könige 2,23-25). Nie hat Jakob etwas ähnliches mit Esau geplant oder gar getan. Was sind die Hintergründe für diese unterschiedliche Beurteilung? Gibt es andere, biblisch fundierte Argumente als nur die Erklärung, dass unterschwelliger, vielleicht auch unbewusster Judenhass mitspielt, weil Jakob von Gott den Namen ISRAEL erhielt? Warum sonst stellt man die schlechten Eigenschaften einzelner Israeliten besonders heraus – und schädigt dadurch doch auch den Ruf aller Juden, auch der heutigen? Ich habe keine anderen Gründe gefunden, mir wurden auch noch nie welche genannt.

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