Der Überfall der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 war eine Tragödie. Menschen wurden getötet und verschleppt, tausende Verletzte liegen in Krankenhäusern rund um den Gazastreifen, und traumatisierte und vertriebene Menschen versuchen ihr Leben wieder aufzubauen und ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Die israelische Hilfsorganisation ADI Negev-Nahalat Eran bietet mit einem besonderen Resilienzprogramm wertvolle Unterstützung.
Von Dina Rahamim, ADI Negev-Nahalat Eran
Das Trauma sitzt tief – und das nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen. Es gibt niemanden in Israel, der nicht auf irgendeine Weise von dem Krieg betroffen ist. Kinder mit und ohne Behinderungen aus der Gegend nahe Gaza leiden gleichermaßen emotional an dem Erlebten und den aktuellen Geschehnissen.
Aus diesem Grund hat ADI Negev-Nahalat Eran, ein Rehabilitationsdorf, das nur 20 Kilometer Luftlinie vom Gazastreifen entfernt ist, gemeinsam mit anderen Organisationen auf dem Gebiet der Traumabewältigung das Projekt „Merhavim Lanefesh“ ins Leben gerufen: ein Programm für emotionsfokussierte Therapie für Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 15 Jahren aus der westlichen Negev-Region und dem Umland des Gazastreifens. Ziel des Programms ist es, die Widerstandsfähigkeit der Kinder zu stärken und ihnen die Werkzeuge zu geben, um mit dem Erlebten umgehen zu können.
Bereits seit 2006 ist ADI Negev-Nahalat Eran der Ort, an den Menschen aus der Negev-Gegend kommen, um ein erstklassiges Rehabilitationsangebot wahrzunehmen. Primär war es für Kinder und Erwachsene mit schweren multiplen Behinderungen gedacht – ein liebevolles Zuhause voller Wärme, in dem sie fast genauso leben können, wie Menschen ohne Behinderungen. Sie besuchen die hausinterne Schule, nehmen an Werkstattprogrammen und Aktivitäten wie Schwimmen am Strand teil oder genießen Ausflüge in die Natur. Unabhängig von ihrem sozio-ökonomischen Hintergrund werden sie in ADI mit offenen Armen als Teil der ADI-Familie aufgenommen und gefördert.
Schnell wurde jedoch klar, dass ADI Negev-Nahalat Eran das Potential für mehr hat und dieses mittlerweile auch nutzt: Integrative Kindergartenklassen, Anstellung und Ausbildung von Menschen mit Behinderung und ihre Integration in den freien Arbeitsmarkt, ambulante und stationäre Reha-Behandlungen sind nur einige der wichtigen Bereiche, in denen ADI aktiv ist. Das Harvey and Gloria Kaylie Rehabilitation Medical Center ist eine der neusten großen Errungenschaften von ADI. Das Reha-Krankenhaus wurde 2022 im Rehabilitationsdorf eröffnet und bietet den Menschen im Süden Israels die langersehnte Möglichkeit, in der Nähe ihres Wohnortes behandelt zu werden, anstatt immer ins Zentrum oder gar in den Norden des Landes reisen zu müssen.
Wertvolle Erfahrung
Dank der langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Rehabilitation ist das Team von ADI bestens dafür ausgebildet mit Kindern zu arbeiten, die Traumata erlebt haben – aktuell ist diese Expertise leider bitternötig. Seit dem 7. Oktober und dem seither andauernden Krieg hilft ADI, wo immer möglich ist. Die meisten Angebote rund um Traumata-Bewältigung lassen Kinder und Erwachsene mit Behinderungen außenvor. Das macht die Beteiligung von ADI Negev-Nahalat Eran an diesem Projekt umso wichtiger, denn hier gibt es das Fachwissen und die Kapazitäten, sowohl Menschen ohne als auch mit Behinderungen zu helfen.
Das „Merhavim Lanefesh“-Programm in Zahlen:
- 42 Gruppen, 330 Kinder und Eltern
- Behandlungsdauer: 15 Sitzungen je Gruppe
- persönliche Beratung durch klinische Psychologen und Sozialarbeiter
- mehrere Behandlungsbereiche: Kochtherapie, Tiertherapie (unter anderem Hunde- und Pferdetherapie), Hydrotherapie, Surftherapie und Sporttherapie
- 30 Freiwillige des Nationaldienstes zur Unterstützung des Personals
- Familienberatung vor und nach den Behandlungssitzungen
Das Programm zeigt bereits heute seine positiven Auswirkungen: Zwei kleine Mädchen mit Autismus waren von den Geschehnissen am und nach dem 7. Oktober so traumatisiert, dass sie nur mit Menschen sprachen, die sie bereits kannten. Vor jeder unbekannten Person verschlossen sie sich. Als ihre Eltern von dem Resilienz-Programm erfuhren, waren sie unendlich froh darüber, dass ihre Kleinen am Therapie-Gruppenprogramm teilnehmen würden. Nach nur wenigen Sitzungen innerhalb der Tiertherapie fingen die Mädchen an mit den Kaninchen zu sprechen. Und in der folgenden Sitzung sprachen sie dann tatsächlich mit der Therapeutin. Das war ein Fortschritt, auf den alle gehofft hatten, aber ihn nicht so schnell kommen sahen. Dieses Erfolgserlebnis bestätigt, wie wichtig und effektiv das Programm von ADI Negev-Nahalat Eran ist.
ADI Negev-Nahalat Eran arbeitet mit lokalen Resilienz-Zentren zusammen, um seine bereits bestehenden internen Strukturen und Therapiedienste anzubieten und so schnelle Lösungen für die Menschen in Südisrael zu bieten. Das Programm könnte jedoch im gegenwärtigen Format ohne die Unterstützung von Partnern wie Christen an der Seite Israels (CSI) nicht stattfinden – daher danken wir CSI und allen Spendern von Herzen für ihre Großzügigkeit und Freundschaft!