Gedenken an Olympia-Attentat: Ein goldener Moment in der deutsch-israelischen Geschichte

Gedenken an Olympia-Attentat: Ein goldener Moment in der deutsch-israelischen Geschichte

Vor allem dem Einsatz der beiden Staatsoberhäupter Jitzchak Herzog (l.) und Frank-Walter Steinmeier (r.) war es zu verdanken, dass der Gedenktag kein Desaster wurde (Archivbild). Foto: GPO/Haim Zach

Der 50. Jahrestag des palästinensischen Terroranschlags gegen das israelische Olympiateam bei den Münchener Sommerspielen 1972 drohte ein Desaster zu werden. Doch dann kam alles anders.

Es stand lange auf der Kippe, aber schlussendlich kam er doch noch: Der langerhoffte Moment, der die Aufarbeitung des palästinensischen Massakers an den Sportlern der israelischen Olympiamannschaft von 1972 und der unrühmlichen Rolle deutscher Behörden vor, während und nach dem Attentat anstoßen sollte. Es hat fünfzig Jahre gedauert, bis die damals involvierten deutschen Behörden und Institutionen endlich Verantwortung übernahmen und um Entschuldigung baten. Doch im Rahmen des fünfzigsten Jahrestages, am 5. September taten sie es schließlich alle und das war so überfällig, wie heilsam: Dr. Markus Söder für den Freistaat Bayern, Oberbürgermeister Dieter Reiter für München, Innenministerin Nancy Faeser für die Bundesregierung und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die ganze Bundesrepublik.

Steinmeier bittet um Vergebung

Steinmeier sprach gegen Ende seiner einfühlsamen, verantwortungsbewussten und schonungslos aufrichtigen Rede, folgende historische Sätze: „Ich richte die folgenden Worte deshalb ausdrücklich an Sie [die Hinterbliebenen], deren Leben seit fünfzig Jahren von Verlust, Trauer und Schmerz beherrscht ist: Wir können nicht wiedergutmachen, was geschehen ist, auch nicht, was Sie an Abwehr, Ignoranz und Unrecht erfahren und erlitten haben. Das beschämt mich. Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach; dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist.“ Dabei drohte der fünfzigste Jahrestag des palästinensischen Terrorattentats gegen das israelische Team bei den Münchener Sommerspielen von 1972 ein Desaster zu werden. Vieles deutete darauf hin, dass die Möglichkeit zur Versöhnung aufgrund deutschen Unvermögens ungenutzt bleiben könnte. Nicht nur reihte sich ein antisemitischer Skandal mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung an den nächsten, man denke etwa an die Documenta, die Holocaust-Relativierungskonferenz „Hijacking Memory“ in Berlin oder die Abbas-Episode im Kanzleramt. Nein, nur wenige Tage vor dem Jahrestag scheinen die Gräben zwischen unsensibel agierenden deutschen Behörden und den Hinterbliebenen der getöteten israelischen Sportler unüberbrückbar.

Wende in letzter Sekunde

Es war dem persönlichen Einsatz des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und seines israelischen Gegenübers, Jitzchak Herzog, zu verdanken, dass das Blatt noch in letzter Sekunde gewendet werden konnte. Die Hinterbliebenen, die bereits ihren Boykott der Gedenkveranstaltung publik gemacht hatten, kamen doch noch und gaben ihr zusammen mit den beiden Staatsoberhäuptern die nötige emotionale Tiefe sowie historische, politische und geistliche Relevanz. Nur einen Tag später wurde im Bundestag im Rahmen einer offiziellen Feierstunde der 70. Jahrestag des Luxemburger Abkommens von 1952 begangen. Die vier ranghöchsten Repräsentanten der Bundesrepublik waren anwesend. 70 Jahre zuvor hatte die frisch gegründete Bundesrepublik noch in der Ära Adenauer die deutsche Schuld anerkannt und mit Reparationszahlungen für entwendete jüdische Güter an die Jewish Claims Conference begonnen und damit einen wichtigen Grundstein für die deutsch-israelischen Beziehungen gelegt. 1965 wurden auf dieser Grundlage schließlich offizielle, diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel aufgenommen.

Meilensteine der deutsch-israelischen Geschichte

Zusammengenommen bildeten diese zwei Veranstaltungen Anfang September dieses Jahres einen goldenen Moment der deutsch-israelischen Geschichte. Es war ein Moment der Versöhnung, heilsam, empathisch und damit wegweisend. Ein weiterer Meilenstein, der aus diesem Prozess hervorgegangen ist, war die Öffnung der bayerischen und bundesdeutschen Archive zu den Vorkommnissen rund um das Olympia-Attentat und die Einsetzung einer deutsch-israelischen Historikerkommission. Es ist zu hoffen, dass die Aufarbeitung dieser Zeit und ihrer politischen Protagonisten wie etwa Willy Brandt oder Hans-Dietrich Genscher noch einige Erkenntnisse ans Tageslicht bringt.

Dringend notwendige Aufarbeitung

Die Entwicklungen der 70er Jahre prägen die bundesdeutsche Nahostpolitik bis heute. Neben der protokollarisch gepflegten Israelsolidarität nahm auch die finanzielle und diplomatische Unterstützung der Palästinenser stetig zu. Historiker wie der Direktor des AJC-Berlin, Remko Leemhuis oder Michael Wolffsohn haben bereits mit der Aufarbeitung der widersprüchlichen Brandt’schen Außen- und Nahostpolitik begonnen. Eine sehenswerte, aber erschütternde vierteilige Doku-Serie der ARD unter dem Titel „Tod und Spiele“ vermittelt ein Gespür dafür, wieviel Aufarbeitungspotenzial es noch gibt.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Zeitung „Israelaktuell“, Ausgabe 131. Sie können die Zeitung hier kostenlos bestellen: https://csi-aktuell.de/israelaktuell. Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Auslegen und Weitergeben zu.

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