Öffentlicher Nahverkehr: Erste Tel Aviver Stadtbahn nimmt Fahrt auf

Öffentlicher Nahverkehr: Erste Tel Aviver Stadtbahn nimmt Fahrt auf

Premierminister Benjamin Netanjahu mit Ehefrau Sara bei der Eröffnungszeremonie in Petach Tikva. Foto: Flash90, Koko/Pool

Mit zwei Jahren Verspätung beginnt die Tel Aviver Stadtbahn ihren Betrieb. Wer die historische erste Fahrt erleben wollte, musste früh aufstehen.

Die erste Stadtbahn von Tel Aviv ist eröffnet. Am Freitagmorgen um 5.40 Uhr Ortszeit starteten an drei Haltestellen gleichzeitig die Züge: Petach Tikva Hauptbahnhof, Kiriat Arje und Bat Jam-Komemiut.

Interessierte aus dem gesamten Land nutzten die Chance auf die historische Fahrt, die am ersten Tag noch kostenlos war. Ab Samstagabend müssen Passagiere innerhalb von Tel Aviv umgerechnet rund 1,34 Euro und bei Fahrten jenseits der Stadtgrenzen knapp 3 Euro bezahlen.

Die Rote Linie der Stadtbahn erstreckt sich über 24 Kilometer und hat 34 Haltestellen. Sie führt von Bat Jam nach Petach Tikva. Zwei weitere Linien sollen 2026 und 2028 eröffnet werden. Dann gibt es 139 Stationen in 14 Städten. Zudem sind Pläne für drei U-Bahn-Linien im Gespräch, schreibt die Onlinezeitung „Times of Israel“.

Die neue Straßenbahn bei einer Testfahrt durch Jaffa. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

In einer kleinen Zeremonie erhielt Koti Elasar aus Tel Aviv am Freitag ein Zertifikat: Der 70-Jährige wurde in Bat Jam als erster Passagier der neuen Bahn geehrt.

Der Bürgermeister von Bat Jam, Zvika Brot (Likud), sagte: „Wir sind glücklich und aufgeregt. Wir haben lange darauf gewartet.“ Die Bewohner hätten die Hauptlast der Bauarbeiten an der Bahn jahrelang getragen. „Aber das Ergebnis ist wunderbar. Diese Bahn wird Bat Jam voranbringen.“

Die Arbeiten hatte die Behörde für öffentlichen Nahverkehr (NTA) im Raum Tel Aviv beaufsichtigt. Sie begannen 2015 und sollten ursprünglich bereits 2021 abgeschlossen werden. Doch es gab Verzögerungen.

Einem Bericht der Zeitung „Yediot Aharonot“ zufolge war auch der Start etwas ruckelig: Nicht immer funktionierte die Zielanzeige in der Bahn. Zudem musste ein Lokführer rückwärts fahren, um die Stellen fürs Öffnen der Türen zu treffen. Überdies wurde festgestellt, dass sich auf der Strecke zu viele Ampeln befinden. Sie halten den Bahnverkehr auf.

Student aus London angereist

Dies tat der Freude der Passagiere indes keinen Abbruch. Die zwölfjährige Mika hatte ihren Vater Schai überredet, mit ihr im ersten Zug zu fahren: „Ich habe es ihm schon vor einer Woche gesagt. Er wacht sowieso um 5 Uhr auf, also hat er mich hierhergefahren. Ich habe eine schöne Zeit.“

Der Vater fügte hinzu: „Das ist wirklich ein historischer Augenblick. Wir verdienen diese Bahn nach einer langen Zeit, in der Tel Aviv gelitten hat.“ Damit bezog er sich vermutlich auf die Staus.

Itai Schifrin kam mit seinen drei Kindern von Modi’in zur Eröffnung: „Ich wollte ein Teil des historischen Ereignisses sein.“ Er stammt ursprünglich aus Bat Jam. „Ich habe seit Jahren von diesem Projekt gehört. Ich reise lieber mit dem Zug und nicht mit dem Auto. Vor allem, wenn er nicht überfüllt ist.“

Eine weite Anreise hatte Shawn Michael, der extra aus London gekommen war. Er verfolge das Projekt schon seit langer Zeit, sagte der britische Architekturstudent. „Vor allem wegen der Klimakrise sind solche Projekte wichtig. Und es ist wichtig, von ihnen zu lernen.“

Netanjahu: „Linie wird allen dienen“

Bereits am Donnerstag hatte Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) in einer offiziellen Eröffnungszeremonie symbolisch das Band an der Endstation Petach Tikva durchgeschnitten. Er sagte: „Diese Linie wird allen dienen – denjenigen, die uns unterstützen und denjenigen, die uns ablehnen. Dies ist ein Festtag für Israel.“

Hunderte Demonstranten, die die geplante Justizreform der israelischen Regierung ablehnen, hatten sich außerhalb des Geländes versammelt. Buh-Rufe und Gehupe waren während Netanjahus Ansprache zu hören, so dass er die Stimme heben musste.

Protestler postierten sich auch an verschiedenen Stellen der Strecke, die Netanjahu und seine Frau Sara auf einer Testfahrt der neuen Bahn zurücklegten. Etwa 1.000 Polizisten sicherten Medienberichten zufolge die Route.

Demonstranten scheitern am Obersten Gericht

Am Mittwoch hatten Organisatoren der Protestbewegung die wegen der Eröffnung von 7 bis 16 Uhr geplanten Straßensperren kritisiert. Diese seien darauf ausgelegt, zu verhindern, dass Demonstranten die Fahrt stören. Die Protestler forderten die Polizei auf, „die Lähmung von ganz Tel Aviv zugunsten des Diktators, der eine Fahrt mit der Stadtbahn macht“, zu verhindern. Die Sperrungen seien „unvernünftig“.

Und so wandten sich die Anführer am Donnerstagmorgen an den Obersten Gerichtshof. Doch dieser schritt nicht ein. Zudem bestanden Pläne, die Eröffnung am Freitag mit den ersten Passagieren zu stören und die Bahntrasse zu blockieren.

Verkehrsministerin Miri Regev (Likud) wiederum scherzte bei der offiziellen Zeremonie mit Blick auf die Demonstranten: „Herr Premierminister, Sie haben keine Vorstellung, wie dankbar einige Bewohner sind – sie erwarteten mich hier mit einem Hupkonzert, ich sah die Aufregung in ihren Augen.“

Tel Aviver Bürgermeister protestiert gegen Schabbatruhe

Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai (Die Israelis), boykottierte unterdessen die Einweihungszeremonie. Er kritisiert, dass die Bahn wie der größte Teil des öffentlichen Verkehrs in Israel am Schabbat ruht.

In einer Videobotschaft vom Mittwoch erklärte Huldai: „Dies ist mein Protest. Die Stadtbahn muss auch an Wochenenden in Betrieb sein und der Öffentlichkeit dienen, wie es zu einem liberalen und demokratischen Land passt.“

Das Projekt hat umgerechnet rund 4,6 Milliarden Euro gekostet. Politiker erhoffen sich davon eine Entspannung der Verkehrssituation im Raum Tel Aviv. (Israelnetz)

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